Montag, 14. November 2016

Auf vages Grün zusteuern

Die Augsburger Allgemeine hat in der Printausgabe vom 14.11. einen Leitartikel von Rudi Wais veröffentlicht zur Parteiveranstaltung der Grünen in Münster:


Rudi Wais stellt die Spannbreite der Sichtweisen auf Steuern im Allgemeinen und eine Vermögenssteuer im Besonderen dar:
"Steuern sind für ihn (Winfried Kretschmann, Anm.) Mittel zum Zweck, um Schulen und Schwimmbäder zu finanzieren, um Beamte zu bezahlen, die Straßen in Schuss zu halten, Flüchtlinge zu integrieren oder die Renten zu sichern."
"Der klassenkämpferische Ton, mit dem die Partei in Münster die V-Frage (Vermögensteuerfrage, Anm.) diskutiert hat, erinnert fatal an die verkorkste Kampagne des letzten Wahlkampfes [...]"
Er nennt die "linken Reflexe bei den Grünen stärker als die ökonomische Vernunft" und zeigt auf, warum es bisher mit einer Vermögensteuer nicht geklappt hat:
"Zu schwierig ist die Abgrenzung zwischen Privat- und Betriebsvermögen, zu kompliziert die Bewertung von Immobilien, zu groß die Gefahr, Unternehmen an die Substanz zu gehen, zu gering auf der Ertrag mit geschätzten sechst bis acht Milliarden Euro im Jahr."
Diese Aufzählung kann ergänzt werden um weitere Fälle, wo eine Vermögensteuer fragwürdig wird wie selbst genutzte Immobilien mit hohem Wert, Vermögen ohne laufende Erträge etc. Rudi Wais nennt Alternativen, um "Reiche" zu besteuern:
"über einen höheren Spitzensteuersatz, über das Schließen von Steuerschlupflöchern oder das Abschaffen der Abgeltungssteuer"
Das alles gibt einen Hinweis, welches Vorurteil die "linken Reflexe" wahrscheinlich auslöst: Superreiche sind Personen, die über Kapitalerträge ein arbeitsloses Einkommen erzielen. Dabei sollten sie beitragen, Arbeitslosen ein Einkommen zu ermöglichen und andere staatliche Aufgaben zu finanzieren. Sie sollten für ihre Zins-, Dividenden- und Mieteinnahmen einen angemessenen Steuerbeitrag leisten. Dafür soll die Substanz, das Vermögen besteuert werden. Oder: weil es nicht gelingt, ein als gerecht empfundenes System der Einkommensbesteuerung zu schaffen, wird als Notbehelf eine Vermögensteuer gefordert.
Das wird die Grünen nicht weiterbringen "mit dem Anspruch, die Dinge grundlegend zu verändern". Es ist gerade nicht die alternative Herangehensweise an politische Fragen, die der Anspruch sein sollte. Sie grenzen sich damit nicht durch vernunftgeleitete Antworten von der aktuellen Mode emotionsgeleiteter Antworten ab. Mit der von Rudi Wais genannten diffusen Aussage bezüglich der Frage, wer die Superreichen seien, sind sie alles andere als ein Gegenentwurf. Sie benennen nicht - nicht einmal diffus - was die Gerechtigkeit sei, die sie mit einer Vermögensteuer zu erreichen vorgeben. Sie fordern konkret genug die Vermögensteuer, um linke Klientel abzuholen. Sie bleiben diffus genug, um sowohl für Rot als auch für Schwarz eine Koalitionsoption zu bleiben - und im Endeffekt jedenfalls einen ihrer Flügel zu verprellen. Sie werden in Details so konkret, dass sie sich dem Vorwurf des Besserwisserwahlkampfes aussetzen.
Rechtspopulisten haben Erfolg auch deswegen, weil sie dem angeblich tatenlosen Politikergewäsch konkrete Handlungen entgegen setzen: Ausweisungen, Verbote, Mauern, den starken Mann. Momentan scheint es so, als ob die Grünen es vielen Recht, dafür kaum etwas richtig machen wollen. Dabei wären die Grünen als die "Partei, die sich gerne für ihre Liberalität feiert" prädestiniert für kreativere Lösungen.

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