Montag, 4. Juni 2018

Gaulandschiss

Bernhard Junginger hat einen Debattenbeitrag geliefert zur Aussage von Alexander Gauland, Hitler und die Nazis seien nur "ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte":


Bernhard Junginger mutmaßt zu Recht, der provozierte Eklat sei kein Zufall:
"Die Rechtspopulisten brauchen dringend Aufmerksamkeit."
Wo manch zittrige AfD-Hand auf Mäusen ausrutscht, wird Alexander Gauland wissen, was er wo sagt. Denn Aufmerksamkeit ist der Treibstoff, der Populisten am Leben hält. Dabei ist der Ablauf immer gleich:
"Und so wichtig es ist, jede einzelne hetzerische Aussage als eben solche zu entlarven, der Verlauf der Auseinandersetzungen folgt längst einer vorhersehbaren Dramaturgie: Auf schmutzelnde AfD-Polemik nach dem Motto 'man wird ja wohl noch sagen dürfen...', folgt die empörte Reaktion im Rest-Parlament. Die wiederum die AfD zum Anlass nimmt, sich als unschuldiges Opfer fieser Attacken mit der 'Nazi-Keule' zu stilisieren. Man habe doch schließlich alles ganz anders gemeint..."
Trotz der Vorhersehbarkeit der Abläufe: solche Aussage solcher Populisten dürfen nicht unwidersprochen bleiben. Allerdings ist große Erregung wenig hilfreich, weil das nur die Lautstärke erhöht, den Kritiker unprofessionell erscheinen und die Kritik wirkungslos verpuffen lässt.
Abseits der Aufmerksamkeit stellt sich die Frage nach dem Zweck solcher Aussagen solcher Populisten. Bernhard Junginger schreibt:
"Galt der Jurist und Historiker noch vor kurzem als Leitfigur der enttäuschten Konservativen, verspielt er nun die allerletzten Reste des Anscheins bürgerlicher Anständigkeit, den gerade er so sorgsam gepflegt hat. Der frühere CDU-Mann und Publizist hat die AfD auf einen stramm-rechten Kurs getrimmt, die einstige Anti-Euro-Partei zu einem Sammelbecken radikaler Kräfte gemacht."
Vor diesem Hintergrund: War die Provokation wirklich nur eine Provokation? Wenn die AfD einen deutschen Patriotismus will, bei dem die Nazizeit nicht nur Schande war (schließlich seien die Autobahnen gebaut worden), dann erscheint die Provokation in einem anderen Licht. Gauland will historische Ereignisse nicht mehr an ihrem historischen Gewicht messen, sondern an ihrer Dauer. Dann wird die Nazizeit eben kleingeredet auf ein gutes Prozent des gesamten historischen Denkhorizonts. Da fügt sich der Klimawandel ein, dessen Existenz mit Beispielen einzelner Jahre und Monate überhaupt negiert wird. Da lassen sich auch Atombombenabwürfe als wenig relevant abstempeln, weil der Knall nur von sehr kurzer Dauer war.
Doch warum das Ganze? Politische Qualität im Sinne von nachhaltigen Lösungen für echte Probleme kann die AfD nicht vorweisen.
"Doch Gauland denkt über den Moment hinaus. Er weiß, dass für seine Partei, die in Sachfragen schwach aufgestellt oder – wie in der Rentenpolitik – zerstritten ist, die Fundamentalkritik an der Flüchtlingspolitik wichtigstes 'Verkaufsargument' bleibt."
Fundamentalkritik mag verlockend sein, solange es genügend Kritikpunkte gibt oder sich solche leicht beschaffen lassen und das geneigte Publikum es hören mag. Werden Probleme wirklich gelöst, wird das Publikum bald weghören:
"Dann könnte es mit den AfD-Erfolgen schnell vorbei sein – zumindest bei enttäuschten Bürgerlichen und Protestwählern aus abgehängten Regionen. Gauland bliebe nur noch der äußerste rechte Rand, an dem völkische Parolen und Geschichtsrevisionismus gedeihen. Dem biedert er sich schamlos an."
Gelänge es Gauland, tatsächlich seine Umwertung historischer Bewertungen zu realisieren, würde er nicht nur am äußersten rechten Rand erfolgreich sein können. Er könnte, wenn er sich nicht zu weit als Nazifreund geriert, für alle die interessant werden, die sich mit dem Argument, patriotisch zu sein, an der Grenze zum Nationalen entlanghangeln. Dann würde aus dem Schiss von Gauland ein großer Haufen.

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