Sonntag, 9. Oktober 2016

Deutsche Banken kriseln

In der Printausgabe der Augsburger Allgemeinen hat Stefan Stahl am 7.10. einen Leitartikel zur Situation der Banken in Deutschland veröffentlicht:


Stefan Stahl schreibt richtig:
"Krisen entstehen nicht über Nacht. Es ist wie beim Menschen: Wer sich jahrelang falsch ernährt und zu wenig bewegt, wird irgendwann krank."
Aufgescheucht durch die Krise aus den USA, als Lehman Pleite ging, wurden Bestimmungen im Bankenrecht verschärft, die Stefan Stahl "Daumenschrauben" nennt und die als "Basel III" bekannt sind. Diese Vorgaben machen das Bankgeschäft teurer, weil höhere Sicherheitsrichtlinien einzuhalten sind, Risiken im Bankgeschäft stärker abgesichert werden müssen und Berichtsanforderungen verschärft wurden. Beispielhaft sei hier eine Warnung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes zitiert:
"Insbesondere die geplante Reform des Standardansatzes für Kreditrisiken führt nach aktuellem Stand zu einer deutlichen Verteuerung von Wohnimmobilienfinanzierungen und beim klassischen Dispositionskredit."
Obwohl diese Vorschriften die Banken meinen, die die Krise verursacht haben, müssen alle darunter leiden. Stefan Stahl schreibt:
"Über Jahrzehnte solide wirtschaftende Banken zahlen die Zeche für die Exzesse großer globaler Finanz-Adressen."
Weiter sei die "Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank" mit Schuld an der schlechten Ertragslage. Die Deutsche Bank schreibt in ihrer Presseinformation vom 27. Juli 2016:
"Die Erträge in der Transaktionsbank blieben im Vergleich zum Vorjahr im Wesentlichen stabil, während die Erträge im Geschäft mit Privat-, Vermögens- und Firmenkunden (PW&CC) um 11% zurückgingen. Letzteres war auf das niedrige Zinsniveau und auf schwierige Bedingungen bei Anlageprodukten zurück zuführen."
"Geschäft mit Privat-, Vermögens- und Firmenkunden (PWCC): 2.000 neue Firmenkunden in Deutschland und über 10.000 Neukunden bei Privat- und Firmenkunden (PCC) International sowie starkes Konsumentenfinanzierungsgeschäft im Jahresvergleich."
Es ist nicht nur die geringe Höhe der Zinsen. Trotz des kaum höheren Leitzinses in den USA konnte die Bank of America lt. ihrer Pressemitteilung zum Halbjahresergebnis 2016 im Consumer Banking das "Net interest income (FTE)" von 5,04 Mrd $ auf 5,27 Mrd. $ binnen Jahresfrist steigern.
Es ist auch ein geändertes Kundenverhalten. Stefan Stahl schreibt:
"Die Bankfiliale steckt immer öfter in Form eines Smartphones in der Hosentasche. Mit dem digitalen Freund erledigen Verbraucher mobil ihre gängigen Bankgeschäfte."
Der Umfeldanalyse von Stefan Stahl füge ich einen Hinweis auf die sog. "FinTechs" hinzu. Man braucht sich nicht allein vor den "US-Internet-Imperialisten wie Apple, Google oder Amazon" zu fürchten. Für Geldtransfers von A nach B braucht es keine Bank mehr, bei der Kontonummern oder IBAN-Zeichenketten verwendet werden; es reicht eine Mailadresse. Einen Kredit kann man auch "von der Crowd" bekommen, wenn das Ziel der Kreditaufnahme plausibel ist. Eine Anstoßfinanzierung für eine Geschäftsgründung kann über "Crowd Funding" erfolgen. Es ist nicht nur so, dass Bankfilialen durch das Smartphone abgelöst werden. Es sind Szenarien denkbar, die ähnlich der Situation im Mobilfunkmarkt sind. Dort sind die Mobilfunkanbieter diejenigen, die die Funkinfrastruktur anbieten. Das große Geld verdienen andere wie Google, die mit der datenintensiven Plattform wie Youtube Werbegelder einstreichen und die Mobilfunker in Kapazitätsprobleme bringen. Was, wenn Banken auch nur noch die "Infrastruktur" wären? Stefan Stahl hat im Eingang zu seinem Leitartikel darauf hingewiesen: Wer sich zu wenig bewegt, wird krank.
Die Deutsche Bank hat dabei noch ein spezielles Problem, das in der Einstellung und dem Habitus von "Führungsgrößen" wie Ackermann und Konsorten begründet liegt. Über Jahre hinweg wurde eine fragwürdige Strategie propagiert, man wähnte sich als zu gut für den Privatkunden. Das Investmentbanking und die hier erzielbaren Renditen lockten fragwürdige Spielernaturen an, die für ihren Bonus sogar Gesetze verletzten (Stichwort: Libor-Manipulation, z.B. im Handelsblatt). Das hat eine gänzlich andere Qualität als die gebündelten Kredite, die Lehman in die Pleite trieben. Solche Produkte könnten zumindest theoretisch funktionieren. Zinsmanipulation funktioniert nicht nachhaltig, weder theoretisch noch praktisch.
Für die Banken heißt dies:
  1. Es nützt nichts, sich vor Entwicklungen zu verstecken. Die Digitalisierung wird neue Spieler auf das Feld des Finanzwesens bringen. Die Banken können mitspielen oder werden irgendwann nur noch vom Rand aus zuschauen können.
  2. Es braucht auf allen Ebenen Personal, das sich das Vertrauen der Kundschaft verdient. Mit einer klaren Strategie, mit einer klaren Kundengruppe, mit klaren Produkten und einem moralisch einwandfreien Geschäftsgebaren.
  3. Dazu braucht es Führungskräfte, die in der Lage sind, dies zu leben. Wo soll die Loyalität der Mitarbeiter herkommen, wenn sie bei Massenentlassungen die Strategiefehler des Managements ausbaden müssen?

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