Mittwoch, 18. Mai 2016

Walter Rollers alarmierender Niedergang

Die Augsburger Allgemeine berichtet über die dramatisch sinkende Zustimmung zu den Volksparteien im Allgemeinen und zur SPD im Besonderen. In der Printausgabe am 18.05. findet sich ein Leitartikel von Walter Roller zu diesem Thema:


Walter Roller zieht Parallelen zwischen Deutschland und Österreich und den Wahlerfolgen der FPÖ. Walter Roller schreibt zu den Ursachen:
"Für beide Volksparteien rächt sich nun, dass sie die Sorgen und Ängeste eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung nicht ernst genug genommen haben. Nicht nur in der Einwanderungspolitik, sondern auch auf anderen Feldern wie der angeblich ebenfalls 'alternativlosen' Euro-Rettungspolitik."
Er greift viel zu kurz, wenn er vor allem die Flüchtlings- und Eurokrise verantwortlich macht für die abnehmende Zustimmung der Wähler für die etablierten Parteien und die zunehmende Zustimmung für rechte Parteien wie AfD.
Schaut man sich die SPD an, zeigt sich ihr Niedergang im Gleichschritt mit der Sozialdemokratie in anderen Ländern. Sogar in Ländern, die nicht bevorzugtes Zielland für Flüchtlinge sind. In Deutschland kommt die SPD von der Union in Bedrängnis, weil die Union inzwischen Themen besetzt, die früher zu weit links waren. Zudem hat die Sozialdemokratie das Problem, dass sie kein Mittel gefunden hat, um ihre Kernwähler trotz Globalisierung bei der Stange zu halten. Sie hat keine tragfähige Strategie für die moderne Wirtschaft. Die Sozialdemokratie hat das Problem des eigenen Erfolges. Sie hat eine deutliche Verbesserung der Arbeitnehmerrechte geschafft, kann nun aber kein neues Ziel mehr nennen. Fordert sie hier ein Mehr (z.B. Rente mit 63), muss sie die Frage der Finanzierung beantworten, was in Anbetracht des Austeritätspolitik kaum möglich ist.
Die Sozialdemokratie ging von einer mehr oder weniger einheitlichen Masse von Arbeitern aus. In Zeiten der Industriealisierung mit den Massen an Arbeitern eine verständliche Hypothese. Diese gleichförmige Arbeitermasse gibt es nicht mehr. Die Arbeitswelt ist differenzierter und damit fällt für die SPD die gemeinsame Zielgruppenklammer weg. Die SPD kann nicht erklären, warum das Leitbild "Entbürokratisierung, Weniger Staat", "Mehr Verantwortung" etc. der vergangenen Jahre und Jahrzehnte nun nicht mehr gelten solle. Sie hat diese Liberalisierung mitgetragen und sich damit selbst ein Bein gestellt: Sozialdemokratie setzt ja gerade auf einen aktiv ausgleichenden Staat.
Die Union hat ebenfalls ihre Probleme. Ihre Öffnung nach links hin zur Mitte hat sie am rechten Rand Wähler verlieren lassen, die sich bei der vordergründig national-konservativen Partei AfD inzwischen besser aufgehoben fühlen. Sie propagierte Europa und Globalisierung und kann nun nicht glaubwürdig zurück zum Nationalen. Die abnehmende Bindung der Bevölkerung an Kircheninstitutionen nagt auch an der Bindung an christliche Parteien.
Hieraus lassen sich Kritikpunkte an den Parteien und ihrem Verhalten ableiten. Das darf jedoch nicht dazu führen, die Wähler aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Wähler tragen eine Verantwortung dafür, welche "Sorgen und Ängste" sie haben, welche wirklich begründbar sind und welche eingeredet oder durch Einreden verstärkt sind. Sie tragen eine Verantwortung dafür, an welche Lösungen sie glauben und an welche nicht. Walter Roller irrt, wenn er meint, die von AfD, FPÖ etc. eingeredeten Ängste sind das Maß, nach dem sich alle Parteien richten müssen. Diese Ängste lenken lediglich die Aufmerksamkeit auf die Punkte, von denen die AfD die Lösung zu kennen behauptet. Doch Vorsicht: Wer Angst um seinen Arbeitsplatz hat, weil globalisierte Roboter ihn übernehmen könnten, dem sei gesagt: Auch die AfD wird Dir da nicht helfen können, der Roboter wird kommen!
Walter Roller endet mit:
"Deutschland ist nicht gefeit vor 'österreichischen Verhältnissen'."
Richtig. Mitte Dezember war er noch der Meinung, Deutschland hätte die "historische Lektion" gelernt und wäre gefeit. Seinen Optimismus teilte ich schon damals nicht.


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