Montag, 2. Oktober 2017

Fertig werden mit der AfD

Walter Roller hat in der Augsburger Allgemeinen am 2.10. in einem Leitartikel beschrieben, wie Deutschland mit dem Aufstieg der Rechten fertig werden könne:


Walter Roller schreibt zur Verortung Deutschlands nach der Bundestagswahl:
"Im vor 27 Jahren glücklich wiedervereinigten Deutschland ist nun passiert, was seit vielen Jahren in vielen europäischen Staaten die politische Szene maßgeblich prägt: Das Land ist ein Stück weit nach rechts gerückt, eine nationalistische Partei fortan im Bundesparlament vertreten."
Ja, Deutschland ist nach rechts gerückt und die CSU rückt fleißig mit. Deshalb ist die Einschätzung von Walter Roller richtig:
"Vor dem Hintergrund unserer Geschichte wirkt die Tatsache, dass jeder achte Wähler in die Arme einer radikalen, gegen das 'System' ankämpfenden Protestpartei geflüchtet ist, besonders beunruhigend."
Nun kann man darüber diskutieren, ob der Wahlerfolg der AfD bereits beunruhigend ist oder noch nicht und ob sich gerade in der Parlamentsarbeit Möglichkeiten bieten, der AfD die Stirn zu bieten. Walter Roller fordert deshalb zu Recht:
"Wann immer Politiker der AfD antidemokratisch und fremdenfeindlich agieren, müssen sie also auf entschiedenen Widerstand stoßen. Die Demokraten dürfen sich nicht damit abfinden, dass völkische Parolen salonfähig werden. Und sie müssen dem Druck von rechts außen auch in der Sache standhalten."
Nach diesen Sätzen und dem Aufruf zum Widerstand "in der Sache" zeigt Walter Roller Verständnis für eine Wahlentscheidung für die AfD:
"Das kulturelle Unbehagen über die Masseneinwanderung und die Angst vor einer Überforderung des Sozialstaats reichen nämlich weit in die Mitte der Gesellschaft und jener '87 Prozent' hinein. Natürlich zieht die AfD auch viele Menschen an, die sich als Verlierer empfinden und in sozialer Not sind. Aber sie ist nicht nur ein Sammelbecken der 'Abgehängten' und die meisten AfD-Wähler sind auch keine 'Nazis'. Die Wut und der Frust, die sich auch unter Millionen konservativ und national denkender Bürger aufgestaut haben, lassen sich deshalb weder mit sozialpolitischen Maßnahmen noch mit Beschimpfungen wegzaubern."
Die meisten AfD-Wähler seien keine Nazis, keine Abgehängten, auch wenn beides sich in den AfD-Wählern findet. Hier ließe sich trefflich diskutieren, wann jemand noch konservativ bzw. national-konservativ ist und wann die Grenze zum Nazi überschritten wird. In der gleichen Ausgabe der AZ findet sich eine Reportage über Bautzen, die "Stadt, in der die AfD zu Hause ist". In der Printausgabe findet sich eine Grafik mit der geografischen Verteilung der AfD-Zweitstimmen:


