Sonntag, 24. Juni 2018

Söders Tritte

Uli Bachmeier hat in der Augsburger Allgemeinen am 23.6. einen Leitartikel veröffentlicht, in dem er die ersten 100 Tage von Markus Söder als Ministerpräsident in Bayern beleuchtet:


Söders Wahlstrategie

Einleitend zitiert er Franz Josef Strauß mit den Worten:
"Bayern ist unsere Heimat, Deutschland ist unser Vaterland, Europa ist unsere Zukunft."
Söder verabschiede sich "von diesem grundsätzlichen Bekenntnis seines großen politischen Vorbilds":
"Mit seinem leichtfertigen Gerede vom 'Ende des geordneten Multilateralismus' stellt Söder das Projekt Europa infrage. Das ist die mit Abstand gefährlichste Entwicklung in seinen ersten 100 Tagen als Regierungschef in Bayern. Denn was, bitte schön, soll die Alternative zur Zusammenarbeit in Europa sein? Etwa ein ungeordneter Nationalismus? Jeder gegen jeden?"
Offenbar. Zur Migration beteuert die CSU zwar, sie wolle sich einer europäischen Lösung anschließen. Falls die nicht käme oder nicht so aussehe, wie die in Bayern ersonnene und für Deutschland hocherpresste "Lösung" des "Masterplans" es definiere, werde die "Lösung" eben national umgesetzt:


Diese Haltung hatte sich bereits vor 10 Tagen abgezeichnet, als Söder verlautbarte:


Uli Bachmeier schreibt, "Kritik von linker, liberaler oder grüner Seite" störe Söder nicht. Im Gegenteil, eine solche Kritik mache die CSU von Rechten wieder wählbarer. Söder habe Bayern einen "Rechtsruck" verordnet. Noch im Februar war ein solcher Rechtsruck von Unionswählern nicht gewünscht, nur bei den AfD-Wählern stand ein "konservativerer" Kurs hoch im Kurs.
Diese "[simple] Logik" steht hinter dem Wahlkampfmanöver der CSU. Wobei sie übersieht, dass nicht alle Zustimmung aus dem rechten Eck ein Qualitätssiegel für die eigene Position ist und nicht alle Kritik aus dem mittleren oder linken Eck ein Ansporn. Es ist eine pubertäre Trotzhaltung. Hauptsache gegen die Eltern, speziell die Mutti. Hauptsache die coole Gang applaudiert. Dabei:
"Im Landtagswahljahr 2018 aber hat sich die Partei unter der Doppelspitze Horst Seehofer und Markus Söder in eine Situation manövriert, in der alles auf dem Spiel steht: der Zusammenhalt mit der Schwesterpartei CDU, die Stabilität und das Wertefundament des politischen Systems in Deutschland und die Zukunft der Europäischen Union, die den Bürgern in Bayern und Deutschland wirtschaftlichen Wohlstand, soziale Sicherheit und Reisefreiheit von Portugal bis Finnland beschert hat."
Ja, die CSU stellt alles zur Disposition, was bisher als Werte an sich galt. Weiterhin zeigt sie in ihrem Fokus auf die AfD, dass sie mit ihrer - nennen wir es: Haltung inzwischen jeden Anspruch verloren hat, sich auf eine europäische Prägung und Kultur berufen zu dürfen. Denn sie trampelt auf dieser Kultur herum, auf den Werten herum, auf Bewährtem. Uli Bachmeier schreibt:
"Söder hält es für eine Stärke, sich ausschließlich auf den 14. Oktober zu konzentrieren und alles andere diesem einen Ziel unterzuordnen. Er meint, dass das Schicksal der CSU als Volkspartei allein dadurch schon besiegelt ist, wenn sie sich im Landtag einen Koalitionspartner suchen muss. Er meint, der Zeitgeist rücke nach rechts, also müsse auch die CSU weiter nach rechts.
Dass er damit der AfD nur in die Hände spielt, dass die CSU dann nicht mehr dieselbe ist wie zuvor, dass sie ihre Kraft zur Integration breiter Wählerschichten verlieren könnte, klammert er ebenso aus wie alle anderen Risiken auch. Für einen härteren Kurs in der Asylpolitik mag es eine Mehrheit geben, für einen Anti-Europa-Kurs mit Sicherheit nicht."
Was Söder für Stärke hält, ist Schwäche. Denn er läuft den Themen hinterher, die die AfD auf die politische Bühne gehievt hat. Söder und die CSU schreien ihr Migrationsthema so laut hinaus, dass alle anderen Themen unter die Räder kommen. Vielmehr unter die braunen Stiefel, die sich die CSU ursprünglich anzog, um gegen die AfD zu marschieren. Inzwischen ist sie jedoch im Gleichschritt, sie ist #AFDkopie.

