Donnerstag, 11. August 2016

Von Hinz und Kunz

Die Augsburger Allgemeine veröffentlicht am 11.8. einen Artikel über Petra Hinz:


Petra Hinz hat ihren Lebenslauf geschönt und Ausbildungen behauptet, die sie nie durchlaufen hat. Allerorten ist der Aufschrei groß und die Empörung bricht sich Bahn. Der Rücktritt wird gefordert, Diätenmitnahme unterstellt. Manche versteigen sich, wie Petra Hinz im Interview mit der WZ berichtet:
"Aber was ich in den letzten zwei Wochen erleben musste, erschreckt mich sehr. Es gab sogar Morddrohungen, eine Collage einer Prostituierten."
Wähler können sich getäuscht fühlen, ja. Aber das geht viel zu weit. In all dem stellen sich mir jedoch ganz andere Fragen als die, was Petra Hinz nun tun sollte.


Frage der Formalqualifikation

Petra Hinz hat ihren Lebenslauf manipuliert. Es sei dahin gestellt, ob es nur der selbstgeschriebene Lebenslauf war oder ob tatsächlich Zeugnisse gefälscht wurden. Die Frage ist, warum Frau Hinz glaubte, für die politische Arbeit diese Formalqualifikationen zu brauchen und warum ihre langjährigen Begleiter nie Zweifel hatten. Sie musste ja von Parteigremien etc. nominiert werden, um überhaupt die Chance auf Wählbarkeit zu bekommen.
Auf die Frage, warum sie gelogen und die Manipulation nie korrigiert hat, sagt sie:
"Ich kann das nicht mehr nachvollziehen. Die Lüge war da, aber gleichzeitig so weit weg."
Über die Gründe ließe sich trefflich spekulieren, nur das führt zu nichts. Offensichtlich war die behauptete Qualifikation für ihre politische Arbeit nicht notwendig:
"Die vielen Jahre in der Ratsarbeit waren für mich Lehrjahre, ich habe Kommunalpolitik von der Pike auf gelernt. Die Jahre im Bundestag waren mein Gesellenstück."
Ihre Unterstützer in all den Jahren haben nichts gemerkt, hatten keinen Zweifel an Petra Hinz' Fähigkeiten. Konnten oder wollten sie nicht die Formalqualifikation prüfen? Mit welcher Qualifikation sind die Unterstützer ausgestattet, um die Qualifikation der Unterstützten zu prüfen, wenn sie bei der Prüfung so versagt haben?
Wenn weder die Formalqualifikation für die politische Arbeit notwendig war noch die Qualifikation ausreichend geprüft wurde, drängt sich die Frage auf, was die große Empörung auslöst? Einen möglichen Grund nennt Petra Hinz selbst:
"Ich störe natürlich. Im nächsten Jahr sind Landtagswahlen. Es geht darum, mich so schnell wie möglich von der Bildfläche verschwinden zu lassen."


Frage der Realqualifikation

Nachdem die Formalqualifikation kaum als notwendige Voraussetzung für gute politische Arbeit gesehen werden kann, stellt sich die Frage, was tatsächlich qualifiziert. Petra Hinz bleibt vage:
"Das, wofür ich gewählt wurde, habe ich mit viel Einsatz und meist gut gemacht."
Das ist wohl richtig, schließlich wurde sie über Jahre hinweg in verschiedene Ämter gewählt. Sie hat die richtigen Themen aufgegriffen, richtige Entscheidungen getroffen oder unterstützt und die Wähler von sich überzeugt. Ist es nicht das, was allenthalben von Politikern gefordert wird? Sie werden kritisiert, dass sie nicht die richtigen und wichtigen Themen anpacken und dass sie nicht entschlossen genug handeln würden. Kein Politiker wurde je dafür kritisiert, dass er kein Studium absolviert hätte - außer er behauptet es fälschlicherweise.


Frage der Schlussfolgerungen

Das Beispiel Petra Hinz zeigt uns, dass manche Formalqualifikationen für politische Arbeit tatsächlich entbehrlich sind und bestimmte Realqualifikationen wichtig. Um so unverständlicher, warum eine behauptete Formalqualifikation solche Wellen auslöst. Das Fehlen an sich kann es nicht sein. Vielleicht Enttäuschung darüber, dass Unterstützer und Wähler auf eine Hochstapelei hereingefallen sind, dass sie so lange Zeit "belogen" werden konnten, ohne je echt nachgefragt zu haben? Eine solch emotionale Komponente ist ein schlechter Ratgeber. Bei einem Richter wäre Befangenheit zu prüfen.
Letztendlich berührt der Fall die Frage, was einen guten Politiker ausmacht. Hat es ein Wolfgang Bosbach, der zu allen Themen etwas sagt? Hat es ein Björn Höcke mit seinem fragwürdigen Vokabular? Hat es Angela Merkel mit ihrer Zurückhaltung? Sind es stromlinienförmige Leute, die viel Zustimmung bekommen oder die mit Ecken und Kanten? Oder mal so und mal so? Es wäre schön, wenn die lautesten Rufer nach Konsequenzen für und wegen Petra Hinz ihre Motive offenlegten und sich nicht hinter einer Empörungsfassade versteckten. Der AZ-Artikel zitiert den Kommunikationswissenschaftler Christoph Bieber:
"Nach allem, was wir aus der politischen Skandalforschung wissen, wäre eine ausführliche öffentliche Entschuldigung die bessere Variante gewesen."
Offenbar gibt sich die Öffentlichkeit oft mit Fassaden zufrieden.

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