Sonntag, 5. Juni 2016

Walter Rollers Unionsspektakel

Die Augsburger Allgemeine bringt am 4.6. einen Leitartikel von Walter Roller über das schwierige Verhältnis der politischen Schwestern CDU und CSU:


Walter Roller beschreibt die Situation zutreffend: Seit vielen "Jahren sind CDU und CSU in der 'Union' vereint", sie "halten [...] zusammen und kämpfen [...] gemeinsam um die Macht". Die CSU "als konservative Korsettstange der Union" - ein schönes Bild. Heute hingegen ist man "in der Sache so weit auseinander", war "nie einander so fremd". Das Ganze kondensiert an der "Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, die CDU und CSU entzweit [...] und nun den Dreh- und Angelpunkt des Streits um die Strategie der Union bildet".
Das ist des Pudels Kern. Während Merkel - wenn man so will - die Weite des Raumes hin zur politischen Mitte nutzt, tanzt Seehofer weiter eng an der konservativen Stange. Beide haben jedoch ein Problem mit ihren Wählern: Merkels Weg konnten oder wollten die streng konservativen CDU-Wähler nicht mitgehen, der Weg ist ihnen zu links. Seehofer hingegen bewegt sich nicht von der Stange weg, hat aber das Problem, dass die AfD mit ihrem Gesamtpaket aus Anti-Islam, Anti-Fremd, Anti-EU, Anti-Euro und nicht zuletzt Anti-Establishment auf viele sexier wirkt als es sich Horst Seehofer je trauen würde. Gerade das Anti-Establishment wirkt anziehend für die, die es satt haben, wenn "Seehofer [...] seit Monaten keine Gelegenheit [auslässt], um die Kanzlerin anzugreifen" und Merkel zurückkeilt und "die Schuld an den Wählerverlusten der CSU und deren ständigen Attacken" zuschreibt. Das ist Wasser auf die Mühlen derer, die Politik als Zirkus sehen, im dessen Manege sich nur Clowns bewegen.
Walter Roller beschreibt den "Kern des Konflikts": die CDU hielte "an ihrer Linie fest, weil sie auf die Entzauberung der AfD setzt", die CSU will "der rechten Konkurrenz mit einem stärkeren konservativen Profil das Wasser abgraben". Er fordert:
"Er ist nur zu lösen, wenn die Kanzlerin dem Abstieg ihrer auf 25 Prozent zusteuernden CDU nicht weiter zusieht und die CSU der Versuchung widersteht, ihre Haut durch eine inhaltliche Annäherung an die AfD retten zu wollen."
Richtig. Ich möchte dem eine Denkoption hinzufügen. Wie wäre es, wenn die CDU ihren Weg beibehält und so hofft, mehr Wähler aus der Mitte zu bekommen. Zielgruppe sind Wähler der Grünen, vielleicht auch der SPD. Die CSU hingegen tritt nicht nur in Bayern an, sondern auch in anderen Bundesländern und holt hier die Wähler ab, die sich als Konservative sehen, aber keine AfD-Protestwähler sind. Umfragen bescheinigen der CSU durchaus Wahlchancen außerhalb Bayerns. Das Manöver ist nicht als Kampf der Schwestern konzipiert, sondern als gemeinsamer Plan, weshalb die CDU nicht in Bayern antritt. Somit hätte die Union ein Angebot für gemäßigte und auch strenge Konservative und müsste keine Abwanderung zur AfD befürchten. In einer solchen Konstellation wären die AfD-Wähler so weit rechts bzw. so frustrierte Protestwähler, dass sie für "normale" Parteien ohnehin kaum mehr erreichbar wären.

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