Mittwoch, 4. Januar 2017

Böse Blicke im Tunnel

In der Augsburger Allgemeinen wurden am 4.1. einige Leserbriefe veröffentlicht zu dem Bericht über den Polizeieinsatz an Silvester:


Thematische Einordnung

Die Polizei hatte eine Vielzahl von Personen festgesetzt und kontrolliert. Die Auswahl der Personen erfolgte auf der Basis der Erfahrungen von Silvester 2015, weshalb es sich vor allem um nordafrikanisch aussehende junge Männer handelte. In einer Veröffentlichung der Polizei wurde der Begriff "Nafris" für "Nordafrikanische Intensivtäter" verwendet. Dieser Begriff war Anlass zu Kritik an der Polizei und deren Vorgehen sowie an der Verwendung des diskriminierenden Begriffs. Später wurde von der Polizei der Begriff zurück genommen und von den Kritikern der Einsatz als solches nicht mehr kritisiert, die ursprüngliche Verwendung des Begriffs jedoch weiterhin.
Meine Einordnung: Der Begriff "Nafris" ist ein für den internen Polizeigebrauch gedachter Begriff, wie es viele gibt. Sie dienen in der Regel der kürzeren Kommunikation, weil sie lange Wortungetüme vermeiden. Die Abkürzung "Spusi" für "Spurensicherung" ist aus Krimis bekannt. Auch andere Berufe arbeiten mit Abkürzungen, die nur für Eingeweihte verständlich und vielleicht teilweise nicht "politisch korrekt" sind - so what? Ich finde den Begriff selbst nicht diskriminierend, wenn er als Bezeichnung für die gemeinte Gruppe (männliche Intensivtäter aus Nordafrika) verwendet wird. Problematisch finde ich die Verwendung des Begriffes bei Personen, die augenscheinlich aus Nordafrika kommen und deren Intensivtäterschaft nicht klar feststeht. Dazu müssten die Personen einzeln identifiziert und ihre Kriminalgeschichte dokumentiert und zugeordnet sein. In unserem Rechtsstaat gilt jemand lediglich als Verdächtiger, solange seine Schuld nicht erwiesen ist. Diesen Beweis liefert ein Gericht mit einer Verurteilung. Deshalb muss sich die Polizei die Frage gefallen lassen, wie sie bei einer so großen Gruppe bereits im Vorfeld wusste, dass es sich insgesamt um Täter, Intensivtäter handeln würde und nicht nur um eine Gruppe Verdächtiger oder Auffälliger. Deshalb ist die Verwendung des Begriffs zu kritisieren.

Einordnung der Leserbriefe

Eine Einordnung, deren Kern nicht von der Hand zu weisen ist, liefert Hans Meck aus Günzburg:
"Wenn nur einer aus der Menge, welche die Kölner Polizei 'eingekesselt' hat, eine Straftat [...] begangen hätte, dann hätten genau dieselben Besserwisser, die jetzt dieses polizeiliche Verhalten kritisieren, wieder über polizeiliches oder behördliches Versagen schwadroniert."
Er nennt damit ein grundsätzliches Problem mit solchen Polizeieinsätzen. In der akuten Situation müssen die Einsatzkräfte entscheiden, ob und wie sie vorgehen. Anhand von Beobachtungen müssen sie einschätzen, ob "noch nicht" oder "jetzt schon" eingegriffen werden soll. Bei dieser Einschätzung können sie sich verschätzen. Dass die Polizei vor dem Hintergrund Silvester 2015 besonders vorsichtig war, kann nicht verwundern und deshalb sollten Kritiker zurückhaltend sein. Unklar ist, warum die Kritik nur von schwadronierenden Besserwissern gekommen sein soll.
Rjurik Nentwig aus Oy-Mittelberg verbittet sich jegliche Kritik, wenn sie von der falschen Seite kommt:
"[...] und Frau Peter von den Grünen kann sich nur über die Abkürzung 'Nafris' aufregen. Das zeigt überdeutlich, in welcher ideologisch geprägten Scheinwelt diese Politikerin mit ihren Gesinnungsgenossen lebt."
Er unterstellt Frau Peter zudem "den politisch korrekten Tunnelblick". Er scheint ja den Durchblick zu haben, er erkennt Scheinwelten anderer, er kann ein Tunnelblicksyndrom aus der Ferne diagnostizieren und sogar in der Anamnese die politische Korrektheit als Ursache ausmachen. Das ist beeindruckend.
Paul Herrmann aus Landsberg empfiehlt gegen solche Krankheiten eine bewährte Therapie:
"Vielleicht wäre es politisch korrekter, wenn sich unsere gutmenschlichen grünen Führungsdamen den wieder zu Tausenden angereisten 'Narfis' entgegengestellt hätten. Ich könnte mir vorstellen, dass sich ihre Einstellung in dieser Sache geändert hätte."
Das hilft offenbar nicht nur gegen den Tunnelblick und politische Korrektheit, sondern auch gegen Gutmenschlichkeit. Gäbe es ein solches Universalmedikament doch auch gegen Stinkefüße und gegen unterirdische Argumentation, die Welt wäre ein besserer Ort.
Paul Herrmann findet ferner die Entschuldigung des Polizeipräsidenten überflüssig:
"Die erzwungene Entschuldigung des Polizeipräsidenten für das Wort 'Nafris' ist beschämend und in keiner Weise angebracht. Dürfen wir künftig auch nicht mehr 'Amis' zu Amerikanern sagen?"
Er leitet damit über zu Beatrix Smolka aus Weißenhorn, die schreibt:
"Im Land, wo ganz lässig von 'Ossi' und 'Wessi' die Rede ist, kann 'Nafris' schwerlich als rassistisch gelten. Welch unerträgliche Hysterie! Welch ein Ausverkauf der Demokratie! [...] Auch Polizisten sind Bürger mit Anspruch auf Respekt für ihre Arbeit [...]"
Die genannten Vergleiche könnte ich verstehen, wenn "Nafris" nur ebenfalls nur eine örtliche Zuschreibung bezüglich der Herkunft bedeuten würde. Er bedeutet jedoch "Intensivtäter", erst nachrangig eine örtliche Zuschreibung. Die Kritik am Begriff hat nichts mit Respektlosigkeit gegenüber der Polizeiarbeit zu tun. Es ist jedoch respektlos, einen Anspruch auf den Begriff 'Nafris' zu postulieren, wie es Paul Herrmann und Beatrix Smolka tun, wenn sie eine Entschuldigung als "beschämend", die Kritik als "Hysterie" bezeichnen. Beatrix Smolka sieht gar den "Ausverkauf der Demokratie". Mir wird ganz schwindelig, wenn ich versuche mir vorzustellen, was für eine Art Demokratie Frau Smolka beansprucht. Wenn das die Demokratie ist, in der in diesem Jahr ein neuer Bundestag gewählt wird:

Wahlkampf! Mir graut's vor dir.

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