Donnerstag, 8. Januar 2015

Augsburger Allgemeine vom 27.12.2014

Die Zeitung brachte auf der Seite 3 eine recht ausführliche Darstellung des sozialen Wohnens in Wien:
Dabei wurde der Eindruck vermittelt, es sei relativ leicht, in Wien eine Wohnung in einem Gemeindebau zu bekommen:
  1. Die Einkommensgrenzen seien sehr hoch.
    Das ist richtig. Für eine alleinstehende Person ist die jährliche Einkommensgrenze bei netto 43.970€. Bei einem entsprechend geringen Einkommen wird eine der Voraussetzungen erfüllt.
  2. Man müsse zwei Jahre in Wien gemeldet sein.
    Das ist richtig. Allerdings wurde verschwiegen, dass dies für alle Personen gilt, die in die Gemeindewohnung einziehen wollen. Ein Wiener kann also nicht nach Belieben mit Nichtwienern in eine gemeinsame Wohnung übersiedeln.
  3. Nicht genannt wurden eine Reihe weiterer Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Diese Voraussetzungen möchte ich hier nicht wiederholen, sie können auf der Homepage der Stadt Wien nachgelesen werden. Sie umfassen Aspekte wie Gesundheit, aktuelle Wohnsituation etc.
  4. Die Gemeindebaumieten seien niedrig.
    Das hängt vom Vergleichsmaßstab ab. Verglichen mit Mieten auf dem freien Markt kann das stimmen. Wer das Glück hat, noch einen alten Mietvertrag mit dem sog. Friedenszins zu haben, wohnt wesentlich günstiger.
Werden die unter 3. genannten Voraussetzungen berücksichtigt, zeigt sich die Höhe der Hürde, die Antragsteller für eine Gemeindewohnung überspringen müssen. Wird weiterhin berücksichtigt, dass viele Gemeindebauten älteren Datums sind und die Bewohner oft seit Jahrzehnten in den Wohnungen sind, ergibt sich ein differenzierteres Bild.

Ein Nichtwiener hat überhaupt keine Chance, eine Gemeindewohnung zu bekommen - ich ignoriere hierbei "kreative" Ansätze, die oben genannten Hürden ggfs. zu unterlaufen. Für neu nach Wien Ziehende zeigt sich ein anderes Bild (zumindest aus eigener Erfahrung):
  • Es ist fast unmöglich, ohne Makler an eine Wohnung zu kommen. Der darf bei Vertragsschluss bis zu zwei Monatsmieten zzgl. Umsatzsteuer als Honorar verlangen. Er wird das bis zur Maximalhöhe ausschöpfen.
  • Da die Mietgesetzgebung so mieterfreundlich sei - das behaupten oft die Eigentümer - seien Investitionen in die Wohnungen kaum wirtschaftlich zu realisieren. So kann es vorkommen, dass unter einer "sanierten Wohnung" lediglich "Wände weiß angemalt" verstanden wurde.
  • Der Charme von Altbauwohnungen verliert sich schnell in Anbetracht undichter Fenster, schlechter Isolierung und alten Wasserrohren. Mit etwas Glück kommt das Wasser durch Bleirohre in die Wohnung. Vor dem ersten Kaffee sollte gründlich durchgespült werden.
  • Erst in jüngster Zeit wurden zwei Regelungen seitens des Gesetzgebers ergriffen, um die Situation von Mietern zu verbessern. Zum Einen wurde abgeschafft, dass Mieter beim Auszug zu einer Renovierung verpflichtet sind. Dies betrat z.B. das Weißeln oder das Abschleifen von Parkettböden. Zum Anderen ist seit dem 1.1.2015 der Vermieter verpflichtet, eine defekte Heiztherme zu reparieren. Vorher war dies Mietersache.
  • Es gibt fast keine Mietverträge ohne Indexmieten. Was beim Einzug eine angemessen bepreiste Wohnung war, wird nach einigen Jahren zumindest fragwürdig. Die Miete steigt mit der Inflation jedes Jahr. Gleichzeitig wird die Wohnung durch die Nutzung abgewohnt.
  • Wer sich mit einer Wohnung in einem passablen Zustand zufrieden gibt, wird wohl eine Wohnung finden können. Wer jedoch etwas besseres - vielleicht mit Balkon - sucht, landet schnell bei ausgebauten Dachgeschossen, luxussanierten Altbauten etc. Bruttomietpreise zwischen 18€ oder 20€ je Quadratmeter überraschen dabei bestenfalls nicht vorgewarnte Mietinteressenten.