Donnerstag, 23. Juni 2016

Wutbürger ernst nehmen

Michael Stifter hat in der Augsburger Allgemeinen einen Leitartikel zum Ton in der politischen Debatte veröffentlicht:


Michael Stifter beschreibt die Situation zutreffend:
"Wir leben in einer Zeit der Polarisierung. Einer Zeit, in der Politik zur Frage von Gut und Böse, von Rettung und Untergang stilisiert wird."
Als Triebfeder benennt er unter anderem "Zorn auf Ausländer, auf die Globalisierung, auf Europa, auf politische Eliten, auf die Medien." Das sind die Grundzüge der Politik der AfD. Deshalb hat er Recht, wenn er den Populisten vorwirft, Ängste zu schüren. Populisten "ermutigen die Bürger, ihre Wut offen auszuleben." 
Richtig ist auch, dass es nicht helfen wird, "Populisten und deren Anhänger zu beschimpfen." Hass darf nicht mit Hass beantwortet werden. Allerdings gibt es auch keinerlei Grund, klare Worte gegenüber den Populisten und ihren Anhängern vermissen zu lassen.
Was als Zorn und Wut der Wutbürger bezeichnet wird, dürfte wenig mit den echten Affekten und Emotionen zu tun haben. Das sind bestenfalls Gefühle, die durch Wiederholung heiß gehalten werden. Populisten rühren fleißig den Kochtopf um. Affektkontrolle findet nicht mehr statt. Wutbürger lassen sich als willfähriges Werkzeug vor den Machtkarren der Populisten spannen. 
Wer für sich beansprucht, politisch aktiv und gestaltend sein zu wollen, der möge nicht nur wütend sein. Der möge auch und vor allem mit Vernunft, Weitblick, Ethik und Gemeinschaftssinn handeln. Es ist nicht so, wie Michael Stifter schreibt, dass die Politik jedwede "Angst - sei sie objektiv noch so unbegründet - ernst" nehmen müsse. Der Zorn ist keine politische Botschaft. Die Politik darf verantwortliche Bürger erwarten. Unbegründete Ängste sind kein Fall für die Politik. Soll professionelle Politik wirklich Verschwörungstheorien wie Chemtrails ernst nehmen? Soll sie sich wirklich mit Behauptungen, alle Neger vergewaltigen deutsche Frauen und fressen die Kinder beschäftigen? Nein! Unbegründete Ängste sind ein Fall für Psychotherapeuten.

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