Gleichschritt der CSU mit AfD

Der Gleichschritt zeigt sich in einer ganzen Reihe unsäglicher (Re)Tweets der CSU. Eine Auswahl aus dem Monat Juni 2018 belegt dies. Da wird das europäische und deutsche Asylsystem als feudales Menü dargestellt, aus dem sich Asylbewerber nach belieben ihren Aufenthalt zusammenstellen können:


Die ganze Angelegenheit sei so schlimm, dass dem Migrationsstrom mit einer Asylwende begegnet werden müsse:


Eine Asylwende reicht jedoch nicht, das System stehe Kopf und müsse auf die Füße gestellt werden:


Und nicht nur mit Zurückweisungen müsse der Migrationsstrom eingedämmt werden, es müsse mehr Abschiebungen geben. Doch da gebe es ja diese Abschiebe-Verhinderungs-Industrie (Dobrindt) und überhaupt sei das Rechtssystem hinsichtlich der Abschiebungen untauglich:


Die AfD sägt ebenfalls mit solchen Aussagen am Grundsätzlichen: mit "Systemparteien" und "Altparteien" werden die bezeichnet, die nicht AfD sind. "Lügenpresse" und Geschichtsrelativismus sind inzwischen ihr Markenkern.
Ich bin gespannt, wie weit die CSU diesen braunen Pfad ebenfalls begehen wird. Schmutzige Stiefel hat sie sich schon geholt. Doch es besteht wenig Anlass zur Hoffnung. Denn das braune Gestampfe sei kein Wahlkampf:


Wer es glaubt. Die Journalisten jedenfalls nicht, denn Markus Blume erntete Lacher. Überhaupt ist er ein Spaßvogel, wie der Tweet zeigt, in dem er Ordnung ankündigt und verhindern will, dass sich das Jahr 2015 wiederhole:


Wie weit der Rechtsruck der CSU gediehen ist, zeigt ein aktueller Bericht in der AZ, nach dem der österreichische Bundeskanzler statt der deutschen Bundeskanzlerin auf der Abschlusskundgebung des Wahlkampfes auftreten solle. Kein Wunder, denn mit Kurz gibt es keinen solchen Dissens wie mit Merkel.


Das ist mindestens pikant. Ein ausländischer Politiker soll in Deutschland einen Wahlkampfauftritt absolvieren. Bei Erdogan war so ein Vorgang undenkbar, ihm oder seinen Wahlkämpfern wurde es explizit verboten. Doch was kümmert die CSU eine solche Beschränkung? Eine "[g]emeinsame Überzeugung in der Zuwanderunspolitik" rechtfertigt es jedenfalls, einen Kanzler sprechen zu lassen, der mit Rechtspopulisten (FPÖ) koaliert.
Die (Denk)Welt, in der sich die CSU befindet, hält die CSU so fest umschlungen, dass sie nicht mehr merkt, wie sehr sie auf europäischer Kultur und europäischen Werten herumtrampelt. Ich glaube nicht, dass da noch leichte Schläge auf den Hinterkopf helfen. Ein Arschtritt scheint nötig. In der Wahlkabine.

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