Montag, 20. Februar 2017

Kampf um Managergehälter

Die Augsburger Allgemeine berichtet am 20.2. über Überlegungen der Regierung, Managergehälter nur noch beschränkt steuerlich abzugsfähig zu machen:


Der Artikel ist in ähnlicher Form auch online erschienen. Im Artikel heißt es:
"CDU-Generalsekretär Peter Tauber hält Änderungen im Steuerrecht zur Begrenzung von Managergehältern für eine mögliche Variante. Er habe keine Probleme damit, wenn gut arbeitende Vorstände Millionen verdienten.'Aber die Frage, ob astronomische Gehälter von der Steuer abgesetzt werden können müssen, darf man stellen. Das schränkt die Unternehmen nicht in ihrer Gehaltspolitik ein', sagte Tauber der 'Berliner Zeitung'."
Im Artikel werden mögliche Hindernisse dargestellt. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat verfassungsrechtliche Bedenken, sieht einen "Dammbruch". Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ist überhaupt "gegen gesetzliche Regelungen". Warum nur Manager betroffen sein sollen, nicht aber beispielsweise Sportler, bleibt offen.
Im Bericht wird eine im Koalitionsvertrag bestehende Gehaltsbremse angesprochen:
"Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht bereits den Ansatz vor, dass die Hauptversammlung von Aktiengesellschaften über die Management-Vergütung entscheiden soll."
Ich frage mich, wie das wirken soll. Denn in der Hauptversammlung sind genau jene mit hohen Stimmanteilen vertreten, die selbst betroffen wären von einer Gehaltseinschränkung. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass es hier zu einer wirksamen Begrenzung kommen könnte. Zur Höhe der Gehälter heißt es im Bericht:
"So soll die steuerliche Absetzbarkeit bei variablen Gehaltsbestandteilen auf jeweils 500 000 Euro begrenzt werden. Zudem will die SPD ein Maximalverhältnis der Vergütung von Managern zum Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer festlegen."
Völlig unverständlich, wie im Angesicht der Vielfalt der Unternehmen eine solche fixe Grenze gerecht sein soll. Konzerne haben 1.000, 10.000 oder über 100.000 Mitarbeiter, unterschiedliche Gehälter der Vorstände sind deshalb plausibel, wenn die Mitarbeiteranzahl eine Rolle spielen soll. Eine andere Frage ist, was das Durchschnittseinkommen sein soll. Gelten nur Mitarbeiter in Deutschland für die Berechnung oder kommen auch Hilfsarbeiter in Indien etc. zum Ansatz? Welche Unternehmen in einem Konzern sollen überhaupt berücksichtigt werden?

Gerechtigkeit der Gehaltsgrenze

So wie die Diskussion laut dem Artikel geführt wird, ist sie grundsätzlich falsch. Die hohen Gehälter sind deshalb in Frage gestellt, weil sie als ungerecht oder ungerechtfertigt empfunden werden. Es geht eher um ein empfundenes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung, weniger um die absolute Höhe. Die folgenden Beispiele zeigen, dass Gerechtigkeit von Managergehältern eine umfangreichere Fragestellung ist, als uns die Koalition Glauben machen will mit ihren Steuerplänen.

Arbeitsplatzrisiko eines CEO

In Ihrer Studie "CEO Turnover and Relative Performance Evaluation" untersuchten Dirk Jentner und Fadi Kanaan an einem Sample von knapp 3.500 CEO-Wechseln in den Jahren 1993 bis 2009, unter welchen Umständen ein CEO-Vertrag verlängert bzw. der CEO gefeuert wurde. In ihrer Conclusio schreiben sie:
"We conclude that boards allow exogenous shocks to firm performance to affect their CEO turnover decisions.[...] Our results are consistent with the idea that boards mistakenly credit and blame CEOs for performance beyond their control, but also with the idea that performance in recessions reveals more (or more important) information about CEO quality than performance in booms."
Exogene Schocks, also Vorgänge außerhalb des Unternehmens und folglich vom CEO nicht zu kontrollieren, beeinflussen die Entscheidung, einen CEO auszutauschen. Belohnung oder Bestrafung für Dinge, die man nicht zu verantworten hat, werden als nicht gerecht empfunden. Nun kann argumentiert werden, dass das Risiko des Jobverlustes im Gehalt des CEO berücksichtigt werden und das Gehalt deshalb tendenziell höher ausfallen müsse. Dem kann entgegen gehalten werden, dass auch "normale" Angestellte ohne Verschulden ihren Job verlieren, z.B. wenn das Management schlecht entscheidet oder die Weltwirtschaft einbricht. Normale Angestellte haben keinen Risikoaufschlag im Gehalt. Ein Aufschlag für Manager wäre zumindest tendenziell unabhängig von der Leistung eines CEO, seine Höhe schwer festzulegen. Welcher Aufschlag wäre gerecht?

