Sonntag, 17. Januar 2016

Walter Roller riskiert Vertrauen

Walter Roller schreibt in der Augsburger Allgemeinen über das Vertrauen der Bürger in die Kanzlerin:


Wo Walter Roller Klärung verspricht, schafft er Verwirrung. Seine sprachliche Verwirrung beginnt mit der Vokabel "Einwanderung", obwohl der die Ankunft von Flüchtlingen meint. Folgt man der Definition auf Wikipedia, sind Einwanderer Personen, die ihren bisherigen Wohnort verlassen, um sie dauerhaft oder für längere Zeit wo anders nieder zu lassen. Bevor Walter Roller seine negative Grundhaltung artikuliert, sollte er die Motivlage der Einwanderer bedenken - ein notwendiger Aspekt in einem Rechtsstaat zur angemessenen Würdigung einer Tat, auch und insbesondere bei Straftaten. Wer wegen der schönen Landschaft in Deutschland leben will, muss damit rechnen, andere Voraussetzungen erfüllen zu müssen wie jemand, der um sein Leben rennt. Solche Feinheiten sind Walter Rollers Sache nicht.
Weiter Verwirrung stiftet er, wenn er schreibt:
"Das Volk wurde nicht befragt, ob es binnen kurzem so viele Menschen aus dem islamischen Kulturkreis aufnehmen will. [...] In einer repräsentativen Demokratie haben die gewählten Volksvertreter das Sagen."
Was soll das anklagende Das-Volk-werde-nicht-gefragt, wenn er zwei Sätze weiter schreibt, dass das ohnehin nicht relevant sei in einer repräsentativen Demokratie? Er bewegt sich so in eine beachtliche Nähe zu AFD und anderen selbsternannten Volksverstehern.
Die Verwirrung setzt sich fort:
"Die Entscheidung darüber, ob in großem Stil Einwanderung stattfinden soll und das geltende Recht (wie das Verbot der Einreise ohne Aufenthaltstitel oder Pass) außer Kraft gesetzt wird, obliegt dem Parlament. Die Öffnung der Grenzen und der Zustrom von über einer Million Flüchtlingen sind jedoch ohne ausdrückliche, sorgfältig diskutierte Beschlüsse des Bundestags erfolgt. Dieses demokratische Defizit ..."
Es gibt keine Entscheidung - auch keine Kanzlerentscheidung - das Recht außer Kraft zu setzen und auf Grenzkontrollen zu verzichten. Es gibt keine Entscheidung, eine Million Einwanderer ins Land zu holen. Es gibt eine Kanzlerentscheidung in einer konkreten Situation, in Europa gestrandete Flüchtlinge aufzunehmen. Diese konkrete Entscheidung hat sich quasi verselbständigt und zur Million Flüchtlinge geführt. Worüber hätte also im Bundestag debattiert werden sollen? Ob die paar tausend Gestrandeten nach Deutschland kommen dürfen? Ich behaupte, die Antwort wäre "Ja" gewesen. Der weitere Verlauf wäre dadurch nicht geändert worden. Vielleicht war diese Kanzler-Entscheidung von der grundgesetzlichen Richtlinienkompetenz des Kanzlers gedeckt, nach der "Bundeskanzler [...] die Richtlinien der Politik" bestimmt. Dazu sagt Walter Roller leider nichts. Er verweist lieber auf den Verfassungsrechtler Michael Bertrams, ehemals Präsident des Verfassungsgerichtshofes NRW. Andere Juristen wie der von Bayern beauftragte Udo Di Fabio stoßen in das gleiche Horn mit ihrer Kritik an der Kanzlerin. Letzterer wird sogar geadelt:
"... denn die Erkenntnisse darin sind nicht neu: es sind Forderungen, die die AfD seit mehr als einem Jahr erhebt ..."
Das schreibt Frauke Petry zu dem Gutachten von Udo Di Fabio in einer Pressemitteilung am 12.01.2016. Walter Roller versucht sich nach der inhaltlichen Nähe wieder in Abgrenzung:
"Ist es da ein Wunder, dass die Politik weiter an Vertrauen in ihre Rechtstreue und Handlungsfähigkeit einbüßt und die schlichten Parolen von Rechtspopulisten zunehmend Gehör finden - bis hinein in die breite demokratische Mitte?"
Nein, das wundert mich nicht. Allerdings weniger weil die Rechtspopulisten richtig liegen mit ihren Äußerungen, sondern weil Leitartikel wie dieser die Position der Rechten weniger abseitig erscheinen lassen, als sie es sind.

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