Freitag, 25. August 2017

Elefanten und Saurier

Im Laufe dieser Woche waren in der Augsburger Allgemeinen mehrere Artikel und Leserbriefe zum LKW-Verkehr auf Autobahnen und insbesondere einem Überholverbot veröffentlicht worden. Andrea Kümpfbeck lieferte den Einstieg mit diesem Kommentar:


Zurecht verweist sie auf die immer wieder auftretende "gefährliche Situation":
"Dann nämlich, wenn der Lastwagen vor einem plötzlich auf die Überholspur zieht, um einen anderen Lkw zu überholen. Diese Elefantenrennen sind es, die für alle Verkehrsteilnehmer ein hohes Unfallrisiko bergen - oder Staus auslösen."
Das Ausscheren ist das eine, die geringe Geschwindigkeitsdifferenz das andere. Unfallträchtig mögen beide sein, das Ausscheren birgt zudem ein Überraschungsmoment. Andrea Kümpfbeck fordert deshalb:
"Viel wichtiger ist ein generelles Lkw-Überholverbot. Das würde nicht nur die Sicherheit erhöhen - sondern auch die Nerven vieler Autofahrer schonen."
Erwartbar waren Reaktionen, von denen der Leserbrief von Franz Kapeller aus Dasing exemplarisch herausgegriffen werden soll:


Franz Kapeller äußert Verständnis für die Autofahrer, spricht gleichzeitig Andrea Kümpfbeck fehlende Kompetenz zu:
"[...] aber so was kann nur jemand schreiben, der noch nie selbst Lkw gefahren ist."
Franz Kapeller führt aus, dass moderne Lkw trotz Steigung 80 km/h fahren können, während schwach motorisierte Lkw ("oftmals aus Osteurope") das nicht könnten und mit teilweise 20 km/h den Berg hinaufzuckeln. Er frägt:
"aber warum soll er [der starke Lkw, Anm.] dann hinter dem schwachen Lkw herzuckeln müssen?"
Berechtigte Frage. Franz Kapeller fordert deshalb:
"Wenn man ein generelles Lkw-Überholverbot fordert, muss man auch dafür sorgen, dass auf den Straßen keine ungleichen Verhältnisse herrschen - was aber kaum möglich sein dürfte."
Seine Schlussfolgerung:
"Also ist die Verbotsforderung sinnlos."
Doch damit macht er es sich zu einfach. Andrea Kümpfbeck erhält derweil Unterstützung durch einen Artikel der Printausgabe der AZ vom 25.8.:


Der Bundesverkehrsminister habe eine Untersuchung beauftragt, um "die stark veränderten Verkehrsverhältnisse" zu prüfen. Ein "generelles Überholverbot für Lastwagen auf Autobahnen" sei Gegenstand der Untersuchung. Elefantenrennen seien bereits heute rechtswidrig, weil der Überholer "mindestens zehn Stundenkilometer schneller" sein müsse.
Damit stehen sich zwei Argumente entgegen:

  • Sicherheit, Verkehrsfluss: aus diesen Gründen ist ein Überholverbot plausibel
  • Termine, Warenverkehr: aus diesen Gründen ist ein Überholverbot abzulehnen
Was nicht vorkommt ist die grundsätzliche Frage nach der Notwendigkeit dieser Transporte. Ohne Zweifel erfordert das moderne Wirtschaften Warenverkehr. An einzelnen Stellen mag ein Zurück zur Region abhelfen können - im Sommer müssen keine Zwiebeln quer durch Europa transportiert werden. Doch wer mag schon auf koreanische Smartphones, auf amerikanische Jeans oder japanische Autos verzichten? An vielen Stellen wird durch Just-In-Time-Logistik die Lagerhaltung auf die Straße verlagert. Nicht nur, dass hierbei Unternehmen Kosten sparen für Läger, sich können auch Effekte wie Schadstoffbelastungen an die Allgemeinheit externalisieren. Mit einem Überholverbot würden solche Logistikstrukturen schwerer zu kalkulieren, weil die Fahrgeschwindigkeit abhängig wird vom jeweils langsamsten Fahrzeug auf der Strecke. Ein Aufschrei und Veto der Industrie ist bei einem Überholverbot deshalb vorhersehbar.
Ein Überholverbot ist keine Frage, die die Politik singulär auf Basis des Sicherheitsaspekts beantworten sollte. Die Politik muss die Frage einbetten in ein Mobilitätskonzept, bei dem der Lkw-Verkehr insgesamt zu hinterfragen ist: Wie ist das Verhältnis von Bahn und Straße? Was soll überhaupt transportiert werden? Welche autonomen Transportmittel können verwendet werden? Vielleicht steht am Ende die Erkenntnis, dass Lkw keine Elefanten sind, sondern Saurier. Ein Überholverbot wird dann nicht reichen.

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