Dienstag, 4. Oktober 2016

Wem gehört die automobile Zukunft?

Die Augsburger Allgemeine hat in der Printausgabe am 4.10. einen Leitartikel von Tobias Schaumann veröffentlicht zur E-Mobilität:


Tobias Schaumann schreibt über den geringen Erfolg der E-Mobile:
"Den Stromern geht schnell der Saft aus. Die Versorgung mit Ladestationen ist dürftig. Alternativ angetriebene Autos kosten oft mehr als vergleichbare Benziner oder Diesel."
Dennoch stimmt seine Prognose:
"Die Frage ist nicht ob, sondern wann der Generationswechsel kommt [...]"
Er führt weiter aus:
"Gerade die deutschen Autobauer fühlen sich wie Pioniere. Die PS-fixierte Clique sieht ausgerechnet in der Ökologie ihre Chance. Die Produzenten demonstrieren, dass sie ihre Hausausgaben machen."
Als Beispiel wird der neue Opel Ampera genannt, der - theoretisch - 500 km weit kommen soll. Dies liest sich imposant, zumal Studien belegen sollen, dass "der Deutsche im Schnitt täglich nicht mehr als 30 Kilometer unterwegs ist". Das beruhigt nur nicht. Denn man schaut nicht nur auf den Durchschnitt, wenn man ein Auto anschafft. Man schaut auf die Extreme: Urlaubsfahrt, Kundenbesuch, Ausflug. Hierbei kommt man leicht an die Reichweitengrenze derzeitiger Elektroautos. Der öffentliche Nahverkehr wird ja auch nicht am Durchschnitt ausgelegt, sondern mit Rücksicht auf den Berufsverkehr. Was nützt die freie Fahrt auf der Busspur in der Stadt, wenn man nicht in die nächste Stadt kommt?
Die begrenzten Reichweiten sind ein lösbares Problem. Neue Akkutechnologien wie Lithium-Sauerstoff-Akkus versprechen höhere Energiedichten und damit mehr Reichweite. Feststoff-Elektrolyte machen Akkus kälteresistenter. Wenn Tobias Schaumann von dem "Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit" schreibt, das ein voller Benzintank garantiere, muss hinzugefügt werden, dass sich das Gefühl auch deshalb einstellt, weil ein Lade-/Tankvorgang in weniger als fünf Minuten erfolgen kann und weitere zig Hundert Kilometer ermöglicht. Selbst ein Tesla Supercharger hingegen kommt nach 30 Minuten Ladezeit nur auf 270 Zusatzkilometer. Auch hier können neue Technologien wie die Aluminiumbatterie, die sich in einer Minute aufladen lässt, Abhilfe schaffen. Und selbst wenn eine schnelle Ladung möglich ist, bleibt ein ungutes Gefühl, wenn der Akku nach zwei bis drei Jahren an Leistung verliert. Das wäre so, also ob ein Verbrennungsmotor nach der Garantie die Hälfte seiner Zylinder abschalten würde. Solange die Akkus nicht jahrelang halten oder eine kostengünstige Tauschmöglichkeit geboten wird, muss das Zögern der Kundschaft niemanden verwundern. Doch auch hier scheint durch die University of California eine Lösung in Sicht. Die automobile Wende wird deshalb nicht an der Technologie scheitern.
Tobias Schaumann wirft die Frage auf, ob und wie sich der Staat engagieren soll und zeigt:
"Über die staatliche Bezuschussung von Neuwagenkäufen freut sich in erster Linie die in Geld schwimmende Industrie."
Zum Einen geht es um die Frage, wie der Strom erzeugt wird. Nur Regenerativstrom macht hier überhaupt Sinn. Dann geht es um die Frage, wie der Strom verteilt wird. Dies ist keine nationale Frage: Denn was hilft ein dichtes Ladenetz in Deutschland, wenn der Skiurlaub in Österreich nicht mehr möglich ist, weil das Auto nicht geladen werden kann. Es geht um die Frage, wie an den Wohnorten der Menschen Lademöglichkeiten geschaffen werden können, so dass beim Wegfahren die volle Kapazität zur Verfügung steht und nicht nach 30 Kilometern 30 Minuten Ladepause gemacht werden müssen. Das Laden am Arbeits(park)platz klingt verlockend, hilft im Urlaub oder Menschen ohne (festen) Arbeitsplatz aber nicht.
Und schließlich geht es um die Frage, wer welchen finanziellen Beitrag leisten soll. Soll der Staat quasi Tankstellen errichten, mit denen die Unternehmen anschließend Gewinne einfahren? Welcher Beitrag ist im Sinne der automobilen Wende, der Ablöse von Verbrennungstechnologie, von der Gemeinschaft zu tragen und welche Erträge dieser Wende kommen in welcher Form an die Gemeinschaft zurück? Selbst wenn die Wende nicht scheitert, sie wird sich verzögern, wenn der Eindruck geweckt würde, vor allem die Industrie gehöre zu den Gewinnern. Tobias Schaumann warnt davor, die Fehler zu wiederholen, die mit der Bezuschussung von Neuwagenkäufen gemacht wurden. Recht hat er.

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