Donnerstag, 4. Juni 2015

Richard Stanke und seine andere Steuerrechnung

Richard Stanke hat Ende Mai einen Leserbrief in der Augsburger Allgemeinen veröffentlicht:
Darin stellt er Überlegungen an, wer wie viel Steuern zahlt und mutmaßt, dass es "für die nächste Luxusjacht [...] schon noch reichen" wird. Ich werde aus seinen Ausführungen nicht wirklich schlau. Sie verwirren mich. Deshalb versuche ich, mit Hilfe des Statistischen Jahrbuches ein wenig Licht in das Dunkel zu bringen.

10% der Deutschen bringen 80% der Einkommensteuer?

Das Statistische Jahrbuch listet auf, wie viele Steuerpflichtige in welchen Einkommensklassen wie viel Steuern bezahlen:
Übersicht Einkommensteuer und Steuerpflichtige
Um 80% des Einkommensteueraufkommens zu errechnen, summiere ich die letzte Spalte der Tabelle. Diese gibt Auskunft über die festgesetzte Einkommensteuer. Da behauptet wird, die reichsten würden diese 80% erbringen, summiere ich von unten. Mit sieben Zeilen von unten komme ich auf 73% und circa auf die geforderte Größenordnung. Die 80%-Grenze liegt in der Einkommensklasse 25.000 bis 50.000€. Summiere ich über die gleichen Zeilen die Anteile der Steuerpflichtigen - die dritte Spalte von rechts - ergeben sich 28,9%. Damit zeigt sich, dass sich 80% der Einkommensteuer von etwa 30% der Steuerpflichtigen bezahlt wird.
Herr Stanke spricht nicht von Steuerpflichtigen, sondern von "Deutschen". Meint er Bewohner? Meint er Staatsangehörige? Jedenfalls erscheint seine Behauptung zweifelhaft.

Höchste Steuereinnahmen durch einkommensunabhängige Steuern?

Bei dieser Frage hilft auch das Jahrbuch:
Die Lohn- und Einkommensteuer erbringen zusammen etwa 30% des Steueraufkommens. Der Rest fällt auf andere Steuerarten wie Umsatzsteuer, Versicherungssteuer etc. An dieser Stelle hat Herr Stanke Recht.

Sogenannte Reiche zahlen prozentual weniger als Otto Normalverdiener?

Hier schreibt Herr Stanke: "Die höchsten Einnahmen erzielt der Staat genau mit diesen Steuern, also Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer etc. Trotz der 80% Anteil an der Einkommensteuer zahlen diese Leute prozentual immer noch weniger (bedingt durch Steuerschlupflöcher und diverse Abschreibungsmodelle) als Otto Normalverdiener."
Mir ist unklar, was Herr Stanke meint. Spricht er von der Einkommensteuer oder von den einkommensunabhängigen Steuern? Da er von "Steuerschlupflöchern" schreibt, müsste es die Einkommensteuer sein, denn bei der Versicherungssteuer etc. sind Schlupflöcher für Konsumenten kaum auszunutzen, sofern sie überhaupt vorhanden sind und es sich nicht um eine (kriminelle) Hinterziehung handelt.
Unter Verwendung der Zahlen zur Einkommensteuer ergibt sich folgendes Bild:
Steuersätze der Einkommensteuer nach Höhe der Einkünfte

Die höchsten durchschnittlichen Steuersätze werden erreicht bei den Einkommensklassen ab 250.000€. Ihr Steuersatz liegt durchweg über 30%. Einkommen unter 250.000€ haben Steuersätze deutlich unter 30%.
Welches Einkommen Otto Normalverdiener erzielt, schreibt Herr Stanke nicht. Würde er die Grenze bei unter 250.000€ ziehen - aus meiner Sicht kein Normalverdiener - ergäbe sich bereits ein deutlicher Abstand. Würde er die Grenze bei unter 100.000€ ziehen - da geht es in die Richtung Normalverdiener - ergibt sich ein Steuersatz von 19%. Geringere Einkommen haben weit geringere Steuersätze. Herr Stanke liegt deshalb falsch mit seiner Behauptung, Reiche würden prozentual weniger bezahlen.
Einen Punkt gibt es noch zu bedenken. Es könnte sein, dass Herr Stanke nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte ansetzt, sondern etwas anderes wie Einnahmen, Verdienst etc. Das lässt sich aus der vorliegenden Statistik nicht ablesen. Allerdings müssten dazu die Reichen ihr Einkommen um Hunderttausende reduzieren, um in den Wahrheitsbereich von Herrn Stankes Behauptung zu kommen. Das scheint mir für einige wenige plausibel, nicht jedoch für die große Masse.

Konklusio

Der Leserbrief von Herr Richard Stanke trägt kaum zur Wahrheitsfindung bei, da er in Unkenntnis der statistischen Zahlen des Statistischen Bundesamtes argumentiert.

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