Montag, 23. März 2015

Equal Pay Day und die Gewerkschaft GDL

Equal Pay Day

Dieser Tag ist ein Symbol für die einerseits behauptete und andererseits negierte Ungleichheit der Entgelte für Männer und Frauen. Für Deutschland soll die Differenz des Entgelte 22% betragen, so dass - wie es gestern bei Günter Jauch sinngemäß formuliert wurde - Männer etwa 80 Tage im Bett bleiben können, um am Jahresende die gleiche Entgeltsumme zu bekommen wie die Frauen.


Equal Pay und die GDL

Nun stellt sich die Frage, was die GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) mit dem Equal Pay Day zu tun hat. Dazu ein paar Überlegungen:
  • Equaly Pay meint, dass Frauen und Männer für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn bekommen müssen. Ich denke, darüber besteht Einigkeit. Die Diskussion dreht sich eher um die Frage, ob Frauen und Männer die gleiche Arbeit tun. Da werden Überstunden ins Feld geführt, zu erwartende Absenzen durch Schwangerschaft, Karenz, Kinderbetreuung etc. Da wird typisch weiblichen Berufen per se ein geringerer Lohn unterstellt. Die Argumente sind vielfältig, aber hier nur eingeschränkt relevant.
  • "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" wird von Gewerkschaften auch an anderer Stelle propagiert. Sie ziehen gegen ungleiche Bezahlung von festen Mitarbeitern im Vergleich zu Leiharbeitern zu Felde. Ein völlig verständliches Anliegen, wenn man der Forderung gleichen Lohns für gleiche Arbeit zustimmt.
  • Der Bundesvorsitzende der GDL, Claus Weselsky, fordert seit längerem, auch Mitglieder seiner Gewerkschaft vertreten zu dürfen, die nicht Lokführer sind. Es geht z.B. um Zugbegleiter. Weil sie Mitglieder der GDL sind, sollen sich ihre Tarifbedingungen nicht aus den Verhandlungen anderer Gewerkschaften ergeben. Ein verständlicher Ansatz.
    Herr Weselsky konnte bis jetzt jedoch noch nicht erklären, wie er so "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" umsetzen will. Wenn die Tarifbedingungen für eine Berufsgruppe von zwei Gewerkschaften unterschiedlich verhandelt werden, wird es unterschiedlichen Lohn für gleiche Arbeit geben. Ein Widerspruch an gewerkschaftlichen Grundfesten, der unbedingt ausgeräumt werden muss.

Mittwoch, 18. März 2015

Augsburger Allgemeine zum Kopftuchurteil


Mein Warten hat sich gelohnt! Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zu Kopftüchern in Schulen sowie dem Leitartikel von Walter Roller war ich überzeugt, die Leserbriefe würden eine Offenbarung. So war es. Amen.

Das Urteil des Verfassungsgerichts

Nach 2003 war es den Ländern freigestellt, selbst zu regeln, wie sie es mit der Religion halten wollen. In dieser Gretchenfrage entschlossen sich einige Länder nun dazu, bestimmte religiöse Symbole in Schulen zu verbieten. Das Kopftuch weiblicher Muslime wurde als ein solches Symbol identifiziert: Es sei das Symbol der Unterdrückung von Frauen durch Männer in muslimisch geprägten Gesellschaften. In der Folge war es Muslimas nicht mehr erlaubt, in Schulen ein Kopftuch zu tragen.
Im aktuellen Urteil hat das Bundesverfassungsgericht diese Praxis abgelehnt. Es dürfe nicht pauschal allen Muslimas die Ausübung ihrer Religion eingeschränkt werden. Vielmehr müsse vor einem Verbot eine konkrete Gefährdung erwartet werden können.

