Sonntag, 8. März 2015

Weltfrauentag! Warum?

Heute ist der Weltfrauentag. Ohne Zweifel notwendig, wie ein Blick in die Welt zeigt. In Teilen Afrikas werden Frauen - vielmehr Mädchen - beschnitten, obwohl es verboten ist. Aber ohne Beschneidung seien sie unrein und nicht zur Treue fähig. In vielen muslimischen Ländern müssen Frauen sich verschleiern, weil das starke Geschlecht sonst schwach werden könnte. Nicht der Mann hat versagt bei außerehelichen Vorkommnissen, sondern die Frau war zu aufreizend. Wenn der Weltfrauentag es ermöglicht, solch krude Sichten und Argumentationen zu durchbrechen, dann sollte es diesen Tag mehr als einmal im Jahr geben.
Ich bin froh, dass es in Mitteleuropa deutlich besser ist. Am 6. März 2015 hat die Bundesregierung ein Gesetz zur besseren Gleichstellung von Frauen und Männern erlassen. Es firmiert als "Frauenquote". In der Aussendung der Bundesregierung wird angegeben, in Aufsichtsräten seien nur 18,9% weibliche Mitglieder, in Vorständen gar nur 5,7%. Im direkt anschließenden Satz wird argumentiert, "Frauen [machen] mehr als 50 Prozent der Bevölkerung aus und mehr als die Hälfte der Uni-Absolventen ist weiblich". Deshalb müsse mittels einer Frauenquote der Anteil weiblicher Aufsichtsräte und Vorstände gesteigert werden.
Eine aktuelle Studie des Linzer Market-Instituts im Auftrag der Tageszeitung Der Standard in Österreich zeigt, dass das Empfinden einer Benachteiligung von Frauen altersabhängig ist. Ältere Frauen (über 50 Jahre) glauben zu 47% an eine Benachteiligung auf Grund des Geschlechts, jüngere Frauen (unter 30 Jahre) nur zu 26%. Bei Männern zeigt sich das Phänomen ebenfalls, wenn auch weniger ausgeprägt (13% bei jüngeren, 22% bei älteren). Die Studie vermutet, die empfundene Benachteiligung sei ein Ausfluss der Sozialisation der befragten Personen. Ältere Personen sind aufgewachsen in einer Umwelt, in der Emanzipation weniger fortgeschritten war als sie es heute ist. Ältere Personen haben vermutlich eine andere Wahrnehmung geschlechtlicher Benachteiligung als jüngere. Wenn die Benachteiligung von Frauen auch eine Frage der Wahrnehmung ist, wirken die Zahlenspiele der Bundesregierung unpassend.
Die oben dargestellte Argumentation finde ich insgesamt nicht schlüssig. Mit dem Argument des Bevölkerungsanteils ließe sich eine Männerquote bei Kindergärtnern herbeireden, bei Friseuren, bei Krankenschwestern/Pflegern. In allen "typischen" Männer- oder Frauenberufen gibt es geschlechtsspezifische Ungleichgewichte, ohne dass hier nach einer Quote für das eine oder andere Geschlecht gerufen wird.
Das andere Argument, das auf die Uni-Absolventen abzielt, ist ebenfalls fragwürdig. Wenn heute mehr Frauen Universitätsausbildungen erfolgreich abschließen, was hat das mit den Vorstandssitzen alter Männer zu tun? Die haben ihre Ausbildung vor mehreren Dekaden beendet.
Zudem stellt die Bundesregierung nicht klar, welche Ausbildung die heutigen Absolventinnen abschließen und welche Ausbildung in Vorständen und Aufsichtsräten erwartet wird. Frauen studieren eher sozialwissenschaftliche Themen, Männer eher naturwissenschaftliche. Vielleicht sind es ja gerade die naturwissenschaftlichen Studiengänge, die am Anfang einer Berufslaufbahn die Weichen in die vorstandstaugliche Richtung stellen.
Ein weiterer Aspekt kommt beim Fokus auf das Geschlecht zu kurz: Frauen wird nachgesagt, sie seien "weicher", sozial kompetenter, emotional intelligenter, kompromissbereiter. Sind das die Eigenschaften, die eine berufliche Karriere befördern? Zählen nicht eher Hands-on-Qualitäten, Macher-Typen, Durchsetzer und Umsetzer? Alpha-Männer, die einem Bulldozer gleich den kürzesten Weg zum Ziel gehen. Die Mondlandschaften hinter ihnen sind egal, Hauptsache die Fahne ist am Ziel aufgepflanzt.
Ich glaube, nicht Frauen sind unterrepräsentiert. Weiblichkeit ist unterrepräsentiert, egal in welcher Geschlechtshülle sie sich zeigt. Diejenigen, die Karrieren unterstützen können und zukünftige Vorstände fördern, sind diejenigen, die positiv auf "männliche" Stärken reagieren, weil sie selbst damit dorthin gekommen sind, wo sie sind. Weiblichkeit ist anders und damit wenn nicht suspekt, so doch weniger anziehend als Männlichkeit. Vielleicht ist es sogar eine Art Verteidigung der männlichen Vorherrschaft, damit Mann unter sich bleiben kann.
Sollte dies zutreffen, würde Angst eine der Triebfedern für das Verhalten sein. Angst bringt mich zum Anfang dieses Beitrages zurück. Die kruden Argumente von Beschneidungs- und Burka-Befürwortern sind nur religiös, moralisch oder sonst wie ummantelte Ängste, Frauen könnten den Männern "gefährlich" werden. So schwach, starkes Geschlecht? Am Weltfrauentag könnt Ihr Euch das eingestehen!

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