Donnerstag, 20. Juli 2017

Verschleierung in der Koalition

Michael Pohl hat für die Augsburger Allgemeine mit dem Grünen-Politiker Konstantin von Notz gesprochen und das Interview am 20.07. veröffentlicht:


Von Notz vs.

Zu den Gewaltexzessen in Hamburg anlässlich des G20-Gipfels und wie es dazu kommen konnte, meint von Notz:
"Der G20-Gipfel war eine Bundesveranstaltung, die auch vom BKA, Bundespolizei und dem Bundesverfassungsschutz in Verantwortung des Bundesinnenministeriums vorbereitet wurde. Und im Innenausschuss des Bundestags wurde uns auf mehrfache Nachfragen vor dem Gipfel versichert, dass alles im Vorfeld unternommen wurde, um Krawalle zu verhindern. Wir haben alles auf dem Zettel, hieß es. Das war wohl eine krasse Fehleinschätzung."
Viele überschlugen sich direkt im Anschluss an die Krawalle mit Lob für die Polizei. Ich hatte bereits Anfang Juli darauf hingewiesen, dass zu unterscheiden ist zwischen der Arbeit der Polizisten vor Ort und den Führungskräften der Polizei. Wenn von Notz richtig liegt mit seiner Bewertung, es sei "eine krasse Fehleinschätzung" im Vorfeld des Gipfels gewesen, sollten die Lobesreden auf die Polizei leiser werden und einer kritischen Aufarbeitung Raum lassen.
Möglichen Anwürfen der Verharmlosung der Gewalt begegnet von Notz:
"Dass es beim G20-Gipfel zu unerträglichen Gewaltexzessen gekommen ist, muss man klar verurteilen."
Die folgende Feststellung zeigt, dass ihm die zunehmende Gefahr durch politisch und religiös motivierte Gewalttäter bewusst ist. Aus diesem Bewusstsein heraus formuliert er eine dringend zu diskutierende Frage:
"Die terroristische Bedrohung ist gestiegen. Die Frage ist, wie reagieren die Demokratie und der Rechtsstaat effektiv darauf?"
Von Notz bezeichnet die übliche Antwort vieler Politiker als populistisch:
"Man sollte aber nicht bei jeder Gesetzesüberschreitung gleich nach einer Verschärfung der Gesetze oder einer Änderung des Grundgesetzes rufen, wie es üblicherweise die CSU und inzwischen auch die Linke populistisch tun."
Ja, solche Forderungen sind populistisch. Sie sind darüber hinaus keine politischen Antworten. Sie sind Reflexe. Dabei ist die Lage nicht so simpel, dass ihr reflexhafte Antworten angemessen wären. Von Notz:
"Ist es ein schlüssiges Konzept, aus Angst vor Terrorismus gerade die Freiheitsrechte abzubauen, die die Terroristen ja bekämpfen? Nein."
Dem ist zuzustimmen. Zu einem solch klaren Blick sind die Reflexgetriebenen nicht mehr fähig. Sie glauben an die Wirkung schärferer Gesetze, glauben an deren Abschreckungswirkung bei emotionsgeleiteten Taten, glauben an ein Mehr an Überwachungsbefugnissen. Um es auf die Spitze zu treiben: Wenn die Sicherheitsbehörden von jedem jederzeit den Aufenthaltsort kennen würden (Fußfessel, Handyortung etc.) und über alle Kommunikation Bescheid wüssten (Abhören, Vorratsdatenspeicherung, verschlüsselte Nachrichten vor dem Versand auslesen etc.), dann wäre dies das Paradies der Sicherheit. Freiheitsrechte? Wer braucht die schon, Hauptsache es ist sicher!
In wenigen Wochen ist Bundestagswahl. Sicherheitspolitik wird eines der großen Themen sein. Doch wir haben keine Wahl. Die politischen Angebote sind inzwischen so ähnlich, dass mir schleierhaft ist, wie in diesem Punkt eine echte Differenzierung möglich sein soll. Die Forderungen der CSU im Bayernplan zur Sicherheit finden bei der AfD Anklang, mein entsprechender Tweet wurde von der AfD innerhalb von Minuten retweeted:


Die CSU macht sich nichts daraus, weil sie sich als Sicherheitsgarant positionieren will. Und sie gibt eine Ordnungsgarantie:


Wie zielführend die Konzentration auf Migranten ist, um Ordnung zu schaffen, hat der G20-Gipfel in Hamburg gezeigt. Die SPD springt - vielleicht aus Verzweiflung über die geringe Zündkraft der von ihr gewählten Themen - auf den gleichen Zug auf. Von Notz verschafft mir mit seinen Aussagen zumindest einen kleinen Lichtblick.

vs. Spahn

Wie Lautstärke funktioniert, zeigt Jens Spahn eindrücklich:


Er ist so laut, dass der AfD-Vize Alexander Gauland die Positionen Spahns "erfrischend" findet und sich bedankt. Natürlich ist es richtig, auf "Probleme der Integration in Deutschland" hinzuweisen. Allerdings bedient er sich Methoden, die sich dem Vorwurf des Populismus stellen müssen. Ein Beispiel findet sich auf Twitter:


Jens Spahns Aufforderung zum Lesen von Regionalzeitungen ist nur laut. Sie ist ein Beispiel für den Dünger, auf dem die freiheitseinschränkenden Reflexantworten von Mr. Sicherheit, von Klare-Kante-Vertretern und Strafgesetzbuchwinkern ins Kraut schießen. Ich befürchte, die Reflexantworten werden im Wahlkampf die lauteren sein und die Lichtblicke überwuchern.

Wahlkampf! Mir graut's vor dir.

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