Der Leitartikel von Walter Roller

Herr Roller spricht von einem „erstaunlichen Richtungswechsel“, den das Gericht vollzogen habe. Das Gericht hat geurteilt, dass ein generelles Kopftuchverbot ohne „hinreichend konkrete Gefahr“ für die Schüler nicht verfassungskonform sei. Herr Roller findet das neue Urteil unpassend zum Kruzifix-Urteil von 1995. Und er findet, das Kopftuch sei ein „Symbol der Unterdrückung der Frau“:

Dazu ein paar Anmerkungen:
  • Das Kruzifix-Urteil sollte klarstellen, dass an Wänden aufgehängte christliche Symbole in Klassenzimmern nicht vorgeschrieben werden dürfen. Das aktuelle Urteil bezieht sich auf die Kleidung von Frauen. Das macht einen erheblichen Unterschied, weil ersteres einem Statement einer Institution gleichkommt, letzteres ein persönliches Statement einer Person ist. Somit halte ich das Urteil auch nicht für erstaunlich.
  • Das Kopftuch als Zeichen der Unterdrückung der Frau mag in bestimmten Fällen zutreffende Symbolik sein. Es gibt jedoch auch muslimische Frauen, die das Kopftuch freiwillig tragen, weil es ihrem Religionsverständnis entspricht. Zudem: Christliche Symbole wurden benutzt im Zusammenhang mit der Verfolgung von Menschen, die der Ketzerei, Hexerei etc. beschuldigt wurden. Sie wurden benutzt im Zusammenhang mit Kreuzzügen, gewaltsamer Missionierung. Und man könnte auch unterstellen im Angesicht der Missbrauchsfälle, Mönchskutten seien das Symbol für den Missbrauch Schutzbefohlener. Und überhaupt sei die Kleidung christlicher Würdenträger das Zeichen einer verklemmten und menschenfeindlichen Sexualauffassung.

Die Leserbriefe in der AZ

Norbert Schneider fragt sich, ob „seine (Anm.: der Islam) Rechte über denen des Christentums stehen“. Da schimmert eine Art Leitkultur durch. Klaus Liedtke befürchtet, „Hardliner“ wollten „ihre Frauenwertung auch im Öffentlichen Dienst als Vorbild durchsetzen“. Leo Barisch wähnt schon „die erste Lehrerin in der Burka vor der Klasse“ stehend. Das Ganze gipfelt im Leserbrief von Friedel Ruppert. Für sie ist es „schlichtweg unverschämt in einem Gastland (das wir ja immer noch z.Z. sind) [Klammerausdruck Bestandteil des Zitats]“. Warum ist Deutschland ein Gastland für alle Muslime? Gibt es nicht auch Menschen mit deutschem Pass und dem Islam als Religion? Ein Gastverhältnis vermag ich hier nicht zu erkennen.

Ein Gedankenexperiment

Aus den Leserbriefen spricht ein Weltbild der Kategorie „mir san mir“. Hier empfehle ich ein Gedankenexperiment. Es greift die Idee der „Theory of Justice“ von John Rawls auf. Um Gerechtigkeit zu erreichen, müsse man sich selbst in einen Schleier des Nichtwissens hüllen. Rawls meint damit, dass man selbst nicht weiß, auf welcher Seite man steht bzw. stehen wird. Aus dieser Position heraus sei die Diskussion im Sinne der Gerechtigkeit zu führen.
Übersetzt auf den aktuellen Fall würde es bedeuten, dass sich die Leserbriefschreiber und Walter Roller von ihren religiösen Ansichten befreien müssten. Sie wären nicht areligiös, sondern sie wüssten nicht, ob sie am Ende der Diskussion als Christen oder als Muslime mit dem Ergebnis leben müssten.

Ich bin überzeugt davon, sie alle würden sich anders äußern.

Die Augsburger Allgemeine lernt es nicht

Schon wieder. Schon wieder bringt die Zeitung Einheiten durcheinander. Ein Bericht über Anschlussmöglichkeiten an das Internet stellt dar, mit welcher Geschwindigkeit über eine Verbindung Daten herunterladen werden können. Um die Geschwindigkeit für Leser greifbar zu machen, wird im grauen Kasten erläutert, mit einer 50Mbit-Verbindung könne ein MP3-Album in einer Sekunde geladen werden:
Das ist falsch. Das beispielhaftes Album hat 50 MegaBYTE, die Verbindung schafft 50 MeagBIT pro Sekunde. Ein Byte sind 8 Bit. Es würde also acht Sekunden dauern. Bitte,  AZ, lernt doch das mit den Einheiten einmal!