Es zeigen sich lokale Auffälligkeiten. Wo Walter Roller behauptet, Unbehagen und Angst reichten "weit in die Mitte der Gesellschaft" hinein, bietet er keine Erklärung für die dargestellte räumliche Verteilung. In der Reportage selbst wird die relevante Frage gestellt:
"Und weshalb wählen gerade in einer Stadt wie Bautzen, in der es kaum Migranten gibt, mehr als doppelt so viele rechts wie im Rest der Republik?"
Eine mögliche Antwort liest sich so:
"Doch ein großer Teil der Menschen in Ostdeutschland und auch in Bautzen fühlte sich abgehängt. 'Mit der Arbeitslosigkeit kam das große Erwachen', sagt Kämpfe: 'Das Nicht-gebraucht-Werden hat viele kaputt gemacht.' Der 74-Jährige spricht von 'Abzockern', die aus dem Westen kamen und einen Betrieb nach dem anderen in die Insolvenz führten."
Der Intendant des Volkstheaters wird zitiert:
"Er sagt: 'Vielen Menschen hier fehlt die Empathie.'"
Sich abgehängt fühlen und fehlende Empathie lassen sich gut mit dem in Einklang bringen, was die AfD als Vorgehensweisen zeigt:
  • Verachtung der Eliten
    Helmut Kohl versprach blühende Landschaften. Es blühte alles mögliche, aber keine Landschaften. Und es dauerte Jahre über Jahre, bis sich überhaupt die ersten zarten Pflänzchen zeigten.
  • Benachteiligung
    Die neuen Bundesländer haben noch immer eine höhere Arbeitslosigkeit, geringere Renten, geringere Löhne, geringere Wirtschaftskraft. Auch wenn sich dies erklären lässt, fühlt es sich für die Betroffenen als Benachteiligung an. Hinzu kommt - was auch die Reportage zeigt - ein Wegfall und eine Entwertung von Berufsausbildungen, Fertigkeiten und Kenntnissen.
  • Lügenpresse
    Die Presse berichtet über abnehmende Arbeitslosenzahlen, zunehmende Gehälter, Wirtschaftsaufschwung. Wen dies nicht erreicht, vermutet nicht unbegründet Lügen.
Die AfD benennt auch Schuldige und macht sie in den Ausländern, den Migranten und Asylbewerbern aus. Dazu:
"Die Rechten, erzählt Wiegel, versuchen den öffentlichen Raum in der Stadt einzunehmen. Sie seien gut organisiert und präsent."
Die Präsenz und die Organisation zeigen Erfolge:
"'Es gibt hier eine breite Akzeptanz für Rechte.' Doch die gebe es nicht nur in Bautzen. Der ganze Osten habe ein großes Problem mit Rechtsextremen. Und das seien nicht nur die Abgehängten, sondern eben auch Akademiker und einflussreiche Geschäftsmänner."
Und auch Walter Roller geht der AfD auf den braunen Leim, weil er der AfD in Problembeschreibung und -behebung folgt:
"Merkels eigentlicher Fehler bestand darin, bei allem humanitären Engagement die Sorgen und Nöte vieler Deutscher nicht ausreichend zur Kenntnis genommen zu haben. Nun kommt es darauf an, die Gesellschaft wieder zusammenzuführen und zu zeigen, dass der Staat die Kontrolle über die Zuwanderung zurückgewinnen will."
Er folgt der AfD beim "Lösungsvorschlag", mit der "Kontrolle über die Zuwanderung" sei eitel Sonnenschein hergestellt. Das ist ein Irrtum.
Wenn in Ostdeutschland die Arbeitslosenquote höher ist als im Westen, müssen dort Arbeitsplätze entstehen. Dafür müssen dort qualifizierte Arbeitskräfte vorhanden sein und bleiben; schlechte Aussichten hierfür, wenn die Arbeitskräfte in den Westen abgeworben werden. Rentner brauchen eine auskömmliche Rentenhöhe und eine verständliche Erklärung für etwaige Unterschiede zu westdeutschen Renten. Das alles hat nichts mit Ausländern zu tun. Alle Maßnahmen, die auf Ausländer zielen, sind bestenfalls ein Placebo.
Für die südlichen alten Bundesländer funktioniert eine solche Argumentation natürlich nicht, weil sie die wirtschaftlich stärksten Regionen in Deutschland sind. Hier mag es daran gelegen haben, dass die CSU lautstark der AfD in Ursachenanalyse und "Lösung" folgte. Es mag daran gelegen haben, dass die meisten Asylbewerber hier zu erst deutschen Boden betraten.
Wenn Walter Roller fordert, die Politik müsse Sorgen, Nöte und Ängste ernst nehmen, rufe ich ihm zu: "Dann tun Sie es doch!" Er tut es nicht, weil er den Empfindungen nicht auf den Grund geht, weil er sich mit einer oberflächlichen Analyse begnügt, weil er Scheinlösungen als "Lösung" propagiert. Das ist um so verwunderlicher, als er selbst schreibt:
"Erstens eine klare Abgrenzung in der Sache und eine harte, mit selbstbewusster Gelassenheit geführte Konfrontation. Und zweitens eine Politik, die Probleme anpackt und zu lösen versucht. Bei beidem besteht gewaltiger Nachholbedarf."
Ein Rechtsruck in Deutschland kann und wird nicht die Lösung sein, das ist Bezirksliga. Damit wird Deutschland nicht mit der AfD fertig. Da kann Deutschland gleich die Hände in den Schoß legen und auf die Selbstzerfleischung der AfD hoffen.
Das Schlusswort gebührt Christian Kämpfe und ich richte es an alle diejenigen, die sich auf die christlich-abendländischen Werte in Europa und Deutschland so viel einbilden und insbesondere an die CSU, die dieses Wertegerüst wie eine Fahne vor sich herträgt, solange es um Bayern geht:
"Ein Christ kann doch nicht fremdenfeindlich sein"

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