Freitag, 15. Juni 2018

Rechter Knall

Gregor Peter Schmitz hat in der Augsburger Allgemeinen am 15.6. den weiter anhaltenden Streit zwischen Seehofer mit seiner CSU und der Kanzlerin Merkel kommentiert:


Richtig, ein "großer Knall löst nicht alle Probleme". Und man sollte sich sicher sein, dass man ihn auslöst und nicht hat. Sonst geht es nach hinten los und es wird ein "Selbstmord aus Angst vor dem eigenen Tod".
Der Knall, das könnte ein Bruch der Union sein, ein Lossagen der CSU von der CDU. Die Vertrauensfrage. Wobei: nach den markigen Sprüchen der CSU stellt sich vielmehr die Frage, wie ein Vertrauen mit der CDU jemals wieder hergestellt werden könne. Zerrüttet ist es ohnehin bereits. Die Aussicht, tatsächlich die Koalition zu kündigen, erfolgt nicht auf dem Boden vertrauensvoller Zusammenarbeit, sondern trägt erpresserische Züge. Entweder gibt Merkel nach oder es knallt.
Gregor Peter Schmitz beschreibt die Welt, in der solche bitteren Früchte reifen:
"Von ihrer Warte sieht die Welt so aus: Die CSU ackert sich in Bayern ab, stellt eine Rekordbilanz nach der anderen auf, brennt Wahlkampf-Feuerwerke voller grandioser Vorschläge ab, bis hin zum Raumfahrtprogramm und Reiterstaffeln – doch die AfD wird in den Umfragen nicht kleiner, sondern größer. Und die Schuld darin liegt für die Anhänger dieser Denkschule in Berlin, wo Angela Merkel regiert und Horst Seehofer (der andere für die CSU-Landtagsfraktion bereitstehende Sündenbock) nicht wie erhofft durchregiert. Die AfD sei ja nicht in Bayern entstanden, sagte Ministerpräsident Söder gerade bei unserem Augsburger Allgemeine Forum, unter großem Applaus."
Sehr witzig, Herr Söder, aber reine Ablenkung. Denn in den alten Bundesländern ist die AfD in Bayern bei der letzten Bundestagswahl am erfolgreichsten gewesen und errang 12,4%. Bayern mag nicht die Geburtsstation der AfD sein, doch sie gedeiht in Bayern prächtig. Die Kurzsichtigkeit offenbart sich auch in den Erwartungen in der CSU-Welt:
"Diese Gruppe ist überzeugt: Solange die Mutter der Flüchtlingspolitik nicht weg ist, wird auch die AfD nicht verschwinden."
Das sind Vereinfachungen im Stile einer AfD, die mit #MerkelMussWeg die sozialen Medien überschwemmt. Wer so einfach denkt, denkt auch an die Endlösung aller Migrationsprobleme durch das Dichtmachen der deutschen Grenzen. Gregor Peter Schmitz dazu:
"Und schließlich: Zumindest der Glaube, dass die CSU ihrer Sorgen ledig sei, sobald Merkel abtreten muss, ist naiv."
Das Verhalten der CSU ist mehr als nur naiv. Es ist geschichtsvergessen. Der Katalysator für Merkels Grenzöffnung war im Sommer 2015 war der grausame Erstickungstod von 71 Menschen in einem luftdichten Kühllaster. Erst diese Woche wurden die hauptverdächtigen Schlepper in Ungarn zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt. Wie will die CSU trotz geschlossener Grenzen der Wiederholung solcher oder ähnlicher Fälle begegnen? Gar nicht, Hauptsache als Rumpelstilzchen die Grenzen geschlossen.
Zur Eingangs gestellten Frage, nach dem Tun oder dem Haben des Knalls muss beleuchtet werden, ob es zur Aufrechterhaltung von Recht, Rechtsstaatlichkeit und Ordnung - das sind ja die behaupteten Absichten der CSU - überhaupt zulässig ist, die Grenzen zu schließen. Die AZ hat hierzu einige Fakten und Bewertungen zusammengestellt. Ein paar Auszüge:
"Eigentlich müssen laut EU-Recht Flüchtlinge dort Asyl beantragen, wo sie als Erstes europäischen Boden betreten, sagt der Bielefelder Staatsrechtler Christopher Gusy. 'Das Problem ist, dass viele Flüchtlinge in den Ankunftsstaaten weder einen Asylantrag gestellt haben noch dort registriert wurden.' Wenn nicht eindeutig klar sei, welches das Ankunftsland ist, könne man einen Betroffenen kaum dorthin zurückschicken."
"'Die herrschende Meinung unter den deutschen Europarechtlern lautet, dass es im Regelfall rechtlich nicht zulässig ist, in einem anderen Land bereits registrierte Asylbewerber einfach an der Grenze zurückzuschicken', sagt der Staatsrechtler Walther Michl von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. 'Es ist aber umstritten, ob sich Deutschland auf eine Ausnahmeklausel der europäischen Verträge berufen kann, wenn es die innere Sicherheit oder die öffentliche Ordnung bedroht sieht', sagt der Europarechts-Experte. Allerdings sei diese Rechtsfrage kompliziert, da die Voraussetzungen umstritten seien und zudem die EU-Grundrechte-Charta gelte. Minderjährige Flüchtlinge oder solche mit engen Verwandten in Deutschland könnten in kaum einem Fall zurückgewiesen werden."
"Verfassungsrechtler Gusy sieht die Sache klar: 'Die Kanzlerin kann praktisch jede Regierungsangelegenheit zur Richtlinie machen – oder wie es heute heißt: zur Chefsache', betont er. 'Ich sag’s mal auf gut Bairisch: Der Ober sticht den Unter', sagt der Professor. "
Also: Die CSU will trotz erheblicher rechtlicher Bedenken und entgegen der herrschenden Meinung Einreisewillige an der Grenze zurückschicken. Die CSU behauptet ferner, Seehofer könne das entscheiden, weil es seine Ressortverantwortung wäre, und ignoriert dabei die Darstellung des Verfassungsrechtlers Gusy, der sicherlich keine Einzelmeinung hat. Die CSU will Recht und Ordnung herstellen, steht dabei auf rechtlich wackeligem Boden. Ist das noch Wahlkampf oder dämmert bereits eine neue Herrschaft des Unrechts herauf?
Die ganze Aktivität der CSU ist vor allem ihrer Angst vor der AfD geschuldet und dem kurzsichtigen Unterfangen, die AfD rechts überholen zu wollen. Damit ist aber auch klargestellt: Knall hat man in der CSU, einen rechten Knall. Verursachen wird sie bestenfalls eine Knallerei.

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