Samstag, 14. März 2015

Steuer nicht aus der Hand nehmen lassen

JDie Meinung in der Augsburger Allgemeinen

In letzter Zeit gingen einige Artikel durch die Presse, die sich dem autonomen Fahren widmeten. Autonomes Fahren wird dabei verstanden als Fähigkeit von Autos, selbständig am Straßenverkehr teilzunehmen. Ein menschlicher Fahrer ist nicht mehr notwendig, weil das Auto selbst alle relevanten Situationen auch ohne ihn bewältigen kann.
In der Augsburger Allgemeinen leitartikelt Stefan Stahl zu diesem Thema. Er glaubt, die Fahrer werden sich im stockenden Stadtverkehr durchaus vom Auto chauffieren lassen, wenn die Straße jedoch frei sei, wollen sie selbst lenken. Denn Autofahren habe mit Spaß zu tun.
Die Argumentation ist nachvollziehbar. Ich möchte jedoch einen Schritt weitergehen.

Das heutige Verkehrsgeschehen

Die folgenden Eindrücke sind höchst subjektiv. Allerdings keine Einzelfälle, sondern täglich erfahrbar:
  • Autofahrer, die Tempo 50 in der Stadt als Empfehlung pro Mitfahrer, pro Rad, pro Zylinder etc. verstehen und deutlich schneller unterwegs sind
  • Autofahrer, denen Tempo 50 in der Stadt zu schnell ist und die deshalb 40 km/h fahren
  • Autofahrer, die der Tachoanzeige misstrauen und sicherheitshalber 45 km/h statt 51 km/h fahren, diese Geschwindigkeit jedoch auch in Tempo-30-Zonen vor Schulen und Kindergärten durchhalten
  • Autofahrer, die sich mit ihrem Smartphone beschäftigen
  • Autofahrer, die die Zeit im Auto zur Nahrungsaufnahme nutzen
  • betagte Autofahrer, die auf Grund ihres Alters kaum noch den Kopf oder den Oberkörper bewegen und nur noch das Geschehen direkt vor sich wahrnehmen können
  • Autofahrer, die nicht wissen, die kurz vor Abzweigungen oder Ampeln die Spur wechseln und dabei andere schneiden
  • Autofahrer auf der Autobahn, die permanent auf der mittleren Spur fahren, auch wenn rechts frei ist
  • Autofahrer, die auf der Utobahn zu schnell fahren, drängeln und andere Autos zum Slalom benutzen
  • Autofahrer, die auf Landstraßen ihre Fahrkünste überschätzen
  • Autofahrer, die auf Parkplätzen zwei Stellflächen belegen
  • Autofahrer, die ihre Persönlichkeit über ihr Auto definieren und es entsprechend sportlich, aktiv und beherzt bewegen

Wie kann autonomes Fahren hier helfen?

Die Aufzählung ließe sich fast beliebig fortsetzen und betrifft männliche und weibliche Fahrer. Heute werden bei Verstößen Strafen verhängt, die Geldbußen oder den Entzug der Fahrerlaubnis bedeuten. Ich wünsche mir, dass der Strafrahmen erweitert wird. Wer sich wiederholt als unfähig erweist zur Teilnahme am Straßenverkehr, der darf nur noch ein autonomes Fahrzeug bewegen. Unfähig zur Teilnahme sind diejenigen, bei denen ein Richter einen echten Verstoß feststellen würde, sowie jene, die sich besonders rücksichtslos verhalten. Statt die Justiz zu beschäftigen, biete ich mich als Entscheider an.

Sonntag, 8. März 2015

Weltfrauentag! Warum?

