Sonntag, 28. Februar 2016

Warum CSU wählen?

Die Augsburger Allgemeine berichtet über die Differenzen zwischen CDU und CSU:


Markus Söder sieht eine "tief [greifende] Entfremdung zwischen CDU und CSU". Edmund Stoiber hingegen "macht die Asylpolitik der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ein Erstarken der Rechten in ganz Europa verantwortlich". Bloß gut, dass er keine konkreten Beispiele nennt. Front National in Frankreich oder Partij voor de Vrijheid in den Niederlanden oder SVP in der Schweiz sind Beispiele rechter Parteien, die bereits seit Jahren aktiv und in Wahlen erfolgreich sind. Die hätten unabhängig von Merkels Politik ihren Vorteil aus der Situation um die Flüchtlinge gezogen. Bloß gut, dass sich die CSU inhaltlich so weit von den Rechten absetzt, dass keine Gefahr besteht, die Grenze zu rechts weit in die politische Mitte zu schieben.
In der gleichen Ausgabe der AZ wird über Horst Seehofer berichtet, der ARD und ZDF attackiert:


Ich fasse kurz zusammen:
  • Die Kanzlerin ist an der aktuellen Situation in Deutschland schuld, weil sie Menschen mit einer fremden Kultur und Religion einlädt, nach Deutschland zu kommen.
  • Die Kanzlerin ist an der europäischen Situation schuld, weil es ihr nicht gelingt, eine gesamteuropäische Lösung zu erreichen.
  • Es müssen nationale Lösungen ergriffen werden.
  • Die Grenzen müssen geschlossen werden.
  • Die Presse berichtet "zum Teil wenig real", vulgo Lügenpresse.
Also, liebe CSU, warum sollte ich Euch wählen? Diese Sprüche hat die AfD viel besser drauf, die sind das Original. Es geht mir nicht darum, dass Euer politisches Themenspektrum vielleicht breiter ist als das der AfD. Es geht mir nicht darum, dass einzelne Vögel in der AfD Waffen gegen Flüchtlinge einsetzen möchten und sich damit jenseits aller Grundsätze ein Nest bauen. Die Frage ist: Eure Lösungen und Anklagen sind für mich kaum mehr von denen der AfD zu unterscheiden, was also spricht für Euch? Nicht gegen die AfD, da fällt mir selber genügend ein! Bitte klärt mich auf.

Samstag, 27. Februar 2016

Europas verspielte Zukunft

Wlater Roller weist in seinem Leitartikel darauf hin, die Flüchtlingsfrage würde zur Schicksalsfrage der EU:


Ja. Einer der Grundpfeiler der EU, die Solidarität und das Miteinander, wird zugewuchert von Nationalstaaterei, Kleinmut und Egoismen.
Walter Roller schreibt am Ende, dass "[g]anz Europa [...] begreifen [muss], dass die Flüchtlingsfrage alle betrifft und jeder Staat seinen humanitären Beitrag leisten muss". Richtig, das mögen sich Europas Mächtige ganz groß auf's Tapet schreiben.