Asymmetrische Gehaltsentwicklung

In ihrem Diskussionspapier "CEO Pay and the Rise of Relative Performance Contracts: A Question of Governance" schreiben Brian Bell und John Van Reenen:
"Base salary tends to be unresponsive to firm performance, while incentive pay (bonuses and LTIPs) are very responsive. Not all of this CEO pay-performance relationship is likely to be due to purely competitive reasons. First, the response to performance is asymmetric: CEO pay rises much more when the firm does well, than it falls when the firm does badly. Further, this asymmetry occurs only for firms with weaker governance (as proxied by low levels of institutional ownership and IVIS based measures of corporate governance). Second, there remains substantial pay-for-luck with pay responding to industry-wide improvements in performance. Third, even when CEO pay is explicitly tied to performance relative to sector averages, it seems to have little effect on reducing pay for luck."
Fixgehälter reagieren wenig auf Performance, variable Gehälter stark. Das ist der Sinn von variablen Gehältern. Allerdings ist zu fragen, ob die Zunahme nach oben nicht zu einer gleich starken Abnahme führen müsse. Hier Gerechtigkeit herzustellen kann nicht Aufgabe des Steuerrechts sein. Die Asymmetrie deckt sich mit Ergebnissen des folgenden Beitrages.

Gerechtes Managergehalt

Das Beratungsunternehmen Fehr Advice hat die Leistung und Gehälter für Unternehmen im ATX, dem österreichischen Börsenindex, verglichen. Die Zeitung Der Standard hat darüber berichtet. Würden Gehälter und Leistung zusammenhängen, müsste sich ein Bild wie links dargestellt ergeben:


Tatsächlich ergibt sich die rechts dargestellte Verteilung: die Bezahlung ist unabhängig von der Leistung.
Was macht überhaupt eine gerechte Managerbezahlung aus? In seinem Beitrag "Leistung ist relativ – warum bewerten wir sie nicht auch so?" schreibt Marcus Veit:
"Für die steile Entwicklung der Saläre sind zwei Erklärungsansätze möglich. Der eine besagt, dass sich Manager in grossen Aktienunternehmen, wo der einzelne Aktionär als Miteigentümer nur wenig zu sagen hat, relativ ungehindert selbst bedienen können (diese Sicht ist vielleicht der Treiber der aktuellen Steuerdebatte, Anm.). Die andere Erklärungsmöglichkeit ist, dass durch die Globalisierung die Produktivität des Managements drastisch zugenommen hat.
Nun werden beide Erklärungsansätze zum Teil richtig sein. Entscheidend ist jedoch, dass durch die Konstruktion heutiger Vergütungssysteme häufig zu einem grossen Teil pures Glück und weniger die wirkliche Managementleistung belohnt wird. Wenn eine gute konjunkturelle Lage den Absatz und damit beispielsweise auch den Umsatz, den Gewinn oder auch den Aktienkurs steigen lässt, hat dies weniger mit einer guten Arbeit des Managements zu tun als vielmehr mit der konjunkturellen Grosswetterlage in der jeweiligen Branche."
Für eine gerechte Entlohnung des Managements, bei der "die wirkliche Managementleistung belohnt wird", müssen die Zufälle, das "pure Glück" herausgerechnet werden. Das schweizer Beratungsunternehmen FehrAdvice schlägt hierfür den MAPI (Market-Adjusted Performance Indicator) vor. Er soll - frei von Störgeräuschen - zeigen, wie gut Entscheidungsträger eines Unternehmens arbeiten. Im Beitrag heißt es:
"Mit ihm wird eine unverzerrte und holistische Bewertung von Managementleistung möglich. Dazu wird die langfristige Aktienrendite eines Unternehmens (Total Shareholder Return, TSR) mit dem TSR einer massgeschneiderten, relevanten Vergleichsgruppe verglichen. Die genaue Ausrichtung der Vergleichsgruppe an den Verlauf des TSR ermöglicht das Herausrechnen externer Marktschocks. Die Differenz des Unternehmens-TSR und des TSR der Vergleichsgruppe lässt nun eine Aussage über die eigentlichen Leistungen der Unternehmensführung zu. So wird Managementleistung transparent."
Für die steuerliche Handhabung ließe sich argumentieren, dass das Glücksmoment im Gehalt nicht abzugsfähig sein soll. Dies führt zur Frage, wie das Glücksmoment bestimmt werden soll. Selbst wenn dies gelänge auf breiter Front, lässt sich damit keine fixe Obergrenze argumentieren, wie sie in der Regierung derzeit thematisiert wird. Ein nachweisbar extrem gutes Management zu bestrafen, weil es über die Grenze käme, wäre ebenfalls ungerecht.
Als Maß für die Unternehmensleistung wird der Total Shareholder Return TSR herangezogen. Daraus ergibt sich die Frage, ob eine Sicht aus der Perspektive von Aktionären der steuerlichen Fragestellung angemessen ist. Denn für Aktionäre ist es vielleicht positiv, wenn Mitarbeiter entlassen werden. Diese Mitarbeiter verlieren ihren Job, ihr Gehalt, zahlen weniger Steuern. Das soll im Steuerrecht belohnt werden? Was ändert sich, wenn durch die Entlassung das Überleben des Unternehmens gesichert wurde?

Conclusio

Bevor die Politik von Gerechtigkeitsgefühlen getrieben eine Obergrenze für Managergehälter festlegt, muss sie sagen, was eine gerechte Gehaltshöhe ist. Das hat nichts mit einer Absolutzahl zu tun und nichts mit dem Durchschnittsgehalt aller Angestellten. Solange die Politik nicht vermag, die Gerechtigkeit greifbar zu machen, muss sie sich zurückhalten. Andernfalls müsste auch die Frage gestellt werden, wie teuer Firmenwagen sein dürfen, um steuerlich berücksichtigt zu werden.

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