Donnerstag, 28. Januar 2016

Walter Roller sieht Seehofer stark

Walter Roller hat einen Leitartikel veröffentlicht, in dem er Kanzlerin Merkel am längeren Hebel sitzen sieht:


Er schreibt, Seehofer erhöhe den Druck, müsste die Koalition der Konsequenz und Glaubwürdigkeit halber verlassen, wolle aber nicht wirklich zubeißen. Er glaubt, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik bald aufgebraucht sei, wenn nicht "flankierende nationale Maßnahmen" ergriffen würden. Letztendlich wähnt er die Festigkeit der Merkelschen Haltung - manche sagen: Sturheit - als Ursache für den Vertrauensverlust.
Ich glaube, es ist anders herum. Es ist nicht die wirksame Lösung, die Seehofer vor sich her trägt. Werden die deutschen Grenzen dicht gemacht, werden sich die Menschen in anderen Ländern stauen. Ganz nach Plan rückwärts von Österreich, über den Balkan bis nach Griechenland. Und dann? Horst Seehofer macht einfach die Augen zu und hält die Luft an. Sollen das doch die Griechen lösen, die sollen ja eh aus dem Euro, aus Schengen, aus der EU. Weg aus dem abendländischen Kulturkreis, weil sie nur Probleme machen. Die von Walter Roller umrissene Politikkrise ist ein Widerstreit der Angebote zur Problemlösung: Funktioniert eine lokale Lösung (Seehofer) oder braucht es eine große (Merkel)?
Eine kleine Lösung wird nicht funktionieren, dafür ist die Aufgabe zu groß, die Wechselbeziehungen zu komplex und viele Faktoren schlichtweg kaum beherrschbar. Das Interview von Tuesday Reitano zeigt dies ganz deutlich, zu lukrativ das Schleppergeschäft, zu findig die Teilnehmer am Spiel. Es würde mich wundern, wenn es Horst Seehofer am Intellekt ermangelte, die Weite des Problems zu verstehen. Er handelt als Bayerns starker Mann, der im Bierzelt gegen die Blasmusik anreden muss. Darum braucht er laute Töne. Darum stampft er ordentlich auf, stellt Ultimaten und schreibt Briefe. Er erhöht nicht den Druck auf Merkel. Er tut nur so, als würde er den Druck erhöhen. Er trifft Vereinbarungen mit Merkel, nur um am nächsten Tag weiter zu bohren. Als lästige Fliege umkreist er diejenigen, die an der großen Lösung arbeiten. Er sichert seine rechte Flanke gegen die AFD. Er versucht, Lösungsqualität à la AFD als tragfähige Lösung zu verkaufen. Er biedert sich bei potentiellen AFD-Wählern an, während er sich gleichzeitig von der AFD zu distanzieren sucht, um nicht zu rechts zu wirken.
Fast möchte ich Mitleid haben. Ein Ministerpräsident, den außerhalb Bayerns keiner braucht, weil in Berlin ohne CSU regiert werden kann. Stammwähler, die mit den Freien Wählern und der AFD durchaus Alternativen haben. Wie ein kleines Kind im Sandkasten, die anderen Kinder außerhalb spielen Verstecken und Fangen, aber nicht mit Horst. Er möchte mitspielen, aber seine Sandkiste nicht verlassen, die seine Welt ist. Dafür ruft er Mutti, die solle dafür sorgen, dass er mitspielen darf. In seinen Sandkasten lässt er dennoch niemand. Mitleid ist fehl am Platze. Ich höre mich auf den Spielplatz rufen: "Werd' erwachsen, Horst. Hör auf zu quängeln, sei konstruktiv. Dann darfst Du bei den Großen mitspielen, dann wirst Du ernst genommen."


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