Donnerstag, 8. Juni 2017

Mautmaulerei

Jürgen Marks hat am 8.6. in der Augsburger Allgemeinen einen Leitartikel veröffentlicht zur Ankündigung Österreichs, gegen die deutsche Autobahnmaut gerichtlich vorgehen zu wollen:


Jürgen Marks schreibt:
"Österreich macht wohl tatsächlich seine Drohung wahr und wird vor dem EU-Gerichtshof gegen das deutsche Maut-System klagen."
Österreich hatte seit langem angekündigt, gegen die Maut klagen zu wollen, wenn sie denn eingeführt würde. Diese Ankündigung erfolgte bereits weit vor die Große Koalition in Österreich zerbrach, also zu einer Zeit, an der nicht absehbar war, dass der Beschluss zum deutschen Gesetz so nah an einem österreichischen Wahlkampf sein würde. In so fern sind es nicht nur "Muskelspiele im Wahlkampf", wenngleich sich das Thema eignet, im Wahlkampf Muskelspiele zu zeigen:
"Der SPÖ-Politiker Jörg Leichtfried hat von der bayerischen CSU gelernt, dass die Maut ein wunderbarer Wahlkampfzünder ist. Die Christsozialen hatten ihn erfolgreich im Bundestagswahlkampf 2013 eingesetzt."
In diesem Zusammenhang eine bezeichnende Randnotiz: Die CSU betont immer wieder, sie bzw. Dobrindt habe sich durchgesetzt, wie beispielsweise in einem "Topaktuell" vom 2.12.2016:
"Unser Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat sich durchgesetzt: Die PKW-Maut kommt!"
Sie ist stolz auf's Durchsetzen, nicht auf das Durchgesetzte. Damit rückt auch das behauptete Gerechtigkeitsargument in ein anderes Licht, über das Jürgen Marks schreibt:
"Die Maut für Ausländer zielte damals auf das Gerechtigkeitsempfinden der Bayern, die auf Österreichs Autobahnen abkassiert werden, während die Nachbarn bei uns nach wie vor kostenlos fahren. Vor den Nationalratswahlen heuer im Oktober poltert Leichtfried jetzt gegen die Diskriminierung der Österreicher, die zahlen müssen, während die Deutschen über eine Absenkung der Kfz-Steuer entlastet werden. Faktisch ist diese Argumentation natürlich ein Schmarrn. Denn wir Deutsche zahlen für jeden Kilometer Autobahn ohnehin mit unseren Steuern. Da ist es prinzipiell nur richtig, auch Ausländer mittels Maut an den Abnutzungskosten zu beteiligen."
Mit dem "Gerechtigkeitsempfinden der Bayern" machte die CSU Wahlkampf und gebährdete sich als Robin Hood der blutenden Autofahrer. Was sie übersah, war das Niveau dieser Gerechtigkeitsarguments. Es war und ist Sandkastengerechtigkeit nach dem Motto "Wer meine Sandburg kaputt macht, dem seine mache ich kaputt". Auge um Auge, Maut um Maut. Die Behauptung Leichtfrieds, die Deutschen würden durch die Kombination Maut und KFZ-Steuer entlastet, ist natürlich genauso wenig haltbar.
Die Farce der Gerechtigkeit entlarvt Jürgen Marks:
"Die Gebühr soll kilometerabhängig mit Umweltkomponente berechnet werden und widerspricht sowohl dem österreichischen Vignettensystem wie auch Dobrindts 'Flatrate'-Prinzip."
Eine "Flatrate", bei der die Mautgebühren unabhängig von der gefahrenen Strecke sind, kann schon aus konzeptionellen Gründen nicht gerecht sein. Im Gegenteil: Vielfahrer und damit Viel-Abnutzer zahlen pro Kilometer weniger als Wenigfahrer. Dieses Dilemma wird Dobrindt nicht auflösen können, auch wenn er jede Kritik an der Maut als Maulerei abtut. Kleine Ergänzung zur obigen Randnotiz: Maulerei passt natürlich zum Durchsetzen, weil keine inhaltliche Auseinandersetzung erfolgen muss.
Es wurde bei der Einführung der Maut viel Staub aufgewirbelt. Die angekündigte Klage Österreichs wirbelt weiterhin Staub auf. Und wofür das alles? Da schließe ich mich der Einordnung von Jürgen Marks an:
"Dennoch ist das jahrelange Theater um die Maut unverhältnismäßig zum Ertrag von maximal einer halben Milliarde Euro im Jahr. Es wäre vernünftiger gewesen, zur besseren Fernstraßenfinanzierung die Lkw-Maut deutlich zu erhöhen. Die bringt jetzt schon mehr als vier Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr. Und Lkw sind die Hauptverursacher von Straßenschäden. Ausländische Lastwagen zahlen im Übrigen die Abgabe genauso wie inländische Speditionen. Nur: Im Wahlkampf hätte eine wachsende Brummi-Maut nicht so gezündet."

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