Freitag, 28. Juli 2017

Überflieger im Anflug

Die Augsburger Allgemeine berichtet am 28.7. über mögliche Minister aus den Reihen der CUS im zukünftigen Bundeskabinett. Im Bericht wird die mögliche Rückkehr von Karl-Theodor zu Guttenberg behandelt, der "2011 als Verteidigungsminister über seine zum großen Teil dreist abgekupferte Doktorarbeit gestürzt" war. Bernhard Junginger kommentiert dazu:


Bernhard Junginger schreibt:
"Jeder hat eine zweite Chance verdient. Das gilt auch für Karl-Theodor zu Guttenberg."
Richtig. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob jeder für alles eine zweite Chance haben soll. Ein Unternehmer, der Konkurs anmelden muss, weil Kunden ihn nicht bezahlen? Ja, ohne Zweifel. Ein pädophiler Kindergärtner nach seiner Verurteilung? Nach einer Therapie? Ein Ja fällt hier schwer.
Statt einer pauschalen zweiten Chance muss bedacht werden, wie wahrscheinlich die zweite Chance positiv genutzt werden wird und welche Risiken damit verbunden sind. Der DSDS-Dauerkandidat Menderes Bağcı, der seit 2002 in jeder Staffel antrat, hat - wenn man so will - alle Chancen verstreichen lassen, er kann immer noch nicht singen. Allerdings hat er Unterhaltungswert, beeindruckt mit seinem Durchhaltevermögen und kommt als Sympathieträger durch.
Guttenberg ist sicherlich ein politisches Talent. Er vermochte die Menschen mit seinen Auftritten für sich zu gewinnen. Sein Publikum war von seiner (schauspielerischen) Leistung beeindruckt. Doch reicht für Politik diese Äußerlichkeit? Vielleicht hatte er schon lange das Ziel einer politischen Karriere. Vielleicht war ihm früh klar, dass er sich dafür schmücken muss: Aussehen, Rhetorik, Bildungsweg. Vielleicht hat er nicht "übersehen", wie in wissenschaftlichen Arbeiten zu zitieren ist und was überhaupt wissenschaftliches Arbeiten ist, sondern er hat den Doktortitel als Katalysator seines politischen Weges von langer Hand vorbereitet. Bernhard Junginger schreibt:
"War der Grundton seines Buches 'Vorerst gescheitert' von 2011 noch uneinsichtig und besserwisserisch, übt sich Guttenberg heute in Demut und Selbstironie."
Mag sein, dass Guttenbergs Einsicht mit den Jahren gewachsen ist. Es mag aber auch sein, dass er für die Rückkehr auf die Politbühne Demut und Selbstironie als notwendigen Schmuck identifiziert hat. Er hätte sich damit nicht weiterentwickelt, lediglich sein Arsenal. Seine Demut wäre Ausdruck einer Reue, die angetrieben wird vom Vorsatz, sich das nächste Mal nicht erwischen zu lassen.
Wie soll es weitergehen? Bernhard Junginger schreibt:
"Doch der Weg zurück sollte für den abgestürzten Überflieger nicht durch die Hintertür führen. Guttenberg müsste einen echten politischen Neuanfang wagen, sich der Parteibasis stellen und den Wählern. Sich für ein Mandat bewerben, sich wieder hocharbeiten, Schritt für Schritt."
Nein, nicht "sollte". Es kann nicht anders laufen. Ein Comeback "nach Gutsherrenart" wäre Wasser auf die Mühlen derer, die "denen da oben" Abgehobenheit vorwerfen - dann allerdings zu Recht.
Eine zweite Chance steht Guttenberg zu. Eine zweite Chance ist jedoch nicht einfach ein neuer Anlauf, die man so oft in Anspruch nimmt, wie es beliebt und bis es gelingt. Sie ist auch eine Bewährungsprobe. Unsere politischen Repräsentanten müssen sich gefallen lassen, dass an sie besondere - besonders strenge - Anforderungen gestellt werden. Sie sind kein Menderes, mit dem man sich über Jahre hinweg über kleinste Fortschritte freuen mag. Guttenberg hat sich zu bewähren. Es reicht nicht, wenn er mit seinem neuen Arsenal der Demut auftritt. Die Wähler sollten genau hinschauen, was er ihnen auftischt. Sie sollten skeptisch sein, wenn im Wahlkampf Seehofer und seine CSU mit einem vermeintlichen Supermann auf Stimmenfang gehen. Sie müssen vor allem selbst wissen, was Ihnen vorgesetzt werden soll: ein Schauspiel oder echte Qualität. Der Fall Guttenberg ist auch für den Wähler eine zweite Chance, sich nicht von Äußerlichem beeindrucken zu lassen, sondern in die Tiefe zu schauen. Guttenberg ist nicht der erste und er wird nicht der letzte Politiker sein, der Wähler zweimal beeindruckte: beim Aufstieg und später beim Fall über selbst gelegte Fußangeln.
Ist Guttenberg jetzt ein besserer Mensch oder lediglich ein besser herausgeputzter? Skepsis ist notwendig angesichts der Begeisterung der CSU-Führung.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen