Mittwoch, 18. Januar 2017

Nichtige PolitDeppen

Martin Ferber hat in der Augsburger Allgemeinen am 18.1. einen Leitartikel veröffentlicht zum Urteil des Verfassungsgerichts zum Verbotsantrag der NPD:


Martin Ferber stellt klar:
"Dabei haben die Richter in den roten Roben keinen Zweifel daran gelassen, dass die NPD verfassungswidrig ist, aggressiv gegen Andersdenkende vorgeht, Mitbürger mit Migrationshintergrund oder anderer Hautfarbe einschüchtert und bedroht sowie offen eine Überwindung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung anstrebt und einen autoritären Führerstaat nach dem Vorbild der nationalsozialistischen Diktatur etablieren will."
Die politische Einordnung der NPD ist damit klar formuliert. Martin Ferber verweist auf einen - seiner Ansicht nach - Widerspruch zu einer über 50 Jahre alten Entscheidung:
"Im Fall der KPD begründeten sie das Verbot ausdrücklich damit, es komme nicht darauf an, dass 'nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können'. Es reiche die Absicht aus."
Ob Widerspruch oder Weiterentwicklung der Rechtsprechung kann diskutiert werden. Ein Widerspruch ergäbe sich nur, wenn das KPD-Verbot über jeden Zweifel erhaben richtig wäre. Und es müsste geklärt werden, ob die damalige Entscheidung heutigen Ansprüchen noch gerecht würde.
Martin Ferber schreibt:
"Nach diesem Urteil ist es praktisch unmöglich geworden, eine Partei zu verbieten, selbst wenn an ihrer Verfassungsfeindlichkeit, menschenverachtenden Einstellung und antifreiheitlichen Programmatik keine Zweifel bestehen."
Das ist zu pessimistisch. Ein Verbot wird dann möglich sein, wenn die Gefahr groß genug ist. Ein Parteienverbot ist die Ultima Ratio. Hier ist in einem Rechtsstaat unserer Prägung die Hürde unbedingt sehr hoch anzusetzen. Zudem verschwindet ja nicht die Geisteshaltung der Parteianhänger, nur weil die Partei verboten wird. Man kann es auch so sehen: die NPD schreibt sich den Umsturz ins Parteiprogramm und fühlt sich groß und wichtig. Doch dann sagt das Verfassungsgericht: "Das habt Ihr nicht drauf." Statt Nationaldemokratischer Partei Deutschlands nur Nichtige PolitDeppen - und sie merken es nicht mal, weil sie sich über das Nichtverbot freuen.
Martin Ferber schreibt:
"Mit der Verfassung ist der NPD nicht mehr beizukommen, der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat muss es hinnehmen, dass selbst seine erklärten Feinde die von ihm gewährten Grundrechte in Anspruch nehmen können."
Ja, das ist so und es ist gut so. Nur Staaten mit einer fragwürdigen Rechtsstaatlichkeit können erklärte Feinde leicht verbieten - die Türkei liefert ein aktuelles Beispiel. Welche Mittel unterhalb des "finalen Rettungsschusses" möglich sind, stellt Michael Ferber dar:
"Umso wichtiger ist, dass der Kampf gegen die NPD wie andere extremistische Kräfte am rechten wie linken Rand mit allen Mitteln der Politik, der Gesellschaft wie der Justiz geführt wird. Karlsruhe hat dies sogar ausdrücklich gefordert."
Richtig, und dazu gehört auch die Überlegung, ob und wie die Parteienfinanzierung geändert werden kann. Allerdings ist zu bedenken, dass eine nicht verbotene Partei nicht ohne weiteres aus der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden darf. Das wäre schnell undemokratisch, das wäre schnell nicht rechtsstaatlich, für den Ausschluss muss es gewichtige Argumente geben. Martin Ferber meint:
"Es kann nicht sein, dass eine Partei erst dann verboten werden kann, wenn sie so stark ist, dass von ihr eine tatsächliche Gefahr ausgeht. Dann könnte es für die Freiheit und die Demokratie schon zu spät sein."
Doch, das ist an der tatsächlichen Gefahr festzumachen. Der Rechtsstaat bewegt sich an vielen Stellen entlang der Grenze des Noch-Nicht gegenüber dem Jetzt-Schon. Soll man jemanden verhaften, der damit prahlt, morgen werde er ein Fahrrad klauen? Oder wenn er prahlt, morgen eine Bombe im Bahnhof zu zünden? Wenn jeder Rufer von "Ausländer raus" verhaftet würde, wären manche Städte leer. Und die Reichsbürger, die alles mögliche ablehnen, wann werden die vorsorglich, ohne tatsächliche Gefahr, verhaftet? Es ist die Abwägung verschiedener Rechtsgüter, die einen Rechtsstaat von einem Unrechtsstaat unterscheidet. Parteienverbote als letztes Mittel dürfen nur eingesetzt werden, wenn anders die Gefahr für den Staat nicht mehr abgewendet werden kann.
Selbstverständlich muss der Rechtsstaat wachsam bleiben seinen erklärten Feinden gegenüber:
"Mag die NPD auch schwach sein, harmlos ist sie nicht."

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