Sonntag, 7. August 2016

Stimmungsbilder

Die Augsburger Allgemeine hat am 6.8. einen Artikel veröffentlicht, in dem über den Streit in der Union über den Kurs zur Flüchtlingspolitik berichtet wird:


Karl-Georg Wellmann kritisiert das Festhalten am "Wir schaffen das" und zeigt gleichzeitig, was alles geschafft wurde und woran gearbeitet wird in einem Flyer. Wolfgang Bosbach beteiligt sich mit der Analyse, immer mehr Menschen machten sich Sorgen, ob geschafft werden kann, was geschafft werden müsste und schlägt selbst vor, in Europa die Verweigerer der Flüchtlingsaufnahme finanziell zu belasten. Peter Ramsauer behauptet gar, viele empfänden das Festhalten als Provokation. Der Vorwurf der Sturheit wird wiederholt gemacht.
Stur ist sie jedoch nur in den Augen derer, die inhaltlich anderer Meinung sind. Standfestigkeit, die Kurt Kister als Alternative anbietet,  ist in der Wirkung gleich, jedoch ungleich positiver konnotiert. Standfestigkeit ist eine Eigenschaft, die notwendig ist, um verantwortlich Politik treiben zu können. Wer wie Andreas Scheuer seine Bestätigung in Umfragewerten sieht, läuft Gefahr, seine eigene Fundierung zu verlieren. Wie oft hat die CSU bereits mit der CDU gesprochen, um die Flüchtlingsthematik nicht zu Spaltpilz werden zu lassen? Und wie oft war der Burgfrieden über Bord geworfen worden, sobald sich ein vermeintlicher Anlass gefunden hat?
Der Artikel zeigt die Gefahr gut. Einerseits steigt die Zahl derer, die Merkels Flüchtlingspolitik ablehnen und stärkere nationale Alleingänge fordern, wenn die EU sich nicht zusammen finden kann. Sie entfernen sich damit von europäischen Idealen wie der Hilfe für Bedürftige, dem Gemeinsinn, der unbedingten Achtung von Menschenrechten. Andererseits halten sie europäische Ideale hoch, wenn sie eine bestimmtere Haltung gegenüber Erdogan fordern und hierfür sogar das Flüchtlingsabkommen mit Ankara aufgeben wollen. Und dann? Soll dann wieder mit Erdogan gesprochen werden, damit er erneut die Grenzen schließt? Ewig grüßt das Murmeltier.
Natürlich ist es notwendig, dass eine Politik von den Bürgern unterstützt wird. Bei Wahlen kann ein Politikversprechen unterstützt und bei Nichterfüllung bei der nächsten Wahl sanktioniert werden. Wer wie Andreas Scheuer stark auf Umfragewerte schielt, wird nur solange erfolgreich sein, bis jemand die Tastatur des Volkes virtuoser spielt. Donald Trump greift die Ängste vor Wohlstands- und Arbeitsplatzverlust bestimmter Personenkreise auf. Als Kämpfer für diese Personenkreise gegen das Establishment muss er nicht einmal fürchten, wegen irrlichternder Äußerungen Zuspruch zu verlieren, weil er diese Irrlichter als Leuchtturm darstellen kann. Erdogan greift eine Art Minderwertigkeitskomplexe auf, wenn er den wahren Türken wieder zu dem ihnen zustehenden Ansehen verhilft. Dass er dabei großzügig mit den Grundsätzen der türkischen Verfassung umgeht, wird ignoriert.
Politik muss sich an grundlegenden Prinzipien orientieren. Solche Prinzipien sind beispielsweise im Grundgesetz beschrieben oder über Verträge geregelt. Diese Prinzipien sind unbedingt zu verteidigen, sie sind nicht beliebige Manövriermasse. Es ist ein Unding, wenn Erdogan die Verfassung ändern will, um seine Machtfantasien zu realisieren. Es ist ein Unding, wenn die CSU außerhalb des von Verfassung und Verfassungsgericht definierten Rahmens einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren wollen. Es ist ein Unding, wenn verfassungsrechtlich und rechtsstaatlich bedenkliche Maßnahmen wie die Nichtannahme von Asylanträgen gefordert werden. Wer seine Politik standfest auf grundlegenden Prinzipien aufbaut, kann gelassen den Vorwurf der Sturheit und der Provokation ignorieren.

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