Freitag, 29. Mai 2015

Klassifikation der Gegner der Homo-Ehe

Seit sich Irland in einer Abstimmung für die Homo-Ehe ausgesprochen hat, schlagen die Wellen hoch. Sie schwappen auch in Augsburg an Land und geben so die günstige Gelegenheit, eine Klassifikation zu versuchen. Für die Klassifikation benutze ich die Äußerungen der Gegner und schaue besonders auf die Argumentationslinie.

Begriffsklärung

Mit dem Begriff der Homo-Ehe wird rechtlicher Sachverhalt adressiert. Danach wird eine Ehe verstanden als eine dauerhafte, zumindest von der Absicht her längerdauernde Beziehung zwischen zwei Menschen. Die Einschränkung, dass diese beiden Menschen verschiedenen Geschlechts sein müssten, wird nicht mehr aufrecht erhalten. Im Unterschied zu einer bloßen Wohngemeinschaft hat diese Lebensgemeinschaft weitergehende gegenseitige Rechte und Pflichten.
Früher waren die gegenseiteigen Rechte und Pflichten auf gemischtgeschlechtliche Beziehungen beschränkt. Im Laufe der Zeit kamen auch gleichgeschlechtliche Beziehungen in den Genuss. Bisher jedoch noch nicht vollständig. Aktuell bezieht sich die Diskussion darauf, dass die Rechte gemischtgeschlechtlicher Beziehungen z.B. bei Adoptionen denen gleichgeschlechtlicher gleichgestellt werden sollen. Mir ist nicht bekannt, dass die Kritiker an gegenseitigen Pflichten Anstoß genommen hätten.
Es geht bei der Homo-Ehe nicht um einen religiösen Sachverhalt. Religionsgemeinschaften können ihren Ehebegriff vom rechtlichen abweichend und mit ihren religiösen Ansichten konform definieren.

Kategorie "Rationalisierer"

In diese Kategorie fallen Argumentationslinien, die augenscheinlich vernünftige, rationale oder gar wissenschaftliche Argumente vorbringen. Sie scheinen tolerant, neutral. Ein Beispiel findet sich in den Leserbriefen. Prof. Dr. Hubert Gindert aus Kaufering behauptet, die Zustimmung in Irland wäre nicht so hoch, wie die Abstimmungsergebnisse vermuten lassen. Damit hat er grundsätzlich Recht, denn 62% Zustimmung der abgegebenen Stimmen (Beteiligung: 65%) ist nicht 62% Zustimmung in der gesamten Bevölkerung.
Wenn Herr Gindert jedoch dazu übergeht, die nicht an der Abstimmung Beteiligten denen zuzurechnen, die in der Abstimmung mit Nein gestimmt haben, verlässt er den Boden der Wissenschaftlichkeit, den er mit der Nennung seiner Titel für sich in Anspruch nimmt. Die Haltung der Nichtabstimmer ist nicht bekannt, sie kann also nicht in ein Ja oder Nein umgedeutet werden. Genauso valide wäre die Spekulation, die Abstimmenden sind repräsentativ für die Bevölkerung und würden ebenfalls zu 62% zustimmen. Herr Professor, als BWLer sollten Sie mit Statistik besser umgehen können und nicht unwissenschaftliches Hantieren mit Zahlen über Ihre akademischen Titel adeln.
In die Gruppe der Rationalisierer passt auch Walter Roller. In seinem Leitartikel wagt er einen Ausblick in die Zukunft:
Der Beitrag beschreibt den Wandel der Ansichten zu Homosexualität im Zeitablauf und stellt in Aussicht, dass eine weitere rechtliche Gleichstellung zukünftig kommen wird - "und sei es auf Druck des Bundesverfassungsgerichts". Inhaltlich kann Herr Roller kaum widersprochen werden.
Für die "Rationalisierer" qualifiziert Herr Roller sich durch seine unterschwellige Ablehnung. Sie wird nicht explizit geäußert, sondern versteckt sich zwischen den Zeilen:
  • "Noch mauert die CDU/CSU", das Verfassungsgericht werde "die Gleichstellung der 'Homo-Ehe' erzwingen" schreibt Herr Roller im Untertitel. Mit "erzwingen" wird bereits der Same einer negativen Stimmung gesetzt.
  • Herr Roller nennt "Homo-Ehe" immer nur in Anführungsstrichen. Damit erfüllt er eine Forderung des Leserbriefschreibers Josef Schenk aus Welden, der sich als Gegner der Homo-Ehe explizit darstellt: "Von einer seriösen Tageszeitung erwarte ich, dass sie das Wort in Anführungszeichen setzt." (AZ vom 28.5.)
  • Die gemischtgeschlechtliche Ehe wird von Herrn Roller im Zusammenhang mit "traditionelle Familie", "klassische Familie", "Sorge vor einem allgemeinen Werteverfall" genannt. Damit konnotiert er sie positiv ohne begründen zu müssen, warum sie die positivere Lebensform wäre.
Rationalisierern ist schwierig zu begegnen, da sie nicht auf den ersten Blick einen argumentativen Ansatzpunkt liefern. Doch manches, was ein rationales Mäntelchen trägt, ist darunter nackt.

