Montag, 28. März 2016

Walter Rollers fester Stand

In der Ausgabe der Augsburger Allgemeinen vom 26.3 schreibt Walter Roller einen Leitartikel zu den Konsequenzen der Brüsseler Terroranschläge:


Walter Roller weist zu Recht auf die Gefahr hin, die mit dem Verlust des Sicherheitsgefühls einher geht und die "gefestigte demokratische Ordnung über kurz oder lang in Turbulenzen" bringen kann. Er zeigt Grenzen auf:
"Selbstverständlich ist dieser Terrorismus mit besseren Sicherheitsmaßnahmen allein nicht zu besiegen. Seine Brutstätten liegen in der muslimisch-arabischen Welt, die selbst am meisten unter diesem religiösen Fanatismus leidet und einen Weg aus dem Teufelskreis der Gewalt und der Religionskriege finden muss."
Wo die Grenzen noch korrekt benannt werden, greift der zweite Satz zu kurz. Wenn einerseits europäische Maßnahmen nicht ausreichen, kann Europa die "muslimisch-arabische Welt" doch nicht alleine lassen bei der Suche nach dem Weg aus dem "Teufelskreis der Gewalt". Europa muss ein Interesse daran haben, bei der Suche zu unterstützen, wo Unterstützung gefordert wird oder notwendig ist.
Walter Roller fordert, "[m]it kühlem Kopf und im Wissen um die moralischen und rechtlichen Grenzen rechtsstaatlicher Mittel" die Fanatiker zu bekämpfen, die "allem, was den Europäern lieb und teuer ist, den Krieg erklärt" haben. Er hätte die inhaltliche Grenze vom Schluss des Leitartikels ebenfalls nennen sollen. Denn nicht nur das Recht und die Moral, sondern auch die Praktikabilität und Effektivität von Maßnahmen sollte der Rechtsstaat bedenken.
An welche Maßnahmen Walter Roller denkt, bleibt meist im nebulösen. Nur an einer Stelle wird er konkret:
"Nach allem, was bisher [...] bekannt ist, haben nicht nur die belgischen Behörden versagt. [...] Die grenzüberschreitende Kooperation und der Austausch von Daten und Erkenntnissen [...] liegen weiter im Argen."
In einem freizügigen Europa mit Kooperation auf allen möglichen Gebieten ist nicht einzusehen, warum geheimdienstliche, erkennungsdienstliche und ermittlungsrelevante Informationen im Kontext einer gesamteuropäischen Gefahr nicht gesamteuropäisch zur Verfügung stehen sollten.
Nebulös lässt Walter Roller, welche Erkenntnisse über "kreuz und quer durch Europa reisende[...] Dschihadisten" er genau meint. Sind es zufällige Erkenntnisse, die sich aus einer zufälligen Kontrolle eines Fahrzeugs auf der Autobahn ergeben. Oder sollen alle Reisen überwacht werden, neben Flügen auch Bahnreisen sowie Mietwagenfahrten? Von allen Bürgern oder nur von amtsbekannten Personen aus dem Terrorumfeld? Oder von allen verurteilten Verbrechern? Oder von allen, die Verbrechen begehen könnten?
Nebulös lässt Walter Roller, was "ein entschiedenes Vorgehen gegen die islamistischen Milieus und Parallelgesellschaften" ist. Soll es keine Islamistenviertel mehr geben? Oder denkt er an Viertel wie Brüssel Molenbeek? Das wäre - gemessen an der Bevölkerung - bestenfalls ein islamisches Viertel, kein islamistisches. Solche Feinheiten würden jedoch den Ruf nach Standhaftigkeit unterminieren.
Nebulös lässt Walter Roller auch, was er konkret meint, wenn er fordert, der Rechtsstaat müsse "dabei seinen Prinzipien treu bleiben". Denn im Folgesatz sieht er "die ritualhafte Warnung vor einem 'Überwachungsstaat' und einem Verlust freiheitlicher Rechte" als "übertrieben" an. Damit gewinnt, trotz seines Hinweises auf die "moralischen und rechtlichen Grenzen", die "Härte, die zur Verteidigung unserer Ordnung unerlässlich ist", die Oberhand. Will er ein Ende der Reisefreiheit? Will er lückenlose Telefonüberwachung? Will er Vorratsdatenspeicherung? Will er mehr Polizeikontrollen? Will er die Todesstrafe für Selbstmordattentäter?
Einer der Attentäter von Brüssel hat in seinem "Testament" geschrieben, er wolle lieber sterben als im Gefängnis sitzen. Walter Roller schreibt, die Dschihadisten hätten Europa, seinen Werten und seinem Lebensstil den Krieg erklärt. Der Kristallisationspunkt der Kriegserklärung sind Werte und Kultur, die Europa hoffentlich nicht aufgeben wird. Die absehbare Härte als rechtsstaatliche Reaktion auf vorangegangene Taten des Attentäters haben das Selbstmordattentat zumindest befeuert. Walter Rollers Antwort hierauf ist: mehr Härte.
Walter Roller hat in seinem Leitartikel Standfestigkeit bewiesen, weil er wie in der Vergangenheit hartes Vorgehen fordert. Zur Erhellung oder zur Lösung der Terrorgefahr trägt sein Leitartikel jedoch nichts bei.

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