Heute ist der Weltfrauentag. Ohne Zweifel notwendig, wie ein Blick in die Welt zeigt. In Teilen Afrikas werden Frauen - vielmehr Mädchen - beschnitten, obwohl es verboten ist. Aber ohne Beschneidung seien sie unrein und nicht zur Treue fähig. In vielen muslimischen Ländern müssen Frauen sich verschleiern, weil das starke Geschlecht sonst schwach werden könnte. Nicht der Mann hat versagt bei außerehelichen Vorkommnissen, sondern die Frau war zu aufreizend. Wenn der Weltfrauentag es ermöglicht, solch krude Sichten und Argumentationen zu durchbrechen, dann sollte es diesen Tag mehr als einmal im Jahr geben.
Ich bin froh, dass es in Mitteleuropa deutlich besser ist. Am 6. März 2015 hat die Bundesregierung ein Gesetz zur besseren Gleichstellung von Frauen und Männern erlassen. Es firmiert als "Frauenquote". In der Aussendung der Bundesregierung wird angegeben, in Aufsichtsräten seien nur 18,9% weibliche Mitglieder, in Vorständen gar nur 5,7%. Im direkt anschließenden Satz wird argumentiert, "Frauen [machen] mehr als 50 Prozent der Bevölkerung aus und mehr als die Hälfte der Uni-Absolventen ist weiblich". Deshalb müsse mittels einer Frauenquote der Anteil weiblicher Aufsichtsräte und Vorstände gesteigert werden.
Eine aktuelle Studie des Linzer Market-Instituts im Auftrag der Tageszeitung Der Standard in Österreich zeigt, dass das Empfinden einer Benachteiligung von Frauen altersabhängig ist. Ältere Frauen (über 50 Jahre) glauben zu 47% an eine Benachteiligung auf Grund des Geschlechts, jüngere Frauen (unter 30 Jahre) nur zu 26%. Bei Männern zeigt sich das Phänomen ebenfalls, wenn auch weniger ausgeprägt (13% bei jüngeren, 22% bei älteren). Die Studie vermutet, die empfundene Benachteiligung sei ein Ausfluss der Sozialisation der befragten Personen. Ältere Personen sind aufgewachsen in einer Umwelt, in der Emanzipation weniger fortgeschritten war als sie es heute ist. Ältere Personen haben vermutlich eine andere Wahrnehmung geschlechtlicher Benachteiligung als jüngere. Wenn die Benachteiligung von Frauen auch eine Frage der Wahrnehmung ist, wirken die Zahlenspiele der Bundesregierung unpassend.
Die oben dargestellte Argumentation finde ich insgesamt nicht schlüssig. Mit dem Argument des Bevölkerungsanteils ließe sich eine Männerquote bei Kindergärtnern herbeireden, bei Friseuren, bei Krankenschwestern/Pflegern. In allen "typischen" Männer- oder Frauenberufen gibt es geschlechtsspezifische Ungleichgewichte, ohne dass hier nach einer Quote für das eine oder andere Geschlecht gerufen wird.
Das andere Argument, das auf die Uni-Absolventen abzielt, ist ebenfalls fragwürdig. Wenn heute mehr Frauen Universitätsausbildungen erfolgreich abschließen, was hat das mit den Vorstandssitzen alter Männer zu tun? Die haben ihre Ausbildung vor mehreren Dekaden beendet.
Zudem stellt die Bundesregierung nicht klar, welche Ausbildung die heutigen Absolventinnen abschließen und welche Ausbildung in Vorständen und Aufsichtsräten erwartet wird. Frauen studieren eher sozialwissenschaftliche Themen, Männer eher naturwissenschaftliche. Vielleicht sind es ja gerade die naturwissenschaftlichen Studiengänge, die am Anfang einer Berufslaufbahn die Weichen in die vorstandstaugliche Richtung stellen.
Ein weiterer Aspekt kommt beim Fokus auf das Geschlecht zu kurz: Frauen wird nachgesagt, sie seien "weicher", sozial kompetenter, emotional intelligenter, kompromissbereiter. Sind das die Eigenschaften, die eine berufliche Karriere befördern? Zählen nicht eher Hands-on-Qualitäten, Macher-Typen, Durchsetzer und Umsetzer? Alpha-Männer, die einem Bulldozer gleich den kürzesten Weg zum Ziel gehen. Die Mondlandschaften hinter ihnen sind egal, Hauptsache die Fahne ist am Ziel aufgepflanzt.
Ich glaube, nicht Frauen sind unterrepräsentiert. Weiblichkeit ist unterrepräsentiert, egal in welcher Geschlechtshülle sie sich zeigt. Diejenigen, die Karrieren unterstützen können und zukünftige Vorstände fördern, sind diejenigen, die positiv auf "männliche" Stärken reagieren, weil sie selbst damit dorthin gekommen sind, wo sie sind. Weiblichkeit ist anders und damit wenn nicht suspekt, so doch weniger anziehend als Männlichkeit. Vielleicht ist es sogar eine Art Verteidigung der männlichen Vorherrschaft, damit Mann unter sich bleiben kann.
Sollte dies zutreffen, würde Angst eine der Triebfedern für das Verhalten sein. Angst bringt mich zum Anfang dieses Beitrages zurück. Die kruden Argumente von Beschneidungs- und Burka-Befürwortern sind nur religiös, moralisch oder sonst wie ummantelte Ängste, Frauen könnten den Männern "gefährlich" werden. So schwach, starkes Geschlecht? Am Weltfrauentag könnt Ihr Euch das eingestehen!

Sonntag, 1. März 2015

Griechenland in der Augsburger Allgemeinen

In der jüngeren Vergangenheit wurden viele Beiträge veröffentlicht, die sich mit Griechenland und seinen finanziellen Problemen beschäftigen. Es gab Reportagen, Berichte, Leitartikel und Kommentare sowie Leserbriefe.
Die Veröffentlichungen zeigten in eine Richtung: Griechenland müsse sich an die Vereinbarungen halten, die mit europäischen Institutionen getroffen wurden. Griechenland hätte sein Recht auf Unterstützung verloren, falls es sich nicht an die Vereinbarungen halten wolle. Und überhaupt sei fraglich, ob Griechenland im Euro bleiben könne.
Fast kein Beitrag in widmet sich Zweifeln an den Vereinbarungen und der daraus abzuleitenden Umsetzungsverpflichtung. Deshalb möchte ich zwei Aspekte aufgreifen:

Verträge sind einzuhalten - pacta sunt servanda

Dies ist ein Rechtsgrundsatz, nachdem die Vertragsparteien darauf vertrauen dürfen - und jeweils auch verpflichtet sind - dass der Vertragspartner seinen Teil des Vertrages erfüllen wird. Ohne diesen Grundsatz wären Verträge von vorne herein Makulatur. Dieser Grundsatz findet seine Entsprechung im §241 BGB.
Die Veröffentlichungen in der Zeitung orientieren sich vor allem an diesem Grundsatz. Aus Angst um das eigene Geld bzw. das Geld des deutschen Staates wird gebetsmühlenartig auf Vertragseinhaltung gedrängt. 30% Lohnkürzungen bringen noch keinen Erfolg? Pah, dann eben mehr sparen!
Nun kennt das BGB auch Ausnahmen vom Grundsatz. Der §226 BGB verbietet die Ausübung eines Rechts, wenn es dem Anderen schikanös schadet. Es lässt sich trefflich diskutieren, ob die Vereinbarungen mit Griechenland schon schikanös sind oder (noch) nicht. Lediglich stumpf auf Einhaltung zu drängen, greift sicher zu kurz.
Eine weitere Ausnahme zeigt der §119 BGB. Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung im Irrtum war, kann die getroffene Vereinbarung anfechten, sie für ungültig erklären. Wieder lässt sich diskutieren, ob der Paragraf einschlägig ist oder nicht. Als die Vereinbarung zwischen Griechenland und den europäischen Institutionen getroffen wurde, gab es Vorstellungen davon, wie die Vereinbarung wirken würde. Nun zeigt sich Jahre später, dass nicht alles so kam, wie erwartet. Ich frage mich, ob mit dem heutigen Wissen die Verträge damals so geschlossen worden wären. Darüber lässt sich nur spekulieren. Falls jedoch Zweifel angebracht wären, bekommt das Verlangen zur Vertragseinhaltung einen schalen Beigeschmack.

