Mittwoch, 27. Juli 2016

Demokratie trotz Hysterie

Die Augsburger Allgemeine berichtet am 27.07. über die Klausurtagung der CSU in St. Quirin:



Die AZ schreibt:
"So soll auf der einen Seite deutlich mehr Geld für zusätzliches Personal und eine bessere Sicherheitsausstattung der Polizei bereitgestellt werden."
Der Bayerische Rundfunk konkretisiert:
"Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte bereits deutlich mehr Personal. So sollen neben den 300 neuen Polizeistellen, die nach den Anschlägen in Paris beschlossen wurden, noch einmal mehrere Hundert hinzukommen. Die Rede ist von mindestens 500 zusätzlichen Polizei- und 2.000 neuen Ausbildungsstellen. Auch der Verfassungsschutz soll aufgestockt werden. Der Innenminister forderte außerdem mehr Schutzkleidung mit ballistischen Helmen und einer Panzerung, die auch Maschinengewehren standhält, sowie Panzerfahrzeuge."
Es ist richtig, die Sicherheitsbehörden ausreichend zu dimensionieren und ihnen auch die notwendige Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Wenn mit schwer bewaffneten Aggressoren zu rechnen ist, ist eine martialisch anmutende Ausrüstung notwendig. Andererseits: Sind das nicht die Polizeistellen, die vor Jahren von der CSU eingespart wurden?
Nach dem Amoklauf in München hat Bundesinnenminister de Maizière zu "Achtsamkeit und Besonnenheit aufgerufen", wie beispielsweise Wallstreet:online berichtet. Gegen diesen richtigen Aufruf richtet sich Seehofer, wie die AZ schreibt:
"Besonnenheit und Ruhe seien in schwierigen Situationen zwar wichtig. 'Mit Zuversicht allein stellen sie aber den inneren Frieden nicht her', warnte er. 'Die Menschen sind aufgewühlt und brauchen eine befriedigende Antwort der Politik.'"
Aus der CSU kommen weiterreichende Forderungen:
"Dabei dürfe auch 'eine Abschiebung in Krisengebiete kein Tabu sein', findet Herrmann. 'Es ist den Menschen nicht zuzumuten, mit ihren Steuergeldern solchen Straftätern den Aufenthalt zu finanzieren.'"
"Justizminister Bausback verlangte vom Bund zudem eine Verlängerung der Vorratsdatenspeicherung sowie eine verschärfte Verfolgung islamistischer Propaganda im Internet. Grundsätzlich müsse Kriminalität im Internet härter verfolgt werden, findet Bausback."
"Herrmann erneuerte auch die Forderung, unklare Identitäten von Flüchtlingen so schnell wie möglich zu klären. Er bekräftigte zudem seine Forderung, die Identität von Flüchtlingen künftig bereits an der Grenze festzustellen. Es sei schließlich geltendes Recht, dass der Asylbewerber seine Identität nachzuweisen habe, und nicht der Staat, erregte sich der Politiker. 'Wenn die Identität unklar bleibt, dann gibt es kein Asylrecht.'"
Als ob das Recht auf Asyl von der Vorlage eines Passes abhängig wäre. §13 III AslyG macht explizit eine Aussage zu Ausländern ohne erforderliche Einreisepapiere und wie sie Asyl beantragen können. Wo Handeln behauptet wird, wird an den Symptomen geschraubt. Abschiebedrohung für Selbstmordattentäter? Das bringt echt was. Islamistische Propaganda verfolgen? Ja, sicher, aber nur mit Löscherei von Videos ist man immer langsamer als die Veröffentlicher. Warum fordert die CSU nicht etwas, um Menschen im Selbstwert zu stabilisieren, damit sie nicht so anfällig sind für die Propaganda? Da klingt der Härte-Modus durch, der keine echte Lösung ist. Und leicht schimmert durch, was die Zeit als Zitat von Victor Orbán bringt:
"Jeder einzelne Migrant stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und ein Terrorrisiko dar."
Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung gerät in Gefahr, was als demokratische Kultur hochgehalten werden sollte. Wenn Seehofer auf das Volk hört und seine Forderungen stellt, ist das demokratisch. Wenn Erdogan die Todesstrafe einführen will, weil es das Volk so wolle, ist es diktatorisch. Orban wähnt sich demokratisch, wenn er im Oktober fragen lässt:
"Wollen Sie, dass die Europäische Union ohne die Zustimmung des ungarischen Parlaments eine verpflichtende Ansiedlung nicht ungarischer Staatsbürger in Ungarn anordnen kann?"
Es wird Zeit, eine Debatte zu führen, was die demokratischen Werte sind, auf die die Europäer und die Deutschen so stolz sind. Nicht abstrakt, sondern genau. Wir halten das Demonstrationsrecht hoch und für eine notwendige Voraussetzung für Demokratie. Andreas Scheuer hingegen sagt im Spiegel Online zu den Pro-Erdogan-Demos:
"'Türkische Innenpolitik hat auf deutschem Boden nichts zu suchen', sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer SPIEGEL ONLINE. 'Wer sich in der türkischen Innenpolitik engagieren will, kann gerne unser Land verlassen und zurück in die Türkei gehen.'"
Will er nur die Demos zulassen, die seiner Geisteshaltung zusprechen? Ein waschechter Demokrat. Warum ist er nicht gegen Demos, die sich beispielsweise gegen den Umgang der chinesischen Regierung mit Menschenrechtlern wenden? Das ist auch Innenpolitik. Widersprüchlich. Was genau sind die demokratischen Werte, auf die Europa stolz ist?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen