Freitag, 24. März 2017

Terror besiegen, geht das?

Die Augsburger Allgemeine hat am 24.3. einen Leitartikel von Winfried Züfle veröffentlicht, in dem er die Gefährdung durch islamistischen Terror kommentiert:


Winfried Züfle schreibt:
"Wir werden angegriffen [...] Wir – das sind alle Menschen, die in diesen Ländern zusammenleben: Christen, Juden, religiös nicht gebundene Menschen – und Muslime. Ja, auch die Muslime gehören dazu."
Das zeigt den Irrsinn dieses Terrors. Obwohl er sich selbst mit dem Koran begründet, zählen Muslime zu seinen Opfern. Winfried Züfle schreibt deswegen, "der verbrecherische Feldzug" könne "kein Glaubenskrieg sein". Ja und Nein. Ja, weil eben auch Muslime Opfer werden. Nein, weil er Muslime trifft, die aus Sicht des IS und seiner mittelalterlichen Koranauslegung keine richtigen Muslime sind. Der "Feldzug" kann als Glaubenskrieg bezeichnet werden, weil er seine Begründung aus dem Glauben zieht. Er ist kein Glaubenskrieg, in dem klar abgrenzbare Religionsgruppen aufeinander losgehen. Doch die Einordnung ist letztendlich nachrangig, denn:
"Derzeit verschieben sich die Gewichte. Der eigene Staat geht den Islamisten verloren. [...] Gleichzeitig wird der islamistische Terrorismus für die westlichen Gesellschaften immer gefährlicher."
Die Motive sind vielschichtig, wie Winfried Züfle darstellt:
"Mag sein, dass sie der Terrormiliz helfen wollen, mag sein, dass Mitleid und Verzweiflung sie zur Tat treiben, mag sein, dass sie zusätzlich mit ihrer Lebenssituation nicht zurechtkommen. Aus potenziellen Sympathisanten werden jedenfalls manchmal sogar über Nacht Attentäter."
Die Qualität der Bedrohung macht ihre Bekämpfung schwierig:
"Es sind Taten, die keine Vorbereitung erfordern, spontane Terrorakte – nicht vorhersehbar, und kaum zu verhindern."
Deshalb fordert Winfried Züfle:
"Die Terrormiliz muss vielmehr – auch für unsere Sicherheit – besiegt und ausgeschaltet werden."

Terror als Idee

Die Forderung ist richtig. Die Terrormiliz muss besiegt werden. Nicht nur für unsere Sicherheit, sondern um das Morden außerhalb Europas soweit möglich zu beenden. Doch was würde damit wirklich besiegt? Ohne IS gibt es vielleicht das Magazin Rumiyah nicht mehr, in dem der IS seine Ideen verbreitet und Anleitungen für Attentate veröffentlicht (z.B. für Messerangriffe zeigt, welche Waffen sich eignen und welche nicht und gegen welche Körperstellen sie eingesetzt werden sollten). Ohne IS arbeitet das "digitale Kalifat" weniger koordiniert. Das alles gilt nur, solange sich nicht ein Nachfolger als Herausgeber etabliert oder eine andere Form der Koordination bildet. Denn die Idee hinter dem Terror ist vielleicht stärker verbreitet, als zu vermuten wäre.
Das Pew Research Center hat am 27. April 2016 einen Artikel veröffentlicht, in dem Umfrageergebnisse in muslimischen Ländern dargestellt werden. In der Einleitung zum Artikel heißt es:
"Across 10 countries with significant Muslim populations surveyed by Pew Research Center in 2015, there is a striking difference in the extent to which people think the Quran should influence their nations's laws."
In den Ergebnissen zeigt sich Aufschlussreiches auf die Frage, wie stark der Koran die nationale Gesetzgebung in den jeweiligen Ländern beeinflussen solle:


Während in Pakistan 78% der Befragten der Meinung sind, Gesetze sollten strikt dem Koran folgen, sind es in der Türkei nur 13%. Drei Viertel der Befragten in Pakistan sind also einer Ansicht, die auch das Denken des IS antreibt.
Diese Ergebnisse lassen sich ergänzen durch die Frage, wie strikt die Wirkung des Korans auf die nationale Gesetzgebung sein solle:


Auch hier zeigt sich eine große Bandbreite. Natürlich heißt das nicht, dass die Bevölkerung der Länder dem Tun des IS zustimmt. Allerdings teilen sie mehr oder weniger stark die Ansicht, religiöse Vorgaben sollten sich auch in weltlichen Gesetzen wiederfinden.
Diese Idee der religiösen Leitkultur wird nicht verschwinden, wenn der IS vernichtet wäre. Die Idee würde weiterleben. Eine andere Organisation könnte sich ihrer bemächtigen und ebenso wie der IS pervertieren. Die Studie weist einen bedenkenswerten Weg:


Je höher die Bildung, desto höher die Zustimmung zur Aussage, der Koran solle nicht Gesetze beeinflussen. Der Terror kann also nicht allein mit Waffen besiegt werden. Es reicht nicht, den IS auszuschalten. Dabei darf einer "Bildungsoffensive", die aber nicht als westliche Besserwisserei, als Missionierung daherkommen darf. Das lieferte nur die Grundlage für neue Vorwürfe, der Westen würde als Kreuzfahrer einen Glaubenskrieg führen und damit erneut die Argumentation ermöglichen, man müsse sich gegen den starken Westen mit terroristischen Methoden wehren. Diese Offensive ist auch keine Garantie, dass der Terror verschwindet. Aber ignoriert werden sollte sie nicht.

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