Freitag, 28. Oktober 2016

Gründe gegen das Gründen

Stefan Stahl hat in der Augsburger Allgemeinen am 28.10. einen Leitartikel veröffentlicht zum Gründergeist in Deutschland:


Seit mehreren Jahren lässt sich beobachten, dass die Zahl der Unternehmensgründungen sinke, wie verschiedene Untersuchungen zeigen. Stefan Stahl schreibt:
"Die Gründe liegen nämlich auf der Hand, warum es in Deutschland keine wagemutigen Typen wie Microsoft-Gründer Bill Gates oder zu allem entschlossene Männer wie Tesla-Elektroauto-Pionier Elon Musk gibt. Hierzulande herrscht – auch wohlstandsbedingt – eine hohe Sicherheitsmentalität. Scheitern wird, anders als in den USA, gesellschaftlich nicht akzeptiert.
Hinzu gesellt sich ein auf Vorurteilen beruhendes negatives Bild von Unternehmern. Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, beklagt zu Recht, dass in Tatort-Krimis Firmenchefs oft raffgierige Menschen seien, die über Leichen gehen."
Ich glaube, es gibt eine Reihe weiterer Gründe für ein Zögern bei der Unternehmensgründung.


Umfeldbezogene Gründe

Wer die USA und Deutschland vergleicht sieht, wie viel einfacher in den USA ein Unternehmen gegründet werden kann. Es geht schneller, es ist billiger. Ohne Beratung zu den rechtlichen Vorgaben ist es in Deutschland fast fahrlässig, ein Unternehmen zu gründen. Schnell ist eine Anmeldung bei Kammer X, Behörde Y und Versicherung Z übersehen. Oft gibt es Vorbehalte gegen Unternehmer: Bösewichte im Tatort sind ein Beispiel, Manager - nicht immer sind sie auch Unternehmer- als generelle Buhmänner ein anderes. Kapitalgesellschaften sind ohnehin suspekt, weil sie nur Kapitalinteressen bedienen würden - siehe Leserbriefe zu CETA. Dabei ist eine Kapitalgesellschaft lediglich eine Form der Haftungssteuerung. Startup-Financiers sind Helden, Aktionäre etablierter Unternehmen geldgierige Kapitalisten. Unternehmen sind Steuervorenthalter, keine Produzenten nachgefragter Produkte oder Arbeitgeber. Die FDP wird als "Unternehmerpartei" gesehen und hat das Problem, dass sie von vielen für eine Die-machen-nur-Politik-für-die-Reichen-Partei gehalten wird. Natürlich gibt es Fälle, die diese Vorurteile unterstützen, die Generalisierung der Fälle allerdings ein großer Fehler.


Menschliche Gründe

Um ein erfolgreicher Unternehmer zu sein, reicht es nicht, fachlich gut zu sein. Neben Fachkenntnissen braucht es ein kaufmännisches Händchen, um Preise und Kosten auszutarieren. Es braucht ein organisatorisches Händchen, um den notwendigen Papierkram zu erledigen, z.B. korrekte Rechnungen zu schreiben und deren Bezahlung durchzusetzen. Es braucht ein verkäuferisches Händchen, um überhaupt Kunden zu finden, die das Produkt kaufen wollen. Bei letzterem tun sich offene Personen leichter, weil sie unbeschwerter auf andere zugehen können. In den USA ist diese Offenheit eher in der Kultur verankert als in Deutschland, wo der anfängliche Umgang miteinander distanzierter oder reservierter ist. Womöglich leistet auch das Schulsystem mit rigiden Lehrplänen und einer Konsumhaltung gegenüber dem Lehrstoff sowie die Art der Prüfungen nicht das, was für mehr Unternehmertum nötig wäre. Und ja, Unternehmertum muss man sich trauen, weil der Ausgang nicht sicher ist. Dabei ist es notwendig, von sich und dem Produkt überzeugt zu sein. Der Erfolg kann dauern, Durchhaltevermögen deshalb notwendig. 


Fazit

Stefan Stahl schreibt:
"Vielleicht kann die Vox-Sendung helfen, das Image von Unternehmern zu verbessern. Das ist notwendig. Weil die wirtschaftliche Lage in Deutschland so gut ist und Fachkräfte händeringend gesucht werden, fällt der Druck auf junge Menschen gering aus, sich eine eigene Existenz aufzubauen und als cooler Typ eine Firma zu gründen."
Eine eigene Existenz baut sich nicht nur der auf, der ein Unternehmen gründet. Arbeitnehmer mit mehrjähriger Berufserfahrung und Expertise in ihrem jeweiligen Fachgebiet taten dies ebenso. Es sollte kein "Druck auf junge Menschen" ausgeübt werden zur Firmengründung. Denn wenn der Wirkungszusammenhang der Behauptung richtig wäre, müsste dafür die wirtschaftliche Lage schlechter werden. Das kann niemand wollen. Unternehmen sollten gegründet werden, weil es einen Markt für die Produkte gibt und weil es Gründer gibt, die die dazu notwendigen Kompetenzen mitbringen. Ein Blick auf die unter Kanzler Schröder erfundene Ich-AG, bei der Arbeitslose zur Gründung ermuntert wurden, zeigt dies. Aus purer Not und oft ohne unternehmerischen Spirit gaben Arbeitslose dem Druck nach und fristeten ein unwürdiges Dasein. Das ist nicht der Unternehmergeist, den Deutschland braucht.
Stefan Stahl weist auf die "hohe Sicherheitsmentalität" in Deutschland hin. Ja. Alle schreien wegen der Null-Zins-Politik der Zentralbank, die die Zinsen für das Sparbuch klein hält. Kaum einer wagt es jedoch, seine Gelder in Aktien umzuschichten. Drum mag die Vermutung von Stefan Stahl zutreffen:
"Am Ende werden es vielleicht Migranten sein, deren Hunger nach sozialem Aufstieg derart groß ist, dass sie sich häufig selbstständig machen und helfen, den Wohlstand in Deutschland zu sichern."
Es müssen nicht Deutsche sein, die in Deutschland Gründer werden. Allerdings wäre es sehr schade, wenn Deutsche nur noch als ängstliche Angestellte die Ideen anderer umsetzen würden. Nur lässt sich dies nicht verordnen oder über Gesetzte erzwingen, sondern ist etwas, das langsam wächst.

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