Mittwoch, 12. April 2017

Wohin mit den Steuern?

Rudi Wais kommentiert in der Augsburger Allgemeinen vom 12.4. den Bericht zur Studie der OECD über die hohe Belastung der deutschen Bürger mit Steuern:


Rudi Wais schreibt:
"Deutschland geht es gut, sehr gut sogar - die Dividende des anhaltenden Aufschwungs aber hat bislang alleine der Staat eingestrichen."
Kommt darauf an, was Rudi Wais mit "Dividende" meint. Ein paar geschwinde Blicke auf Veröffentlichungen können Hilfestellung bieten. Das Statistische Bundesamt weist beispielsweise für die durchschnittlichen Konsumausgaben pro Haushalt für die Jahre 2010 bis 2015 eine Zunahme von 2.168 € auf 2.391 € auf, eine Steigerung um etwa 10%. Ich finde, das ist eine Art Dividende. Allerdings sind die kassenmäßigen Steuereinnahmen im gleichen Zeitraum um 26% gestiegen - die staatliche "Dividende" war also bedeutend höher. Andererseits gaben die öffentlichen Haushalte bereits im Jahr 2010 über 626 Mrd. € alleine für die soziale Sicherung aus. Nicht zu vergessen, dass die Bevölkerung in den Jahren 2010 bis 2015 durch eine Steigerung der Zahl der Erwerbstätigen von knapp 41 Mio. Erwerbstätigen auf deutlich über 43 Mio. Erwerbstätigen sehr wohl am Aufschwung partizipiert hat. Es trifft also nicht zu, im Staat den einzigen Profiteur des Aufschwungs zu sehen.
Andererseits zeigt die Studie der OECD die Belastung der Bürger:



Rudi Wais schreibt:
"Zwei Studien, die die Belastung der Deutschen etwas genauer unter die Lupe nehmen, liefern allen Befürwortern einer größeren Lösung (zur Steuersenkung, Anm.) nun neue Argumente."
Darüber lässt sich diskutieren. Denn eine hohe Steuer- und Abgabenbelastung heißt ja nicht per se, dass den Bürgern vom Staat Geld entzogen würde. Der deutsche Staat hat im Durchschnitt pro Bürger im Jahr 2011 fast 14.000€ für Soziales, Sicherheit, Bildung, Kultur etc. ausgegeben. Das ist nicht nichts.
Die Belastung durch staatliche Abgaben kann nur dann sinnvoll bewertet werden, wenn im Gegenzug die Entlastungen sowie der "Konsum" staatlicher Leistungen berücksichtigt werden. Dieser Aspekt hat zwei Facetten:
  1. Wie die Sendung "Die Anstalt" im ZDF vom 4.4. gezeigt hat, ist beispielsweise die deutsche Rente im Vergleich zu einer Rente in Österreich bei etwa gleichem Beitragssatz für den Arbeitnehmer nur die Hälfte. Die genauen Zahlen lassen sich im Faktencheck zur Sendung nachlesen. Rudi Wais nennt den "überdimensionierten Öko-Aufschlag auf den Strompreis" und weist dabei auf ein weiteres Beispiel für fragwürdige Performance des Staates hin. Es lassen sich leicht weitere Beispiele finden, wo zumindest ernsthafte Zweifel an der Effizienz im staatlichen Handeln angebracht sind. Dazu müssen noch nicht einmal die Stilblüten aus dem Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler bemüht werden oder die Jahresberichte des Bundesrechnungshofes.
  2. Der Staat erfüllt Wünsche diverser Lobbygruppen bezüglich staatlicher Zuwendungen. Die Autoindustrie möchte sich die Entwicklung von Elektroautos finanzieren lassen, um dann die Gewinne einzustreichen. Die Atomindustrie möchte die Kosten für die Entsorgung ihrer Kraftwerke loswerden. Der Bürger möchte für die Mehrausgaben durch Kinder "entschädigt" werden und für gute Berufsaussichten Bildungswege gratis beschreiten können. Bauern wollen für den niedrigen Milchpreis, den sie selbst mit- jedoch nicht allein verschuldet haben, einen Ausgleich bekommen. Baukindergeld, Rente mit 63. Wohnen im Grünen und Steuerentlastung, wenn der Arbeitsplatz in der Stadt bleibt und deswegen gependelt werden muss.
Derzeit schwimmt der Staat sprichwörtlich im Geld, die Steuereinnahmen sprudeln. Auf der einen Seite wird nun nach Steuersenkungen gerufen, auf der anderen Seite möchte aber niemand lieb gewonnene Staatsleistungen hergeben. Wie weit das geht, hat die Diskussion um die Flüchtlinge gezeigt, bei der eine (finanzielle) Überforderung des deutschen Staates an die Wand gemalt wurde.
Rudi Wais schreibt von einer "großen Lösung". Diese Lösung darf nicht nur auf die Steuern bzw. eine große Steuerreform beschränkt bleiben. Dazu gehört auch die Frage, wofür der Staat Geld ausgeben soll und wie er das effizient, also möglichst nutzbringend, machen kann. Die große Lösung sollte auch Klarheit verschaffen, was denn Steuergerechtigkeit sei. Denn bisher hat niemand gesagt, wie ein gerechtes Steuersystem konkret aussehen soll: Wieviel mehr sollen Großverdiener bezahlen im Vergleich zu Kleinverdienern? Ist es gerecht, wenn die einen fast 50% Grenzsteuersatz haben, die anderen nur 14%. Warum lässt sich dennoch Stimmung machen gegen "die da oben"?
Wenn jetzt im Wahlkampf von allen Parteien Steuersenkungen, Steuererleichterungen oder Steuerreformen versprochen werden, halte ich dem entgegen: Das wird nur solange gelten, bis eine nachlassende Konjunktur, eine Änderung der Zahlungsverpflichtungen an überstaatliche Institutionen oder sonstige Vorkommnisse Argumente liefern, warum der Staat nun wieder mehr Geld braucht. Im Wahlkampf soll uns Wählern geschenkt werden, was uns später wieder genommen wird. Erst die Tage hat das genau so funktioniert: die Maut. Das Verkehrsministerium kann 260 Mrd. € investieren und schafft es dennoch, die Notwendigkeit einer fragwürdigen Maut zu argumentieren. Deshalb bitte keine Steuergeschenke im Wahlkampf für bestimmte Zielgruppen. Bitte eine große Lösung.

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