Walter Rollers zwiespältige Forderung

Einige Teile des Leitartikels gemahnen jedoch zur Vorsicht. Mit der Bezeichnung als "moderne Völkerwanderung [,die] Europas politische und kulturelle Landschaft verändern wird" leistet er diffusen Ängsten Vorschub, die eine Islamisierung des Abendlandes über sich hereinbrechen sehen und dabei verkennen, dass nicht jeder Muslim als Missionar agiert. Walter Roller weist hin, "die Politik [habe] es in der Hand, den Rückfall in die nackte Nationalstaaterei zu verhindern und die Flüchtlingszahlen [...] auf ein verkraftbares Maß zu verringern". Richtig. Nur bleibt das Verkraftbare unklar und lässt Raum für Scheinlösungen wie "der Beschluss Österreichs, im Bunde mit neun Balkanstaaten den Ansturm von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Armutsgrenzen an den eigenen nationalen Grenzen zu stoppen". Dabei erkennt er selbst den Schein der Lösung, wenn er im nächsten Satz "auf das Risiko [hinweist], das Not leidende EU-Mitglied Griechenland in eine Art Flüchtlingslager der EU umzufunktionieren."
Walter Roller hat Sympathien mit der Grenzschließung Österreichs. Dabei lässt Österreichs Obergrenze Luft für mehrere Tausend Durchreisende nach Deutschland. Damit legt Österreich die Grundlage für das, was gemeinhin als illegale Einreise tituliert wird: Aus einem sicheren Drittland nach Deutschland einreisen zu wollen, ohne im Drittland Asylantrag zu stellen. Es ist bemerkenswert, wie aus diesem Maßnahmenbündel ein Aspekt gelobt, der der oft so genannten "illegalen Einreise" schlicht ignoriert wird.
Walter Roller schreibt, die "Länder auf der 'Balkanroute' handeln, weil die von der Kanzlerin seit Monaten beschworene europäische Lösung in weiter Ferne liegt." Ganz so einfach ist es nicht. Denn Ungarn zum Beispiel hat seine Grenzen geschlossen, ohne echte Not mit den Flüchtlingen gehabt zu haben - die allermeisten waren auf der Durchreise. Polen weigert sich überhaupt. Was Walter Roller als "handeln" bezeichnet, ist nationalstaatlicher Aktionismus. Wäre die Energie und das Geld in die europäische Lösung gelenkt worden, hätte Europa mehr erreichen können als den Status Quo, in dem "[n]ichts funktioniert - weder der Schutz der Außengrenze noch die Verteilung".
Walter Roller bemerkt, dass "[f]ast alle Staaten [...] die Deutschen im Stich" lassen. Die Ursache macht er im "mit hohem moralischen Anspruch eingeschlagene[n] Sonderweg offener Grenzen" aus. Deutschlands Weg ist wenigstens einer mit moralischem Anspruch. Was andere Länder abliefern ist nicht mit den Ansprüchen Europas an sich selbst in Einklang zu bringen. Deutschlands Weg ist ein Sonderweg, weil kein anderes Land ihn beschreiten mag. Schämen sollten sich die Verweigerer dafür.
Walter Roller fordert, jedes Mitglied Europas müsse seinen Beitrag leisten, "um den Neuankömmlingen Zuflucht zu bieten". Im übernächsten Satz schreibt er dann von "einem an den Grenzen gesetzte[n] Signal für die begrenzte Aufnahmefähigkeit Deutschlands". Das ist zwiespältig, verwirrend. Einerseits soll Deutschland an der Grenze Signale setzen, gleichzeitig sind die von anderen Ländern gesetzten Grenzsignale ein Zeichen mangelnder Solidarität.

Chaotischer Rückstau

In der selben Ausgabe schreibt Mariele Schulze-Berndt über die Folgen der Grenzmaßnahmen für Griechenland:


Österreich spürt bereits erste Folgen:
  • die Innenministerin wurde von der griechischen Regierung ausgeladen
  • die Zahl der Einreisenden hat sich deutlich verringert, ebenso die Anzahl neu gestellter Asylanträge
Wie weit es mit der Solidarität Europas her ist zeigt in Griechenland "die Befürchtung, die aus der Türkei anreisenden Flüchtlinge allein versorgen zu müssen". Die Flüchtlinge werden "vorerst auf drei großen Fähren untergebracht" - ein wahrlich optimaler Ort. Es gibt bereits erste Warnungen "vor einer humanitären Katastrophe, falls zehntausende Flüchtlinge dauerhaft in Griechenland oder an der türkischen Küste festsitzen sollten".
Die Grenzschließungen führen in der Schlepperbranche zu einem Aufblühen der finsteren Geschäfte. Neue Routen werden angeboten, über Albanien oder über die Adria nach Italien. Es wäre schön, Walter Roller würde in seinen Leitartikeln auch solche Reaktionen der an der gesamten Szenerie Beteiligten berücksichtigen, wenn er Signale an deutschen Grenzen fordert. Wenn er glaubt, mit solchen Forderungen die AfD eindämmen zu können, sollte er einen Blick auf die FPÖ werfen, die angekündigt haben, ein "Asyl-Volksbegehren" durchführen zu wollen. Es dürfte nicht überraschen, wenn dabei unsolidarische, uneuropäische Scheinlösungen obsiegen.

