Montag, 5. Dezember 2016

Österreichische Richtungswahl

Mariele Schulze-Berndt kommentiert in der Augsburger Allgemeinen vom 5.12. den Ausgang der Wahl zum Bundespräsidenten in Österreich:


Mariele Schulze-Berndt schreibt:
"Die Wahl der Österreicher ist eine Richtungsentscheidung. Ihr Bundespräsident soll nicht Wut und Systemkritik verkörpern, sondern Stabilität und Sicherheit. Als Repräsentanten des Landes im Ausland wollen die Wähler einen besonnenen und optimistischen Politiker."
Eine Richtungsentscheidung, tatsächlich? Ja, es ging um "Wut und Systemkritik" versus Besonnenheit und politischen Optimismus. Eine Richtungsentscheidung? Nicht wirklich, denn die FPÖ, für die Hofer angetreten ist, ist die in Umfragen stärkste Partei, wenn es um die Parlamentswahl geht. Ich wage die Prognose, dass sich dies durch die Präsidentenwahl nicht geändert hat. Es standen im Unterschied zu einer Parlamentswahl standen nur zwei Optionen zur Verfügung: Van der Bellen und Hofer. Die begrenzte Auswahl kanalisierte die Wählerpositionen. Mariele Schulze-Berndt schreibt:
"[...] gepaart mit der Befürchtung, ein Rechter könnte Bundespräsident werden. Van der Bellen hat eine breite, überparteiliche Koalition hinter sich gebracht. Es ist beeindruckend, wie wirksam eine zivilgesellschaftliche Bewegung unterstützt von Bürgermeistern, Managern und Künstlern sein kann."
Das Ergebnis der Wahl ist erfreulich. Ebenso erfreulich ist, dass "eine zivilgesellschaftliche Bewegung" "mit der Befürchtung, ein Rechter könnte Bundespräsident werden" ein solches Ergebnis erreichen konnte. Der Sieg Van der Bellens ist (nach dem vorläufigen Endergebnis ohne Briefwahl) deutlich höher ausgefallen als bei der ersten Stichwahl. Statt etwa 30.000 Stimmen beträgt der Vorsprung nun etwa 130.000 Stimmen. Allerdings bleibt ein Beigeschmack, wenn man sich die Verteilung der Zustimmung zu den Kandidaten nach Gemeinden anschaut:


Weite Flächen sind blau und zeigen, dass hier der rechte Kandidat gewonnen hat. Die Österreicher wählten Van der Bellen, die meisten Gemeinden Hofer. Hofer gewann auf dem Land, Van der Bellen in Städten. An der zivilgesellschaftlichen Bewegung waren Bürgermeister beteiligt. Viele in der ÖVP brachten es nicht übers Herz, sich öffentlich zu Van der Bellen zu stellen und eine entsprechende Wahlempfehlung abzugeben. Das zeigt, dass Gedanken und "Lösungen" der Rechten nicht nur am rechten Rand reüssieren, sondern weit in das Land hineinreichen. Für viele konservative Wähler ist die FPÖ ein Honigtopf und so attraktiv wie die AfD für viele Konservative in Deutschland. Deshalb ist das Wahlergebnis kein Sieg der Vernunft über die Unvernunft. Es ist nur ein Beleg, dass es einer breiten, überparteilichen Koalition mit klarer Kante gegen Rechts bedarf, um die Populisten einzudämmen. Und es ist ein Zeichen, dass es funktioniert: von Rechts abgrenzen (nicht ausgrenzen) statt nach Rechts anbiedern.

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