Donnerstag, 7. Juli 2016

Walter Boris Nigel Roller

Nicht dass Walter Roller, Boris Johnson und Michael Farage sich nun zu einem Wesen vereinigt hätten. Aber sie teilen einen gewissen Arbeitsstil. Walter Roller hat in der Printausgabe der Augsburger Allgemeinen am 7.7. einen Leitartikel veröffentlicht:


Zu dem Leitartikel kann viel gesagt werden, zu Nationalstaaten beispielsweise, zur Forderung nach Abbau von Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa bei gleichzeitiger Forderung nach möglichst strikter Budgetdisziplin - merkt Walter Roller hier seine Widersprüchlichkeit? -, Vertiefung und Ausbau der EU. Ich will mich auf eine Passage konzentrieren. Walter Roller schreibt:
"Es war der erklärte Wille der Eliten Europas, die Bande zwischen den Ländern immer enger zu knüpfen und eines fernen Tages eine Art von europäischem Superstaat zu gründen. Die Rechnung wurde ohne den Wirt gemacht, die Umsetzung des kühnen Plans von oben herab und ohne hinreichende demokratische Beteiligung verordnet."
Die Vokabel "Superstaat" kennt auch die AfD und schreibt in einer Pressemitteilung am 15.08.2013:
"Alexander Gauland, stellvertretender Sprecher der Alternative für Deutschland, begrüßt es grundsätzlich, dass eine solche Diskussion offen stattfindet und die unterschiedlichen Positionen klar zu Tage treten. 'Das von Harpprecht geforderte Aufgehen der Nationalstaaten im Einheitsbrei eines bürokratischen Superstaates lehnen wir ab. Freiheit und Rechtsstaatlichkeit brauchen den Nationalstaat.'"
Die Vokabel "verordnet" wird von der AfD oft verwendet und zu vielen Themen in Stellung gebracht. Da wird bzgl. der Flüchtlinge ein politisch verordneter Kontrollverlust behauptet, https://www.alternativefuer.de/tag/slowakei/ verordnet, oder eine Erhöhung der Akademikerquote in der EU verordnet.
Die Vokabel "Eliten" benutzt auch stellvertretende AfD-Vorsitzende Albrecht Glaser am 30.06. 2016:
"Die europäische politische Elite verweigert sich hartnäckig der Lektion aus England. Die EU wird delegitimiert, weil sie in allen Belangen versagt hat."
Bei so viel Gewäsch geht unter, dass einzelne Kritikpunkte berechtigt sind. Eine Wüste bleibt eine Wüste, auch wenn sich hie und da Oasen finden.
Walter Roller kritisiert laufend, die EU würde nichts lernen aus der Brexit-Lektion. Im Glashaus sollte er vorsichtiger sein, welche Steine er wirft. Er bedient sich des Vokabulars rechter Populisten und er stellt unwahre Behauptungen auf, wenn er die Umsetzung Europas "ohne hinreichende demokratische Beteiligung verordnet" sieht. Er zeigt sich von Argumenten unbeeindruckt, er kann oder will nicht lernen und hat einen Geheimplan. Ich gebe nicht auf und bringe als leicht verständliche Lektion für Hr. Roller einen Auszug aus Wikipedia zur EU-Kommission:
"Im politischen System der EU nimmt sie vor allem Aufgaben der Exekutive wahr und entspricht damit ungefähr der Regierung in einem staatlichen System."
"Die Mitglieder der Kommission der Europäischen Union, die 'EU-Kommissare', werden von den Regierungen der EU-Staaten nominiert und vom Europäischen Parlament bestätigt."
Ergänzend zum EU-Parlament:
"Das Europäische Parlament (auch Europaparlament oder EU-Parlament; kurz EP) mit offiziellem Sitz in Straßburg [...] ist das Parlament der Europäischen Union (Art. 14 EU-Vertrag). Seit 1979 wird es alle fünf Jahre in allgemeinen, unmittelbaren, freien, geheimen, aber nicht gleichen Europawahlen von den Bürgern der EU gewählt."
Wo genau das demokratische Defizit sein soll, lässt Walter Roller offen. Gewählte Regierungen bestimmen gemeinsam mit einem gewählten Parlament die Organe der EU. Die EU-Entscheidungen sind somit demokratisch. Niemand hat Zweifel an der demokratischen Legitimation deutscher Gesetze oder politischer Entscheidungen. Angriffe auf Entscheidungen kommen von denen, die inhaltlich anderer Meinung sind. Eine fehlende Volksabstimmung wird da gleich zum Demokratiedefizit hochstilisiert. Das ist Populismus pur. Denn dort herrscht die Ansicht, Volksabstimmungen seien der Gipfel der Demokratie. Was sie nicht sagen ist, dass sie hierfür die leichte Lenkbarkeit der Massen im Auge haben.
Doch zurück zu Walter, Boris und Nigel: Die Saboteure Boris Johnson und Nigel Farage sind zurückgetreten, nachdem sie Schaden angerichtet haben mit fragwürdigem Verhalten und teilweise unwahren Behauptungen. Walter Roller sollte es ihnen gleichtun und nicht länger die überparteiliche Zeitung zum getarnten AfD-Sprachrohr machen. Zur Inspiration für eine neue Aufgabe: Frauke Petry arbeitet nicht mehr mit dem Parteipressesprecher Christian Lüth zusammen, wie beispielsweise der Spiegel berichtet hat. Walter Roller hat Presseerfahrung, trägt Anzug über der Uniform und zeigt in vielen seiner Leitartikeln inhaltliche Nähe zur Partei.

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