Montag, 22. Februar 2016

Privatsphäre für alle

Michael Stifter stellt in seinem Artikel die Frage, ob "Verbrecher ein Recht auf Privatsphäre" haben:



So wie Michael Stifter fragt und mit Blick auf das Grundgesetz: Ja. Privatsphäre ist ein Teil der Menschenwürde. Ohne Privatheit keine Würde. Natürlich sind Konstellationen möglich, die einen Eingriff in die Privatheit rechtfertigen. Telefonüberwachung, der Bruch des Briefgeheimnisses oder Wohnungsdurchsuchungen sind bei bestimmten Straftaten - Terrorismus ist eine davon - das Mittel der Wahl für die Ermittler. Gefängnisinsassen haben nur äußerst eingeschränkt Privatsphäre.
Im dargestellten Fall von Farooks Mobiltelefon ist die Frage jedoch falsch gestellt. Es ist unstrittig, dass die Ermittler Zugriff auf das Telefon haben und dort beliebige Informationen auslesen dürfen, die für die Ermittlungen relevant sein könnten. Nur können sie nicht, weil eine Codesicherung den Informationsabgriff be- oder verhindert. Der Gerätehersteller soll nun einen Mechanismus schaffen, der die Sicherung umgeht und die Informationen zugänglich macht.
Was gab es für einen Aufschrei, als publik wurde, dass die NSA vergleichbare Mechanismen zur Überwachung von Kommunikation im Internet etabliert hatte. "Abhören unter Freunden, das geht gar nicht." wurde zum geflügelten Wort. Die eigentliche Frage ist eine andere: Dürfen Bürger Methoden verwenden, die es staatlichen Stellen erschweren, in die Privatsphäre der Bürger einzudringen? Und dürfen die Bürger dabei Angebote von Unternehmen nutzen, die solche Mechanismen entwickeln und anbieten. Ich meine: Ja. Weiter ist dann zu fragen, wie bei einem erfolgten Einbruch in das gesicherte Gerät sichergestellt wird, dass unbescholtene Bürger weiterhin einen verlässlichen Schutz der Privatsphäre genießen können. Denn die haben selbst dann ein Recht auf Privatsphäre, wenn sie Verbrechern abgesprochen würde.
Damit verkürzt Michael Stifter die relevanten Fragen und bringt eine fehlgeleitete Überschrift. Am Schluss hat Michael Stifter recht: das wird vor den Höchstgerichten entschieden werden.

Donnerstag, 18. Februar 2016

Wer hat Angst vor dem bösen AfD?

Jürgen Marks beginnt seinen Leitartikel in der Augsburger Allgemeinen mit:
"Es ist nur schwer verständlich, wie ungelenk und hilflos viele Parteien dieser Tage mit der AfD umgehen."