Der Wille des Volkes

Die Veröffentlichungen in der Zeitung argumentieren, dass es den Völkern Europas nicht vermittelbar sei, immer weitere Gelder nach Griechenland zu überweisen. Es wird des Volkes Wille bemüht.
Allerdings wird dabei übersehen, dass das griechische Volk auch einen Willen hat. Diesen hat es bei der letzten Wahl kundgetan. Mit größter Deutlichkeit wurde die alte Regierung vom Hof gejagt und eine völlig neue Regierung auf den Thron gehoben.
Gewonnen wurde der Wahlkampf mit der Aussicht, die Belastungen durch die von der Vorgängerregierung getroffenen Vereinbarungen zu mindern. Damit hat die griechische Regierung den Auftrag, auf Änderungen hinzuwirken. Sie hat den Auftrag, Wege zu suchen, die getroffenen Vereinbarungen nicht einhalten zu müssen. Sie hat den Auftrag, Ausnahmen vom Grundsatz "pacta sunt servanda" zu suchen und zu nutzen.
Ich frage mich, warum dieser Volkswille der Griechen nicht zählen soll. Es soll nur der Volkswille der anderen Staaten gelten. Wobei dies nicht ganz richtig ist, weil die anderen europäischen Staaten nicht einheitlich die harte deutsche Linie fahren. Zudem sei die Frage gestellt, ob die Haltung der Regierungen immer die Willen der jeweiligen Bevölkerung reflektieren.

Augsburger Allgemeine vom 28.02.2015

Im Leitartikel diskutiert Birgit Müller-Bardorff die Aufklärung von Kindern und Jugendlichen:
Sie eröffnet mit einer Idee des familiären Samstag Abend: "Eltern und Kinder schauen gemeinsam Eurovision Song Contest und es tritt auf: Conchita Wurst".
Das "es" ist falsch. Falls Frau Müller-Bardorff die darstellende Person meint, dann ist es ein Mann, ein "er". Falls Frau Müller-Bardorff die Rolle meint, in die der Mann schlüpft, dann ist es eine Frau, ein "sie". Eine Frau mit Bart ist ebenso eine Frau, wie ein Mann ohne Bart ein Mann ist.
Nun könnte das "es" als Stilmittel durchgehen, das die Ambivalenz der Rolle und des Rollendarstellers zum Ausdruck bringen soll. Leider schreibt Frau Müller-Bardorff ein paar Zeilen weiter unten, man könne in eine "Gender-Debatte" einsteigen und "dem Kind etwas über Transsexuelle" erzählen. Thomas Neuwirth, der Darsteller der Rolle Conchita Wurst, ist jedoch kein Transsexueller. Er nennt sich selbst einen Travestiekünstler. Im Gegensatz zur Travestiedarstellung des anderen Geschlechts ist Transsexualität das Gefühl, im eigenen Körper falsch zu sein und sich dem anderen Geschlecht zugehörig zu fühlen.
Frau Müller-Bardorff macht sich Gedanken, wann was Kindern wie gesagt werden kann zur sexuellen Aufklärung. Mit das Wichtigste dürfte sein, den Kindern die Wahrheit zu sagen. In ihrem Leitartikel wendet sie sich besonders gegen die verzerrende Darstellung, die teilweise in den Medien gezeigt wird. Darum sollte sie selbst unbedingt sachlich richtig argumentieren.