Samstag, 16. September 2017

Seehofers Unklartext

Die Augsburger Allgemeine hat am 15.9. ein Interview mit dem CSU-Chef Horst Seehofer veröffentlicht:


Horst Seehofer meint zum Erfolg der AfD in Umfragen und dem erwartbaren Abschneiden in der Bundestagswahl:
"Die Themen, die die Menschen am meisten umtreiben, sind wieder richtig da. Die Fragen der Sicherheit und der Zuwanderung lagen nur einige Monate irgendwo im Schlummerkasten."
Deshalb sei die Position der CSU klar:
"Die Menschen wollen klare Aussagen, klare Positionen. Gruppierungen wie die AfD kleinzuhalten, ist nicht dadurch zu erreichen, dass man ständig über sie spricht. Man hält sie nur klein, wenn man in den entscheidenden Bereichen Klartext redet und den Menschen Antworten auf ihre Fragen gibt. Das ist unser Ansatz."
Ja, dafür ist der Wahlkampf da. Den Wählern soll aufgezeigt werden, welche Politik mit welcher Partei kommen soll. Welche Politik tatsächlich realisiert wird, hängt maßgeblich von den Mehrheitsverhältnissen ab, von Koalitionen. Solange keine Partei alleine regieren kann, wird sich die Regierungspolitik als Mischung der Wahlprogramme der beteiligten Parteien präsentieren.
Die CSU hat sich #Klartext auf die Fahnen in den sozialen Medien geschrieben für den Wahlkampf 2017. Dabei ist sie so klar, dass sie ein gemeinsames Wahlprogramm mit der CDU geboren und als eine Art teuflische Nachgeburt den Bayernplan hervorgebracht hat. Die CSU macht Wahlkampf mit und für Angela Merkel, die keine Obergrenze will. Die CSU macht ein Wahlprogramm ohne Obergrenze und behauptet, mit Merkel regieren zu wollen. Die CSU erweckt dabei den Eindruck, als sei das bereits festgelegt: wenn sich eine Regierungsmehrheit für die Union findet, wird die Union gemeinsam regieren. Doch dann:
"Und wenn es so ist, dass wir weiter regieren, dann sage ich hier und heute: Wir garantieren die Obergrenze."
Soviel zur Klarheit: Erst die Behauptung, ohne Obergrenze keine Koalition, dann gemeinsames Wahlprogramm ohne Obergrenze, dann wieder Regierungsbeteiligung nur mit Obergrenze. Das ist kein klarer Kurs, kein Klartext. Das ist mäandrierender Unklartext.
Horst Seehofer macht zwei Einschätzungen:
"Ich erwarte die schwierigsten Koalitionsverhandlungen seit langem – wenn es überhaupt dazu kommt."
"Wir garantieren die Obergrenze. Sie ist praktikabel, verfassungsfest und notwendig."
Die CSU bisher keine Belege angeführt, dass die Obergrenze "verfassungsfest" sein. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle, meint, eine Obergrenze sei unzulässig, weil der individuelle Schutzanspruch des Asyls nicht begrenzbar sei. Lediglich bei der "normalen Zuwanderung" sei eine Obergrenze politisch machbar. Doch Horst Seehofer ignoriert bei seinen Ausführungen zur Obergrenze den Unterschied zwischen Zuwanderung und Asyl. Das hat seit Monaten Methode, bei ihm und in der CSU überhaupt.
Horst Seehofer widerspricht sich selbst, wenn er klare Worte fordert. Auf die Frage, die die CSU in Koalitionsverhandlungen ihre Positionen durchsetzen will, sagt er:
"Lassen Sie das mal meine Sorge sein. Ich weiß, wie das geht. Es gibt keinen günstigeren Zeitpunkt zur Durchsetzung von Positionen als die Zeit zwischen einer Bundestagswahl und der Wahl eines Kanzlers beziehungsweise einer Kanzlerin. Das ist der Zeitraum von Verhandlungen und des Interessensausgleichs zwischen Parteien."
Statt Klartext der Hinweis, er wisse es. Das muss reichen zur Klarheit. Dann gibt er einen Ausblick auf das Gezänk, das kommen wird zwischen der "Bundestagswahl und der Wahl [...] einer Kanzlerin". Da wird suppengekaspert werden wie in 2017, bevor Horst Seehofer aus Gründen der Geschlossenheit der Unionsparteien für den Wahlkampf die obergrenzwertige Kraftmeierei (vorübergehend, offensichtlich) einstellte. Ich nannte das im Februar "Fake-Frieden". Horst Seehofer tritt in dem Interview nun den Beweis an.
Neben viel Klartext stellt Horst Seehofer klar:
"Wenn wir sagen, das Jahr 2015 soll sich nicht wiederholen, dann dürfen wir nicht offen lassen, mit welchen Instrumenten wir das sicherstellen können."
Ich bin mir sehr sicher, dafür wird die Physik sorgen. Eine Wiederholung des Jahres 2015 halte ich für ausgeschlossen. Ohne Mitwirkung der CSU. Was sich jedoch wiederholen wird, sind Sprüche knapp über dem Stammtisch, in Sichtweite zur AfD. Wo Horst Seehofer beansprucht, mit Klartext "den Menschen Antworten auf ihre Fragen" zu geben, setzt er auf Antworten, bei denen für manche die AfD die Urheberschaft beanspruchen wird. Seehofer bleibt sogar unklar bei der einfachen Frage, was beim 200.001ten (Asylbewerber oder Zuwanderer?) geschehen werde. Im Bayernplan steht die Obergrenze und der Familiennachzug in unterschiedlichen Abschnitten auf Seite 16 der oben verlinkten PDF. Im Interview sagt er zur Interpretation des Plans:
"Wir definieren die Obergrenze von 200.000 einschließlich des berechtigten Familiennachzugs."
Bei soviel Klartext wird mir langsam unklar, wie klar das alles ist. Oder war es umgekehrt: klar, wie unklar das alles ist? Suppen-Kaspar jedenfalls ist am Ende verhungert.

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