Schaut man sich eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung an, wird Marks' Appell noch dringender. Die Studie stellt fest:
"Eine deutliche Mehrheit der EU-Bürger erwartet eine gesamteuropäische Antwort auf die Flüchtlingssituation und eine faire Verteilung der Neuankömmlinge auf alle europäischen Staaten. Nationalen Alleingängen erklären sie eine klare Absage. Das zeigt unsere neue Umfrage aus der Reihe 'eupinions', die regelmäßig Positionen europäischer Bürger zu aktuellen politischen Debatten analysiert.
Die zweite Ausgabe der 'eupinions'-Umfrage-Reihe beleuchtete in allen 28 EU-Mitgliedsstaaten die Einstellungen der Bevölkerung zu den Themen Asyl und Migration. Danach sprechen sich 79 Prozent der Befragten für eine gemeinsame europäische Asyl- und Migrationspolitik aus. Die EU-Institutionen sollten hier federführend die Verantwortung tragen, meint etwas mehr als die Hälfte der Europäer. 27 Prozent wünschen sich eine Aufteilung der Verantwortung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten. Lediglich 22 Prozent würden die Migrationspolitik lieber ausschließlich ihrem eigenen Land überlassen."
Um so unverständlicher ist die Hilflosigkeit vieler Parteien. Allerdings erklärt es das hysterische Gehabe der CSU. Denn wenn die Flüchtlingsfrage die derzeit drängendste der Politik ist und nur etwa 21% einer nationalen Lösung etwas abgewinnen können, adressiert die CSU mit ihrer vorgeblichen Lösung nur diese 21%. In diesem kleinen Teich fischt auch die AfD mit Erfolg. Kleiner Tipp von mir an die CSU: Überlegen Sie mal, ob Sie nicht lieber auf die Stimme des Volkes hören wollen - was Sie ohnehin von sich behaupten - und in den 79%-Teich wechseln wollen. Dann wären Sie auch Ihren Angstgegner AfD los.

Dienstag, 16. Februar 2016

Uneuropäisches bar jeder Vernunft

Heute hat die Augsburger Allgemeine zwei beachtliche Leserbriefe veröffentlicht:


Elisa Birkner glaubt, mit Zäunen und Waffen Flüchtlinge von der Grenze zu Europa und der Einreise nach Europa abhalten zu müssen: "Alles andere hält keinen einzigen Flüchtling ab". Ehrenfried Polzer lobt Länderchefs, die "zuerst an ihr eigenes Volk" denken.
Ich frage mich, was diese beiden Personen in Europa wollen. Die in den Leserbriefen dargestellten Ansichten haben nichts, aber auch gar nichts zu tun mit den Werten, auf die Europäer so stolz sind: Offenheit, Gemeinschaft und Gemeinsamkeit, Menschlichkeit.
Einen weiteren europäischen Wert bringt Michael Pohl in seinem Leitarartikel:


Er beschreibt Merkels Lösungsansatz als "Lösung der Vernunft ". Nicht nur das: er ist ein europäischer Ansatz. Wer sich dem Ansatz so grundsätzlich verweigert wie vor allem einige osteuropäische Staaten es tun - oder wie es aus den oben zitierten Leserbriefen tönt - hat Europa nicht verstanden.

Sonntag, 14. Februar 2016

Wenn die Raumzeit zittert

Die Augsburger Allgemeine berichtet über den wahrscheinlichen Nachweis von Gravitationswellen:


Der Bericht beginnt mit:
"Am 14. September 2015 erzitterte die Raumzeit: Zwei Schwarze Löcher in einer fernen Galaxie, rund 1,3 Milliarden Lichtjahre von der Erde, waren miteinander verschmolzen."
Wenn die Verschmelzung auf der Erde am 14. September aus 1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung beobachtet wurde, dann erzitterte die Raumzeit bereits vor 1,3 Milliarden Jahren. Die von der Verschmelzung ausgelösten Gravitationswellen, die sich theoriegemäß mit Lichtgeschwindigkeit bewegen sollen, benötigen diese Zeit, um von ihrem Entstehungsort zur Erde zu gelangen.