Kategorie "Besorgte"

Besorgte offenbaren sich als Gegner der Homo-Ehe. Sie geben sich als Menschenfreund aus und sorgen sich um andere.
Die eine Gruppe der Besorgten sorgt sich um die Kinder. Ihnen würde Schaden zugefügt, wenn sie nicht gemischtgeschlechtliche Eltern haben. Nur die Familie aus Vater, Mutter, Kind kann zu wohlgeratenen Kindern führen. Diese Besorgten lassen sich auch nicht dadurch aus dem Konzept bringen, dass die Studienlage dazu uneindeutig ist (siehe Bild unter der Kategorie "Kämpfer", Frage des Interviewers). Schwule oder lesbische Eltern stellen eine Gefahr für die Entwicklung des Kindes dar, weil nur einseitige Rollen gesehen werden könnten. Das vorwiegend weibliche Personal von Kindergärten und Grundschulen stellt aber offenbar kein Problem dar. Warum fordert hier niemand eine Frauenquote von maximal 50%, damit die Kinder auch männliche Rollenmodelle vor Augen haben?
Die andere Gruppe der Besorgten sorgt sich um die Gesellschaft insgesamt. Nur die Familie aus Vater und Mutter könne Kinder hervorbringen, die für den Fortbestand der Gesellschaft unentbehrlich seien. Scheinheilige Egoisten! Es geht Euch nur um Eure Renten. Menschenverachter! Wer so argumentiert, stellt uneheliche Kinder als minderwertig dar.

Kategorie "Kämpfer"

Kämpfer offenbaren sich als strikte Gegner der Homo-Ehe. Sie berufen sich bei ihrer Ablehung auf höhere Gesetze. Ein Beispiel liefert Alois Glück in einem Interview in der AZ vom 29.05.:
Die Ehe wird primär aus der religiösen Perspektive gesehen. Sie wird einzig als gemischtgeschlechtlich zulässig dargestellt und ihr ein besonderer Wert zugeschrieben. Beides wird aus der Bibel abgeleitet. Der Untergang des Abendlandes in Gänze wird an die Wand gemalt. Herr Glück warnt vor einem Referendum in Deutschland, da dies einen Kulturkampf auslösen würde.
Wenn ich mich auf den Pfad der Statistik begebe, wird es interessant. Das Statistik-Portal Statista bietet einen Überblick über die Religionszugehörigkeit in Deutschland im Jahr 2013. Nach dieser Statistik sind 53,5 Mio Personen Mitglied einer der genannten Religionsgemeinschaft. Bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 81 Mio. Personen entspricht dies einem Anteil von etwa 66%. Die Katholiken stellen mit etwa 24 Mio. Mitgliedern die stärkste Gruppe. Gemessen an der Gesamtbevölkerung sind dies aber weniger als 30%. Woher nimmt diese nicht einmal ein Drittel der Bevölkerung ausmachende Gruppe das Recht, für alle die Lebensbedingungen zu diktieren?
Erweitern lässt sich die Statistik noch mit der Frage nach dem Glauben an Gott. Laut Statista glauben 58% der Bevölkerung an Gott. Ob das der christliche ist, ist nicht klar. Wenn 58% an Gott glauben, aber 66% in einer Religionsgemeinschaft sind, vermute ich einige "Karteileichen" bei den Mitgliedern von Religionsgemeinschaften. Und wenn es in den Reihen der Katholiken auch "Karteileichen" gibt, stellen sie weit weniger als 30% der Bevölkerung.
Die Kämpfer führen auch die abendländisch-christliche Tradition ins Feld. Sie behaupten, diese Tradition fusse auf christlichen Werten. Das ist nur richtig, was die christliche Tradition angeht. Viel größeren Einfluss hatten die griechischen Anfänge des Staatswesens sowie die Gedanken der Aufklärung (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit). Der Freiheit des Einen steht die Toleranz bzw. Akzeptanz des Anderen gegenüber. Homosexuelle dürfen so leben, wie sie es möchten. Insbesondere wenn sie nicht in die Freiheit anderer eingreifen, gibt es kein abendländisches Argument, ihnen das zu verbieten. Diese steht ihnen so zu, wie allen anderen auch (Gleichheit). Brüderlich stehe ich zu meinem Nächsten, auch wenn - vielmehr: weil - er anders ist.

Die "Mediziner"

Für Mediziner ist Homosexualität eine Krankheit bishin zur Perversion. Gesund sind nur solche, die verschiedengeschlechtliche Sexualität leben. Pervers Kranken darf man Hilfe, Heilung angedeien lassen, aber die Ehe muss ihnen verwehrt bleiben. Mediziner sehen die Ehe meist ebenfalls als eher religiöses Konstrikt, weniger als Rechtsgebilde.
In einem Bericht der AZ vom 29.05. über Pädophilie findet sich ein Artikel über eine zweifelsohne zweifelhafte sexuelle Orientierung:

Der Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité Berlin wird zitiert. Nach ihm ist Pädophilie ein besonderer Zustand im Gehirn. Der Homo-Ehen-Gegner aus der Kategorie "Mediziner" würde dem sicher nicht widersprechen. Der Direktor führt jedoch aus, dass der besondere Zustand erst dann zur Krankheit würde, wenn Menschen (in Medizinersprech: "Kranke") oder Andere (Opfer) darunter leiden würden.
Von solchen Feinheiten lässt sich der "Mediziner" jedoch nicht ablenken. Auch wenn er Homosexualität nur dem Wort nach kennt, bleibt es eine Krankheit. Dazu ist es nicht notwendig, dass irgend jemand leidet. Im Gegenteil: Das Leiden Homosexueller an der mangelnden Akzeptanz der Umwelt wird als Leiden an der Homosexualität umgedeutet.

Konklusio

Keines der von den Gegnern vorgebrachten Argumente kann wirklich überzeugen. Sie sollten also schweigen und froh sein, dass an ihrer Lebensform keine offene Diskriminierung stattfindet.

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