Mittwoch, 22. März 2017

Wie weit gehen?

Die Augsburger Allgemeine hat am 22.3. einen Leitartikel von Walter Roller veröffentlicht zu den infamen Wahlkampfsprüchen des türkischen Präsidenten Erdogan:


Walter Roller schreibt zu den ungeheuerlichen Provokationen:
"Dem Wahlkämpfer Erdogan, der mit einer Volksabstimmung die alleinige Macht erringen will, scheint jedes Mittel recht. Er führt einen Feldzug gegen ein verbündetes Land, in dem rund drei Millionen seiner Landsleute leben – und schreckt auch nicht mehr vor Attacken auf die Kanzlerin zurück. Erst bezichtigte er Angela Merkel der 'Unterstützung von Terroristen', nun wirft er ihr 'Nazi-Methoden' vor."
Als Reaktion habe Merkel ihre "Samthandschuhe" abgelegt und eine für Merkel'sche Verhältnisse "klare Ansage" gemacht. Es bliebe allerdings die Frage, "warum die Kanzlerin es noch einmal bei einem Appell an die Vernunft bewenden ließ und nicht unmissverständlich klargemacht hat, dass türkische Wahlkämpfer hier unerwünscht sind und sich ganz Europa diese Attacken nicht länger bieten lässt." Die klare Ansage Merkels legt er als Schwäche aus:
"Andererseits wirkt die auf Beschwichtigung ausgerichtete Strategie Merkels längst wie Schwäche gegenüber einem Autokraten, der Europa syrische Flüchtlinge vom Hals hält und deshalb auf Nachsicht zählen kann."

Angemessen reagieren

Wie ich bereits Anfang März geschrieben hatte, ist die Methode Roller die des Hammers. Jede Provokation sei hart zu ahnden, hart zu bestrafen. Er übersieht dabei, dass einer Tresortür mit einem Hammer nicht beizukommen ist. Doch das ficht ihn nicht an. Wer nicht hämmert, beschwichtige und übe zu große Nachsicht. Natürlich hat Walter Roller Recht:
"Erdogans Agitation hat die Grenzen des Erträglichen längst überschritten."
Das Problem bei Reaktionen, wie Walter Roller sie fordert, ist ja die Frage: Was dann? Was ist, wenn Beitritts- oder Visa-Verhandlungen abgebrochen, wenn EU-Zahlungen eingestellt würden und Erdogan weitermacht, weil er bis zum Referendum jedenfalls weitermachen wird? Das Pulver wäre verschossen, eine Wirkung nicht erzielt. Europa könnte sich selbst auf die Schulter klopfen, weil es hart reagiert hat - das war's auch schon. Ich finde, die Ansage, dass der Wahlkampf in Europa unerwünscht ist, reicht. Die gilt es ab und an zu wiederholen, damit klar bleibt, sie ist ernst gemeint. Ansonsten lohnt es sich nicht, auf jedes irrlichternde Aufglühen von Erdogan oder des ihn umgebenden Schwarms zu reagieren.

Und was soll das jetzt?

Walter Roller schreibt:
"CSU und CDU rütteln nun wieder an der doppelten Staatsbürgerschaft für türkischstämmige Deutsche. [...] Mehr denn je stellt sich die Frage, wem die Loyalität der Deutschtürken eigentlich gilt: Deutschland oder der Türkei Erdogans?"
Das ist der typische Reflex der Union. Nur auch hier die Frage: Was bringt's? Nichts! Als ob ein Mensch sich abhalten ließe, in Deutschland für Erdogan zu sein, nur weil der den türkischen Pass nicht mehr hat. Walter Roller schreibt:
"Der deutsche Pass ist nämlich mehr als ein Stück Papier, er ist mit Rechten und Pflichten verbunden und hat auch mit einem staatsbürgerlichen Bekenntnis zu tun."
Der deutsche Pass ist so gemeint, wird von einigen, vielleicht von vielen auch so verstanden. Es gibt jedoch keine Pflicht ihn so zu verstehen. Es gibt keine Gesinnungspolizei, die die Einhaltung überprüft. Er ist deshalb kein Mittel mit nachgewiesener Wirkung. Walter Roller weist selbst auf eine solche Ambivalenz hin:
"Seine Wurzeln und Traditionen kann er ja trotzdem pflegen; dazu bedarf es keines türkischen Passes."
Ja, richtig. Andersherum aber auch: Wer keinen türkischen Pass mehr hat, ist nicht verpflichtet, sich von türkischen Belangen abzuwenden. Deshalb hätte Walter Roller diesen Satz als Schlusssatz seines Leitartikels verwenden sollen:
"Das ist ein brisantes Thema, von dem man zur Stunde angesichts der aufgeheizten Atmosphäre wohl lieber die Finger lassen sollte."

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