Sonntag, 7. Februar 2016

Walter Roller setzt Kurs

Walter Roller setzt in seinem Leitartikel den Kurs auf Kursänderung:


Er bezieht sich auf Bundespräsident Gauck und behauptet, "eine Begrenzung der Massenzuwanderung [sei] 'politisch und moralisch' geboten". Das politische und moralische Gebot kommt in Anführungszeichen, mithin als Zitat. Ich weiß nicht, wann Gauck das so gesagt haben soll. Die Tagesschau zitiert den Bundespräsidenten so:
"Wenn in der Mehrheitsgesellschaft das Gefühl dafür, dass Solidarität unser Lebensatem ist, wenn das schwinden würde und aus Angst und Abwehr sich eine kollektive Identität entwickeln würde, die immer nur 'Das Boot ist voll' schreit - dann hätten wir ein moralisches Problem und nicht nur ein politisches."
Walter Roller scheint seinem Kurs bereits voraus zu sein und die Das-Boot-ist-voll-Identität ist bereits Status quo. Zumindest gibt er selbst Anlass zu dieser Vermutung:
"Das moralische Vorbild, das Deutschland in Überschätzung seiner eigenen Kräfte abgeben will, findet keine Nachahmer. Sogar die Schweden winken ab - und führen ungerührt vor, dass sich Grenzen sehr wohl kontrollieren lassen."
Walter Roller bedient die Angst und Abwehr und erweckt den Eindruck, die Sicherung einer Grenze sei (in Deutschland oder Europa?) so leicht, wie es die Schweden vormachen. Nun ja, Schweden hat keine Landgrenze zur Flüchtlingsroute, sondern die Ostsee und eine gut ausgebaute Infrastruktur. Die bayerischen Wälder werden schwerer zu sichern sein. Schweden hat an seiner Seegrenze keine Quellstaaten von Flüchtlingen, kann sich auf die jeweiligen Partnerländer verlassen. Das ist an der Außengrenze der EU nicht so.
Wenn Walter Roller sich auf das Gauck-Interview bezieht, hätte er die weiteren Einlassungen des Präsidenten ebenfalls darstellen müssen:
"Gauck selber kommt zumindest zu dem Schluss, 'dass es in der Bemühung, möglichst vielen helfend zur Seite zu stehen, begründet sein kann, dass man nicht allen hilft'. Gauck mahnt, dass dieses Maß an Aufnahmebereitschaft jetzt öffentlich diskutiert werden muss, aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Es dürfe nicht dem rechten Rand überlassen werden, Probleme im Zusammenhang mit Zuwanderung anzusprechen. Die Politik fordert er auf, sich auch mit der AfD auseinander zu setzen."
Die Auswahl, die Walter Roller trifft, ist kein Aufruf, die Aufnahmebereitschaft aus der Mitte der Gesellschaft heraus zu diskutieren. Es ist ein Widerhall der eigenwilligen Situationsdarstellung und der unangemessenen Lösungsansätze von Pegida, AfD  und Co.
Vor einigen Tagen hat Rudi Wais in seinem Leitartikel die Umfragen, die ein Erstarken der AfD zeigen, als Alarmsignal gesehen:


Er sieht durch den Zuspruch für die AfD "die Verwerfungen im Parteiengefüge größer, als viele Koalitionäre es wahrhaben wollen." Mit der AfD im Parlament würden Koalitionen schwieriger, es bliebe nur eine große Koalition, die sich meist durch wenig Änderungsbereitschaft hervor tut. Er schreibt: "Selbst zwei von drei Anhängern der Union halten die Regierung für überfordert". Und vorher: "Je länger Angela Merkels europäische Lösung auf sich warten lässt, umso rasanter fallen die Zustimmungswerte für die Kanzlerin und ihre Koalition."
Rudi Wais hat recht mit seinem Alarmsignal. Ich möchte seine Warnung um einen  weiteren Aspekt ergänzen. Eine Partei wie die AfD, die Absurdes für Deutschland propagiert, wird die deutsche Demokratie vertragen. Die Gefahr liegt darin, dass andere Parteien vor lauter Ehrfurcht angesichts der AfD-Umfragewerte die Distanz zur AfD verlieren. Walter Roller schreibt hinsichtlich der jüngsten Asylgesetze:
"Darin steht vieles, was eben noch als rechtspopulistisches und scharfmacherisches Gedankengut der CSU geschmäht worden ist: Aufnahmezentren, mehr sichere Herkunftsstaaten, konsequente Abschiebungen usw."
Als ob politische Realisierungen per se ein Siegel für die Lösungsqualität wären. Augenfällige Beispiele dazu gibt es derzeit in Ungarn, in Polen und anderen europäischen Ländern. Dort werden ohne Augenzucken die heiligen Kühe der europäischen Kultur wie Pressefreiheit, Gewaltenteilung und Solidarität zur Schlachtbank geführt.
Europa rückt nach rechts. Landesgrenzen werden wieder als Bollwerke verstanden, die die Guten drinnen von den Bösen draußen trennen sollen. Der Zweck heiligt die Mittel, auch wenn die Mittel weder dem Problem gerecht werden noch wirksam sind, wie das Beispiel von Markus Ferber zeigt, der Geldleistungen für Flüchtlinge reduzieren will. Was gestern rechtspopulistisch war, wird heute als Lösung verkauft. Sogar Waffeneinsatz an der Grenze gegen Flüchtlinge wird laut einem Focus-Bericht von 29% als gerechtfertigt angesehen - so hoch war das Wahlergebnis der SPD in der Bundestagswahl 2013. Rechts ist in der Mitte angekommen und hat nicht nur seine "Fühler schon weit ins bürgerliche Milieu hinein ausgestreckt". Die Mitte merkt es nicht einmal.
Wie wirkmächtig das Ganze ist, belegen diese beiden zitierten Leserbriefe:


Hubert Bühler meint, die Ursachen sollten "schon an der Wurzel, sprich Grenzen, bekämpft werden." Eine Grenze als Wurzel der Ursache? Interessant. Petra Kiederle lobt den Augsburger Oberbürgermeister Gribl, der sich für ein Hausverbot im Rathaus für Frau Petry einsetzt. Ist die AfD nicht eine demokratisch legitimierte Partei? Warum soll sie nicht Räumlichkeiten nutzen wie andere gewählte Parteien auch? Man möge demonstrieren, aber nicht "mithilfe von Rechtsanwälten" "Hintertürchen" (Hubert Bühler) suchen.

Samstag, 6. Februar 2016

Markus Ferbers Fehlschluss

Die Augsburger Allgemeine berichtet heute über das Ansinnen von Markus Ferber, durch eine Reduktion der Geldleistungen die Anzahl der Asylbewerber zu senken:


Er argumentiert, dass einerseits in Deutschland die Leistungen hoch seien im Vergleich zu Slowenien oder Kroatien. Andererseits seien die Asylbewerberzahlen hoch. Im Bericht wird beschrieben:
"Der CSU-Politiker sieht einen direkten Zusammenhang zwischen Asylbewerberzahlen und den Geldleistungen. Dies mache das große Gefälle innerhalb der 28 EU-Mitgliedsstaaten deutlich."
Diese Schlussfolgerung ist etwa so hellsichtig wie die Feststellung, Windräder machen den Wind, weil sie sich nur dann drehen, wenn auch der Wind weht.
Herr Ferber, schauen Sie sich doch einmal die Studie "Applications for Asylum in the Developed World: Modelling Asylum Claims by Origin and Destination" von Timothy J. Hatton an. Im Kapitel 9. Discussion schreibt Hatton:
"As in most other studies we find that human rights abuses are the most powerful drivers of asylum applications from source countries. Among the measures of source country political and social conditions, the political terror scale has a strong positive effect while lack of civil liberties also has a positive effect. Origin country GDP per capita has a negative effect on the number of asylum claims while destination country unemployment rates also have negative effects. But the magnitudes are generally modest; differences in unemployment trends since the recession account for only a small part of the relative increase in applications to Australia. Finally, destination country policy has a negative deterrent effect, but only through access and processing policies, not through welfare policies."
Der letzte Halbsatz entlarvt Ihr Ansinnen als wenig hilfreichen Beitrag, der bestenfalls als populistische Angstmache durchgeht.