Samstag, 18. März 2017

Verirrt im dunklen Internet

Bernhard Junginger hat in der Augsburger Allgemeinen vom 18.3. einen Artikel veröffentlicht zum Vorhaben des Justizministers Heiko Maas, Anbieter sozialer Medien zur Löschung von Einträgen zu verpflichten. In der Printausgabe kommentiert Bernhard Junginger:


Bereits der Titel ist irreführend, weil es bei dem Gesetzentwurf nicht um das sog. Dark Net geht, sondern um Einträge auf normal erreichbaren Websites. Im Kommentar schreibt er zwar:
"Dagegen stellen sich die milliardenschweren Betreiber bislang nur unzureichend ihrer Verantwortung für die dunklen Ecken ihrer Plattformen."
Dennoch taucht beim Leser bereits beim Titel ein Schmuddelbild auf, das ihn durch den Rest des Kommentars begleitet und ihn in einen Rahmen setzt, der ihm die nötige inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Kommentar erschwert.
Bernhard Junginger schreibt zum Einstieg:
"Der Gesetzentwurf von Justizminister Maas geht in die richtige Richtung, weil er die Konzerne deutlich stärker als bisher in die Pflicht nimmt, gegen strafbare Inhalte auf von ihnen betriebenen Plattformen vorzugehen."
Einverstanden, das Ziel des Gesetzes ist plausibel. Am Ende schreibt Bernhard Junginger, das Internet sei "kein rechtsfreier Raum". Ja, was in der analogen Welt strafbar ist, ist auch in der digitalen Welt strafbar. Bernhard Junginger verirrt sich jedoch, wenn er den Inhalt des Gesetztes gut findet, weil er das Ziel des Gesetzes gut findet. Das Gesetz verlangt von den Betreibern, die Strafbarkeit von Inhalten auf ihrer Plattform zu beurteilen und Inhalte zu löschen. Dies führt zu einer #Laienjudikatur, wie ich vor ein paar Tagen ausgeführt habe. Als Beweis für die dunklen Ecken auf Plattformen führt Bernhard Junginger an:
"In denen Schüler gemobbt und schlimmstenfalls in den Selbstmord getrieben werden."
Das Problem ist ja nicht, dass Mobbing strafbar ist. Das Problem ist die Grenze, bei der Mobbing beginnt. Ist es schon Mobbing, wenn ein unvorteilhaftes Partyfoto veröffentlicht wird? Ist es schon Mobbing, wenn eine Person explizit von einer Party ausgeladen wird? Warum soll es gut sein, wenn der Plattformbetreiber dies nun beurteilen muss und nicht ein ausgebildeter Richter? Wie belastbar ist eine Löschung durch eine Plattform? Kann die gemobbte Person hierauf schon einen Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadenersatz aufbauen, weil die Strafrelevanz des Eintrages bereits bewiesen ist? Im Kommentar erwähnt Bernhard Junginger beispielsweise nicht, dass ein Richter den Fall einschätzen muss, bevor ein Bußgeld gegen den Betreiber verhängt werden soll, ein Eintrag aber zu löschen ist, wenn ein Nutzer dies verlangt. Zweiklassenjustiz?
"Wo die Politik aus gutem Grund fürchten muss, dass finstere Mächte versuchen könnten, mit Falschmeldungen anstehende Wahlen zu beeinflussen."
Nach dem Gesetz könnte der französische Präsidentschaftskandidat Einträge löschen lassen, die die Beschäftigung von Verwandten thematisieren. Nach dem Gesetz könnte der AfD-Mann Höcke Einträge löschen lassen, die ihn als Rechtsextrem, als Rechtspopulisten oder als Nazi bezeichnen.
"Wo Terrororganisationen um Mitglieder buhlen oder zu Anschlägen aufrufen."
Letzteres wird sich klar erkennen lassen und eine umgehende Löschung ist plausibel. Aber bereits mit der Einordnung von Organisationen oder Personen als Terrororganisation oder Terrorist wird es schwieriger. Ist eine Mosche, in der Islamisten Mitglieder werben, bereits eine Terrororganisation und gehören also ihre Einträge in sozialen Medien gelöscht? Oder ist das noch von der Meinungs- und Redefreiheit gedeckt, wenn behauptet wird, Europa oder der Westen führe eine Kreuzzug?
Der Gesetzesentwurf ist schlecht, weil er die rechtliche Würdigung von möglicherweise strafbaren Handlungen nicht einem Profi, einem Richter überlässt, sondern Laien. Der Entwurf höhlt deshalb ein Grundprinzip des Rechtsstaates aus und nagt an der Meinungsfreiheit. Statt Licht in den Gesetzentwurf bringt Bernhard Junginger mit seinem Kommentar nur mehr Dunkelheit.

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