Mittwoch, 20. Juni 2018

Scheindebatte Asyl

Andrea Kümpfbeck hat am 20.6. in der Augsburger Allgemeinen einen Leitartikel veröffentlicht über die Asyldebatte in Deutschland und diese Debatte eingeordnet in die Gesamtheit aller Fluchtphänomene:


Andrea Kümpfbeck bezieht sich dabei auf den Bericht "Forced Displacement in 2017" des UNHCR. Sie nennt die zwei Beispiele Bangladesch und Südsudan und schreibt:
"Innerhalb weniger Wochen sind im vergangenen Herbst gut eine halbe Million Rohingya, Angehörige der muslimischen Minderheit Myanmars, vor den Gewaltexzessen in ihrer Heimat ins Nachbarland geflohen. Dort ist das größte Flüchtlingslager der Welt entstanden, mit dem das überforderte Bangladesch weitgehend alleingelassen wird."
"Jeder dritte Südsudanese ist in dem ostafrikanischen Bürgerkriegsland auf der Flucht. 2,4 Millionen Menschen sind in den Nachbarländern Uganda, Sudan und Äthiopien untergekommen, wo auch die eigene Bevölkerung immer wieder von Hungersnöten bedroht ist."
Die AfD und die CSU überbieten sich gegenseitig, wer es wohl schafft, garstiger zu Asylbewerbern und Migranten zu sein. Die Asyldebatte spalte die Politik, "sogar die Regierung [droht] daran zu zerbrechen". Während inzwischen in Deutschland die Einreisezahlen deutlich zurückgegangen sind, berichtet das UNHCR, es seien "weltweit 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Verfolgung. So viele wie nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs".
Im krassen Gegensatz zu den Fakten steht das Verhalten der Populisten, die den "Eindruck schüren", die "Flüchtlingskrisen dieser Welt" spielten sich in Europa ab. Der Bericht der UNHCR zeigt:


Die Grafik bestätigt, was Andrea Kümpfbeck schreibt: die Flüchtlingskrisen "spielen in den Entwicklungs- und Schwellenländern, die nicht die wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten europäischer Staaten haben, einer solchen Herausforderung zu begegnen".
In Anbetracht dieser Zahl werden die Sprüche von AfD und CSU, Deutschland könne nicht allen helfen, zur ekelhaften Farce. Es kommen nicht alle. Es werden nie alle kommen. Es wollen und können nicht alle kommen. Andrea Kümpfbeck schreibt:
"Nur ein Bruchteil der Geflohenen und Vertriebenen kommt überhaupt bis an unsere Grenzen, die meisten können sich die teure Reise überhaupt nicht leisten. Oder wollen nicht weg aus ihrer Heimatregion."
Das macht die Sprüche der Populisten noch ekelhafter. Allenthalben weisen die Populisten auf die Frage hin, wie sich die angeblich so armen Flüchtlinge denn die Schlepper und die Reise überhaupt leisten können. Die einfache Antwort: Es kommen nur die in Europa an, die es sich überhaupt leisten konnten. Weil sie nicht die Ärmsten der Armen waren. Weil sie gesammelt hatten. Weil sie sich prostituiert haben. Weil sie versklavt wurden.
Die gleiche Farce ist der Versuch der Populisten, durch Abschreckung - nichts anderes ist die Asyl- und Migrationspolitik der Populisten - Flucht zu unterdrücken. Es wird als "Lösung" propagiert, was keine Lösung ist:
"Denn die Mehrzahl der Flüchtlinge verlässt ihr Land eben nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Viele flüchten vor der Klimaveränderung, besonders aus den Ländern Afrikas. Weil ihre Felder vertrocknen und nicht mehr genügend abwerfen. Weil verschobene Regenzeiten die Aussaat wegschwemmen. Weil sie dadurch ihre Familie nicht mehr ernähren können. Die meisten Flüchtlinge aber verlassen ihr Land, weil dort Korruption und Ausbeutung herrschen, Chaos und Gewalt."
Ja, es sind keine Wirtschaftsflüchtlinge, wenn in der Heimat Hunger droht, weil kein Regen mehr fällt. Oder zuviel. Bei solchen Fluchtursachen kommt auch die Entwicklungshilfe oder -politik an ihre Grenzen. Dennoch:
"Entwicklungszusammenarbeit ist der richtige Ansatz. Jeder Euro, der in Bildungs- und Ausbildungsprojekte junger Menschen in Entwicklungsländern investiert wird, ist gut angelegtes Geld. Denn wer in seiner Heimat die Chance auf ein anständiges Ein- und Auskommen hat, der will und wird auch dort bleiben. Das belegt die Statistik."
Entwicklungszusammenarbeit ist etwas, wo Deutschland allein einen gewichtigen Beitrag leisten kann. Bei klimatischen Veränderungen braucht es eine gemeinsame Anstrengung der Weltgemeinschaft. Wer sich hier auf die Nation zurückzieht, wer hier glaubt, "America First" oder "Deutschland zuerst" sei eine zielführende Devise, befindet sich auf dem Holzweg. Totholz.
Die von den Populisten am Kochen gehaltene Asyldebatte ist deshalb eine scheinheilige Debatte. Es wird behauptet, (europäische) Werte würden verteidigt - die christliche Kultur, den Sozialstaat, das Geld der Steuerzahler. Dabei geht es nur um das dumpfe Gefühl, die Flüchtlinge würden etwas bekommen, was ihnen nicht zustehe, sondern der "angestammten Bevölkerung". Das Problem wird überhöht und Scheinlösungen werden angeboten. Letztendlich verlieren die Populisten das Recht, europäische Werte für sich zu beanspruchen. Sie treten sie mit Füßen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen