Mittwoch, 28. Dezember 2016

Fragen an die Christliche Sicherheitsunion CSU

Die Augsburger Allgemeine hat am 28.12. einen Bericht veröffentlicht zum Forderungskatalog "Sicherheit für unsere Freiheit" der CSU:


Zu Beginn des Artikels heißt es:
"Nach dem tödlichen Anschlag in Berlin will die CSU im Bundestag einen weitreichenden Vorstoß für mehr innere Sicherheit unternehmen."
Bereits wenige Tage nach dem Anschlag hat die CSU ein präsentierfähiges Papier vorliegen. Das ist eine beachtliche Geschwindigkeit, wenn man die sonst üblichen Abstimmungsrunden, Gremienvorlagen etc. berücksichtigt, die solche Papiere oft durchlaufen müssen. Deshalb stellen sich mir zwei Fragen:
  1. Lagen die Forderungen schon in der Schublade und wurden nun aus gegebenem Anlass herausgeholt?
  2. Falls die Forderungen neu formuliert wurden: Wie konnte in der kurzen Zeit eine Art Qualitätssicherung erfolgen, in der Wirkungsnachweise, Rahmenbedingungen etc. untersucht werden konnten?
Sollten die Forderungen bereits in der Schublade gelegen haben, hat es ein Gschmäckle, wenn die CSU das Papier kurz nach einem erfolgten Anschlag publiziert - fast so, als hätte sie nur auf einen Anlass gewartet. Ist das Papier neu entstanden, muss es intensiv diskutiert werden. Die Süddeutsche Zeitung zitiert aus dem Papier:
"'Pauschal bei jeder Gesetzesverschärfung Datenschutzrechte oder Missbrauchsgefahren in den Fokus zu rücken, ist der falsche Ansatz', schreibt die CSU."
Je heißer die Nadel, mit der das Papier gestrickt wurde, desto wichtiger wird es, mögliche Nachteile anderer Rechtsgüter genau zu betrachten. Wenn die CSU hier in einer Art Immunisierung versucht, solche Diskussionen überhaupt zu unterbinden, ist höchste Vorsicht angezeigt. Uli Bachmeier hat in der selben Ausgabe der AZ einen Kommentar veröffentlicht:


Uli Bachmeier schreibt:
"Welche Mittel wirken tatsächlich im Kampf gegen Kriminalität und Terror? [...]
Die Vorschläge der CSU sollten auf diese Weise [an der Praxis, Anm.] diskutiert werden. Umgekehrt sollte die CSU begründen, welches Mittel welchem Zweck dienen soll. Ganz praktisch, ohne ideologische Rituale."
Richtig, Mittel-Zweck-Verbindungen müssen aufgezeigt, Wirkungsnachweise erbracht und Nebenwirkungen berücksichtigt werden. Es nicht akzeptabel, wenn die CSU Diskussionen mit dem Hinweis auf den falschen Fokus von Vorneherein aus dem Weg geht. Das ist demokratisch fragwürdig. Ergänzend zum Kommentar sei erwähnt, die Grenze ist nicht zwischen Konservativen und Linksliberalen. Entweder ohne Rechts-Links-Zuschreibung und damit zwischen Konservativen und Liberalen. Oder mit der Zuschreibung, woraus Rechtskonservativ und Linksliberal entsteht. Die zweite Variante wird für eine Diskussion nicht hilfreich sein.
Ein paar der Forderungen verdienen es, einzeln adressiert zu werden.

Haftgrund für Gefährder

Im Artikel heißt es:
"'Wer unseren Staat ablehnt und diesen gewaltsam bekämpft, gehört nicht zu uns.' [...] 'Wer unseren Staat bedroht, hat sein Gastrecht verwirkt.'"
Zu Beginn des Absatzes im Artikel wird angegeben, der Forderungskatalog richte sich "vor allem [an] islamistische Extremisten und ausländische Gefährder". Gefordert wird ein neuer "Haftgrund für Gefährder". Da stellen sich die Fragen:
  1. Warum soll es den Haftgrund nur für islamistische Extremisten geben und nicht auf beispielsweise für Rechtsextremisten oder Reichsbürger?
  2. Wie ist es mit unseren bewährten Rechtsgrundsätzen vereinbar, jemanden schon dann in Haft zu nehmen, wenn er noch kein Verbrechen begangen hat und vielleicht außer "Ich möchte gern Terrorist sein" noch nicht viel passiert ist?

Jugendliche und Heranwachsende

Im Artikel heißt es weiter:
"Zudem müsse dem Verfassungsschutz die Befugnis gegeben werden, bereits Jugendliche ab dem Alter von 14 Jahren zu beobachten. Für Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren, die straffällig geworden sind, soll künftig im Regelfall nicht mehr das Jugend-, sondern das Erwachsenenstrafrecht gelten."
Hier ergeben sich ebenfalls Fragen:
  1. Warum glaubt die CSU, bei Jugendlichen ab 14 Jahren ist der Verfassungsschutz ein hilfreicheres Instrument als beispielsweise die Polizei, Jugendämter, Sozialarbeiter, um die Jugendlichen nicht endgültig zu Terroristen werden zu lassen?
  2. Soll das Erwachsenenstrafrecht als Regelfall bei allen Straftaten straffällig gewordener Heranwachsender angewendet werden oder nur für besondere, staatsgefährdende Straftaten?
  3. Das Jugendstrafrecht soll berücksichtigen, dass Heranwachsende noch nicht die volle Reife erlangt haben, um ihre Tat und die Konsequenzen vollständig zu überschauen. Warum soll diese Rücksicht nicht mehr geübt werden und den Heranwachsenden nun per se zutraubar sein, sie hätten die notwendige Reife?
  4. In Fortsetzung zur Frage 7: Ist nicht gerade eine Radikalisierung ein Hinweis auf ein Reifedefizit?

Überwachung

Im Artikel heißt es:
"Deutlich ausweiten will die CSU auch die Videoüberwachung - etwa in Bahnhöfen, Einkaufszentren und Sportstätten - sowie die Speicherung von Kommunikationsdaten. Dies bedeute 'eine Erweiterung auf E-Mail-Verkehr und sonstige Kommunikationsdienste (WhatsApp, Skype) und eine Verlängerung der Speicherfrist'."
Dazu weitere Fragen:
  1. Wie können durch mehr Videoüberwachung Anschläge wie in Berlin oder Nizza, die außerhalb solcher Einrichtungen stattfanden, verhindert werden?
  2. Bei E-Mail mag das Auslesen der Kommunikationsdaten für Sender und Empfänger relativ leicht sein. Wie sollen jedoch aus einem verschlüsselten Chat in einem Kommunikationsdienst die Beteiligten ermittelt werden, ohne die Nachricht selbst abgreifen und analysieren zu müssen?
  3. Als Fortsetzung zu Frage 10: Laut einem Bericht im Focus soll es Ermittlern möglich sein, "schon vor der Verschlüsselung auf Daten zuzugreifen". Wie soll das umgesetzt werden, ohne die Verschlüsselung als solche zu korrumpieren?
  4. Wie soll die Privatsphäre derjenigen geschützt werden, deren Daten erfasst, aber nicht für Ermittlungsarbeiten verwendet werden?

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