Dienstag, 20. Februar 2018

Mitte oder Rechtsruck?

Die Augsburger Allgemeine hat am 20.2. in der Printausgabe über eine Umfrage berichtet, nach der sich die CDU um die politische Mitte kümmern solle:


Danach "befürworten zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) einen Kurs der Mitte". Lediglich ein gutes Fünftel "(21 Prozent) aller Befragten spricht sich dafür aus, dass die Partei weiter nach rechts rücken sollte". Allerdings: "bei den AfD-Anhängern fordert eine Mehrheit (53 Prozent) einen konservativeren Kurs". Die Hannoversche Allgemeine hat ebenfalls über die Umfrage berichtet, jedoch unter dem Titel:
"Nur AfD-Anhänger wollen einen CDU-Rechtsruck"
Diese Umfrage ist ermutigend. Denn sie straft die Lügen, die - wie die CSU - glauben, zur AfD abgewanderte Wähler zurückgewinnen zu können, indem im braunen Teich gefischt wird.
Walter Roller hat in seinem Leitartikel vom 16.2. geschrieben:
"Die Kanzlerin habe die CDU inhaltlich entleert, den Platz rechts von der Union der AfD überlassen, das konservative und wirtschaftsliberale Profil vernachlässigt. Richtig daran ist, dass die Kanzlerin zahlreiche klassische Positionen der Union geräumt hat und nicht mehr klar ist, wofür die Partei eigentlich noch steht und kämpft. Wahr ist aber auch, dass die CDU ohne den Merkel’schen Modernisierungskurs und die Besetzung der breiten politischen Mitte heute noch schlechter dastünde und die Partei alles gehorsam mitgetragen hat – auch die Flüchtlingspolitik, die Hauptursache für den Vertrauensverlust von Millionen Wählern und den Aufstieg der rechten Konkurrenz."
Entleerung ist ein Begriff, den der AfD-Chef Gauland verwendet hatte, als er den Koalitionsvertrag kommentierte, worüber der beispielsweise der Merkur berichtet hatte:
"Aus Angst vor dem Mitgliederentscheid der SPD habe sich die CDU ideologisch entleert, sagte Parteichef Alexander Gauland. 'Die CDU ist sozusagen nur noch eine leere Hülle.'"
Bei solchen Anwürfen wie von Gauland oder Roller frage ich mich, welches Bild einer konservativen Partei diese Personen haben. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass dies ein Konservativismus aus der "guten alten Zeit" ist - ein Markenkern der AfD. Nur: Viele Aspekte einer solchen alten Sicht stehen heute zur Diskussion, zum Beispiel:

  • Was ist ein modernes Familienbild? Vater, Mutter, Kind oder nicht etwas anderes?
  • Was für eine Rolle spielt die religiöse Fundierung?
  • Protestantischer Arbeitsethos oder Work-Life-Balance?
  • Wehrpflicht?

Viele dieser Fragen lassen sich im Gestern beantworten, siehe AfD. Ein "moderner Konservativismus", über den ich bereits im Oktober geschrieben hatte, käme zu anderen Ergebnissen. Es zählte nicht mehr die Erscheinungsform der Familie, sondern die der Familie zugeschriebenen Werte wie Liebe, Schutz, Unterstützung etc. Das können auch zwei Frauen, zwei Männer sich gegenseitig geben. Europa mag auf christlichem Boden stehen, bei der Vielfalt der aktuellen Religionszugehörigkeiten in Deutschland ist die christliche Religion nur noch bedingt eine Richtschnur für alle. Wiederum gilt es, die dahinter stehenden Werte zu extrahieren und nicht auf der Form zu bestehen. Das Argument, die Wehrpflicht bräuchte es zur Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft, wird endgültig als argumentativer Rettungsring entlarvt.
Walter Roller hatte ich seinem Leitartikel am Ende geschrieben:
"Ob sie es bis 2021 darf [Merkel Kanzlerin sein, Anm.], das allerdings hängt von ihrer Bereitschaft ab, die Kritik aufzugreifen, frische Kräfte und Nachfolge-Kandidaten in Stellung zu bringen und den Markenkern der Union auf den zentralen Feldern der Zuwanderungs-, Europa- und Wirtschaftspolitik wieder aufzupolieren."
Mag sein, dass die CDU ihren Markenkern etwas verwässert hat und an manchen Stellen Unklarheit beim Wähler und bei Parteimitgliedern besteht. Doch "die Kritik" muss auf ihren Gehalt und ihr Gewicht geprüft werden: Lautstärke spricht nicht für Gewicht. Genauso wenig sind die Probleme so groß, wie die AfD mit ihrer Lautstärke uns glauben machen will.
Die Rettung liegt jedoch keinesfalls in einem Rechtsruck, liegt nicht in einem verstärkten zugehen auf rechte Positionen. Warum soll es nicht in einer Zeit, in der die Extreme zunehmen, eine Partei rechts der Union geben, die die sehr rechten, vielleicht sehr konservativen Ansichten bündelt? Man kann nicht den Muslimen vorwerfen, sie hingen einem mittelalterlich anmutenden Religionsverständnis nach und sich gleichzeitig weigern, das Konservative ins Heute zu transferieren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen