Samstag, 27. Juni 2015

Die Nähe der CSU zu den Rechtspopulisten der FPÖ

Analyse der Leitbilder der Parteien

Die CSU ist eine christlich-konservative Partei und rangiert damit im Spektrum etwa in einer Mitte-Rechts-Position. Die FPÖ fährt unter der Flagge "freiheitlich" und hat dies in einem Handbuch ausgeführt. Sie rangiert rechts und ihr wird Rechtspopulismus vorgeworfen.
"Christlich-konservativ" und "freiheitlich" klingen unterschiedlich. Allerdings stellt sich die Frage, wie weit die Positionen tatsächlich auseinander oder beisammen sind. Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage müssen die Grundwerte, Leitbilder etc. der Parteien sein.
 

Werte der CSU

Die Werte der CSU finden sich im Überblick auf der Website der Partei:
 
Jeder dieser Punkte wird weiter ausgeführt:
  • Bayern:
"Bayern ist unsere Heimat. Bayern ist das Land, in dem wir leben und das wir lieben. Bayern ist unvergleichliche Landschaft, gelebte Tradition, jahrhundertealte Kultur. Bayern ist Erfolg, Lebensqualität und Spitzenleistungen. Bayern – das sind Menschen voller Kreativität und Tatkraft, die ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Wir haben uns diesem Land verschrieben. Wir machen eine Politik aus Bayern und für Bayern."
  • Fairness:
"Fairness ist ein Grundgebot in einer gut funktionierenden Gesellschaft. Fairness heißt: Wer Hilfe und Unterstützung braucht, soll auf die Solidarität der Gemeinschaft zählen können."
  • Familie:
"Die Familie muss im Zentrum stehen. Familien sind der kostbarste Schatz unserer Gesellschaft."
  • Lebensgefühl:
"Leben und leben lassen – das ist ein urbayerisches Motto. Wir in Bayern haben Freude an der Vielfalt, die das Leben in unserer Heimat bietet."
  • Sicherheit:
"Wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Mit beruflicher Sicherheit: durch eine starke Wirtschaft für sichere und hochwertige Arbeitsplätze. Mit sozialer Sicherheit: durch eine gute Absicherung im Alter und durch Unterstützung bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Mit innerer Sicherheit: durch konsequenten Schutz vor Gewalt und Kriminalität."
  • Zusammenhalt:
"Bayern ist eine starke Gemeinschaft. Die Menschen in Bayern wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können. Dass wir füreinander da sind, in der Familie, in der Nachbarschaft, im Verein. Dass bei uns keiner am Wegesrand zurückbleibt. Dass wir zusammenstehen und zusammenhalten, gerade wenn es darauf ankommt. Nirgendwo sonst sind so viele Menschen im Ehrenamt engagiert wie bei uns. Die gelebte Solidarität in Bayern ist der Kitt unserer Gesellschaft."
  • Freiheit:
"Bayern heißt nicht umsonst 'der Freistaat'. Freiheit hat für uns in Bayern schon immer einen besonderen Stellenwert. Und so machen wir auch heute Politik. Jeder soll frei von staatlicher Bevormundung seinen ganz persönlichen Lebensplan verwirklichen können. Zugleich wissen wir, dass Freiheit und Verantwortung ein Geschwisterpaar sind. Echte Freiheit muss von Verantwortung getragen sein, Verantwortung für sich selbst genauso wie für andere."
  • Stabilität:
"Bayern ist Vorbild in Sachen stabile Finanzen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch für Europa. Europa braucht einen stabilen Euro. Deshalb darf es keine Eurobonds oder die Vergemeinschaftung von Schulden in Europa geben."
  • Chancen:
"Wir sind überzeugt, dass moderne Politik heute vor allem eine Aufgabe hat: den Menschen die besten Chancen für eine selbstbestimmte Zukunft zu eröffnen." 
 

Werte der FPÖ

Die Grundpositionen der FPÖ finden sich in ihrem Leitbild:
 
Diese Überschriften sind weiter ausgeführt, wobei ich die Zeile der Leitsätze ausspare:
  • Freiheit und Verantwortung:
"Freiheit und Verantwortung bilden den Kern persönlicher Entfaltung und unseres Gemeinwesens. Unser Freiheitsbegriff wurzelt in einer idealistischen Weltanschauung und sieht den Menschen nicht auf seine materiellen Bedürfnisse beschränkt.
Die Freiheit des Einzelnen findet ihre Grenzen in der Beschränkung der Freiheit des Mitbürgers."
  • Heimat, Identität und Umwelt:
"Wir sind uns der Verbundenheit mit unseren Vorfahren und der Verantwortung für unsere Nachkommen bewusst und wollen für nachfolgende Generationen eine Heimat bewahren, die ein selbstbestimmtes Leben in einer intakten Umwelt und eine positive Weiterentwicklung in Freiheit, Frieden und Sicherheit ermöglicht. "
  • Recht und Gerechtigkeit:
"Wir bekennen uns zu einem Rechts- und Sozialstaat, in dem Recht und Ordnung sowie soziale Verantwortung das Zusammenleben prägen. [...]
Unsere Sozialpolitik erhebt den Anspruch, vor Existenznöten, die sich durch Alter, Behinderung, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder durch schwere Schicksalsschläge ergeben können, zu schützen."
  • Familie und Generationen:
"Die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern ist die natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft und garantiert gemeinsam mit der Solidarität der Generationen unsere Zukunftsfähigkeit."
  • Wohlstand und soziales Gleichgewicht:
"Wir fördern Leistung in einer Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung, schützen das Privateigentum und stehen für eine gerechte Aufteilung von Beiträgen und Leistungen für die Allgemeinheit."
  • Gesundheit:
"Das Lebensrecht des Menschen, seine Gesundheit und seine Würde sind Nützlichkeitserwägungen nicht zugänglich. Deshalb darf der Mensch in seiner Existenz weder durch wirtschaftliche Erwägungen in Frage gestellt werden noch durch den Missbrauch von Medizin und Gentechnik oder durch Vernachlässigung im Rahmen von Krankheit oder Behinderung seiner Würde beraubt werden."
  • Sicherheit:
"Wir erachten Sicherheit als Grundbedürfnis und wichtige Voraussetzung für eine positive menschliche Entwicklung. Die Wahrung unserer Sicherheit setzt Selbstverteidigungsfähigkeit voraus. Wir bekennen uns daher zur bestmöglichen Ausbildung und Ausrüstung der Organe unserer Sicherheitsexekutive und des Bundesheers.
Bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens, des Banden- und Schlepperunwesens, des Drogenhandels, des Terrorismus, der Gewalt und anderer Kriminalitätserscheinungen hat der Staat seine Möglichkeiten entschlossen zu nutzen."
  • Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur:
"Damit sich der Mensch in der Gesellschaft voll entfalten kann, bedarf er der geistigen Bildung, der bestmöglichen Aus- und Weiterbildung, einer Garantie der Lehr- und Lernfreiheit sowie der sozialen Chancengleichheit."
  • Weltoffenheit und Eigenständigkeit:
"Wir bekennen uns daher zu einer Außenpolitik, die sich an der Sicherung der Souveränität Österreichs und dem Ziel des Schutzes der Freiheit seiner Bürger orientiert. [...]
Neben Eigenständigkeit und Freiheit sind die Liebe zu unserer Heimat und den Menschen in unserem Land, die Pflege unserer Traditionen, unserer Identität und unserer Kultur Grundlage für unsere Weltoffenheit. Wer seine eigene Kultur und Herkunft schätzt, kann andere Kulturen aufrichtig achten [...]"
  • Europa der Vielfalt:
"Wir bekennen uns zu einem Europa der historisch gewachsenen Völker und autochthonen Volksgruppen und lehnen eine künstliche Gleichschaltung der vielfältigen europäischen Sprachen und Kulturen durch erzwungenen Multikulturalismus, Globalisierung und Massenzuwanderung entschieden ab. Europa ist nicht auf das politische Projekt der Europäischen Union zu reduzieren.
Wir bekennen uns zu einem Europa der selbstbestimmten Völker und Vaterländer und zur europäischen Zusammenarbeit nach den Grundsätzen der Subsidiarität und des Föderalismus."

Nähe der Werte

Bereits an den Überschriften lassen sich Ähnlichkeiten deutlich erkennen. Die Begriffe Familie, Freiheit und Sicherheit sind beiden Parteien eine eigene Überschrift wert. Die Ausführungen zu den anderen Überschriften zeigen, wie groß die inhaltliche Übereinstimmung ist.
Unterschiedlich ist die Wortwahl. Die CSU bleibt sauber, wenn man so will. Beispielsweise schreibt sie:
"Wir machen eine Politik aus Bayern und für Bayern."
Das Satzende "für Bayern" kann regional, als Bundesland gemeint sein. Es kann jedoch auch als Bezeichnung für die (endemische) Bevölkerung Bayerns, die Bayern, stehen.
Die FPÖ wird wesentlich eindeutiger:
"Wir bekennen uns zu einem Europa der selbstbestimmten Völker und Vaterländer [...]"
Trotz der teilweise unterschiedlichen Wortwahl der Parteien ist ihre inhaltliche Nähe unübersehbar.
 

Analyse der Politik der Parteien

Leitbilder sind das Eine, die tatsächliche Politik das Andere. Die Frage ist, welche Nähe gibt es im Tun der Parteien, wenn sie ihre leitbildlich ähnliche Position in der politischen Arbeit realisieren.
 

Griechische Schuldenkrise

Der Generalsekretär der CSU redet einem Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone das Wort:
"CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sieht in der Verlängerung des Hilfspakets für Griechenland eine letzte Chance für Athen zum Verbleib in der Euro-Zone."
In das gleiche Horn stößt der bayerische Finanzminister Markus Söder in einem Artikel des Münchner Merkur:
"Ein Grexit wäre der ehrlichere Weg."
Die FPÖ sieht das genau so. Das Mitglied der Parteileitung Axel Kassegger erklärt in einem Artikel:
"Griechenland muss daher endlich aus der Eurozone ausscheiden und zur Drachme zurückkehren."
 

Asyl

Beide Parteien bekennen sich in ihren Leitbildern zum Asylrecht für politisch Verfolgte. Beide vermischen jedoch unter dieser Überschrift zwei Arten der Zuwanderung und nennen "Wirtschaftsflüchtlinge" in einem Atemzug mit Asylsuchenden. Die CSU fordert:
"Beim Thema Asyl gebe es in der CSU völlige Einigkeit, dass härter gegen Wirtschaftsflüchtlinge vorgegangen müsse, sagte Scheuer. [...] Es werde außerhalb Bayerns zu wenig darüber nachgedacht, wie man den Zustrom begrenzen könne, sagte Scheuer."
Die Position der FPÖ ist identisch, wird jedoch gleich mit einer Umsetzungsmöglichkeit verknüpft:
"Nicht nur wegen der unkontrollierten Migration von Wirtschaftsflüchtlingen seien Grenzkontrollen notwendig geworden"
Die CSU findet im Angesicht der Erfahrungen aus den Sicherheitsmaßnahmen zum G7-Gipfel diese Maßnahme zielführend:
"Als Konsequenz aus der großen Zahl der Aufgriffe bei den Grenzkontrollen während des G7-Gipfels werde der Minister 500 weitere Polizisten zur Schleierfahndung einsetzen."
Beide Parteien verwenden die Vokabel Asyl für echt Verfolgte sowie für jene, die aus anderen, vor allem wirtschaftlichen Gründen einwandern wollen und dabei den Asylantrag als Methode gewählt haben. Auch wenn beide Einwanderergruppen den gleichen Formularwust benutzen, die eine Gruppe dabei höhere Aussicht auf Erfolg hat als die andere, ist es höchst unlauter, wie die Parteien die Themengebiete vermengen.
Die Themengebiete lassen sich leicht vermengen, weil es in Deutschland und Österreich heftig kritisierte Einwanderungsregeln gibt. Es ist Einwanderungswilligen nur schwer möglich, außerhalb des Asylverfahrens legal einzuwandern. Dieses gesetzliche Defizit wird von beiden Parteien ausgenutzt.
 

Kriminalität

Beide Parteien sprechen sich für verstärkte Grenzkontrollen aus. Als Begründung dient nicht nur das Asylrecht, sondern Kriminalität insgesamt. Die CSU sieht Täterbanden:
"Zusätzlich werden 30 Beamte, die sich speziell um Menschenhändler und international agierende Täterbanden kümmern, eingesetzt. Insgesamt bedeutet das, dass die Grenze zu Österreich im Rahmen der Schleierfahndung mit täglich rund 100 Beamten der Bereitschaftspolizei zusätzlich überwacht werde."
Die FPÖ wird sprachlich deutlicher und spricht von Kriminaltourismus:
"Nicht nur wegen der unkontrollierten Migration von Wirtschaftsflüchtlingen seien Grenzkontrollen notwendig geworden, sondern auch wegen des immer stärker werdenden Kriminaltourismus, betonte Kickl."
Beide sehen in ausländischen Tätern eine besondere Gefahr.
 

Kalte Progression

Beide Parteien haben den Geldbeutel der Bürger entdeckt. Mühsam erarbeitete Verdienststeigerungen werden durch den Staat über Gebühr strapaziert und fallen der Steuer anheim. Die CSU sieht die Leistungsträger ausgebeutet und hat sich einen Abbau der kalten Progression gewünscht:
"'Durch die Abmilderung der kalten Progression schaffen wir mehr Leistungsgerechtigkeit und helfen allen Bürgerinnen und Bürgern', erklärte CSU-Chef Horst Seehofer."
Auch die FPÖ sieht bei der kalten Progression Handlungsbedarf und findet die kürzlich beschlossene Steuerreform in Österreich unzureichend:
"Es handle sich also bestenfalls um ein Nullsummenspiel - und die künftige kalte Progression werde durch diese Reform nicht gestoppt."
 

Maut

Obwohl Österreich bereits eine Maut hat und in Deutschland eine Maut erst eingeführt wird, haben beide Parteien Ausländer als die bösen Straßenabnutzer ausgemacht. Die CSU sieht die Maut als  Frage der Gerechtigkeit und freut sich, dass alle Nutzer zahlen:
"Ohne dass deutsche Autofahrer mehr belastet werden, müssen jetzt alle, die unsere Straßen nutzen, auch ihren Beitrag zu deren Erhalt leisten."
Der FPÖ geht es nicht um die Einführung einer Maut. Sie richten ihr Augenmerk auf Mautsünder:
"Zwischen 2010 und 2014 ist die Anzahl der ausländischen Mautsünder auf Österreichs Autobahnen um 31,5 Prozent gestiegen. Konnten 2010 noch 126.805 Mautsünder mit ausländischem Kennzeichen entdeckt werden, waren es im Vorjahr bereits 166.697."
 

Schlussfolgerung

Die Bespiele zur tatsächlichen Politik sind nicht erschöpfend. Es lassen sich weitere finden, die jedoch den Rahmen diese Beitrages sprengen würden. Zusammen mit den Parteileitbildern zeigen sie eindeutig, dass sich die beiden Parteien politisch nahe sind.
Der Vorwurf des Rechtspopulismus trifft die FPÖ häufig. Der CSU wird dies nur vereinzelt vorgeworfen, zum Beispiel im Januar 2014 vom designierten SPD-Vize Ralf Stegner:
"Ein Satz wie 'Wer betrügt, der fliegt' ist nah an der Rhetorik von NPD und AfD. Damit biedert sich die CSU rechtspopulistisch an."
Populismus ist ein Phänomen an der Oberfläche. Glänzend auf den ersten Blick, unschön beim näheren Hinsehen. Problematischer ist der Inhalt. Bei der FPÖ klar rechts. Durch die Nähe der politischen Inhalte der CSU zu den Inhalten der FPÖ kann ich nicht anders: die CSU ist rechter als nur mitte-rechts.  

Samstag, 20. Juni 2015

Der Mut des Mautministers Alexander Dobrindt

 
Alexander Dobrindt hat die ohnehin umstrittene Infrastrukturabgabe - vulgo "Maut" oder "Ausländermaut" in einen Gesetzentwurf gegossen und durch die parlamentarischen Instanzen gebracht.
 

Die Konstruktion der Infrastrukturabgabe

Bereits vor der Entwurf eingebracht worden war, wurde heftig diskutiert. Im Wahlkampf zur Bundestagswahl wurde von Angela Merkel ausgeschlossen, dass es eine PKW-Maut geben werde. Diese Aussage verhinderte jedoch nicht den Gesetzentwurf. Um die Maut den Bürgern überhaupt schmackhaft zu machen, sollte einerseits eine Maut erhoben, andererseits keine zusätzliche Belastung für deutsche KFZ-Halter erzeugt werden. Um diesen Spagat zu erreichen, wurde ein zweigleisiges Konzept gewählt:
  • Eine Infrastrukturabgabe, die alle bezahlen, die Straßen nutzen. Dazu sagt der Gesetzentwurf:
"Die Pflicht zur Zahlung der Infrastrukturabgabe besteht unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Wohnort des Nutzers und unabhängig vom Ort der Zulassung des Kraftfahrzeugs. Alle Nutzer des deutschen Bundesfernstraßenwegenetzes tragen künftig bei der Infrastrukturabgabe in gleicher Weise zu dessen Finanzierung bei."
  • Eine Änderung an der Kraftfahrzeugsteuer, um die Belastung der Autohalter durch die Infrastrukturabgabe via Steuerentlastung zu kompensieren. Dazu sagt der Gesetzentwurf:
"Da Halter von in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen bereits über die Zahlung der Kfz-Steuer zur Finanzierung des Bundesfernstraßennetzes beitragen, werden in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren in das Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) Steuerentlastungsbeträge aufgenommen. Damit ist sichergestellt, dass Halter von in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pkw und
Wohnmobilen keine zusätzlichen Belastungen auferlegt werden."

Diskriminierung durch die Infrastrukturabgabe?

Bereits im Frühstadium der Konzeption war klar, dass eine Abgabe, die alle bezahlen, deutsche KFZ-Halter aber nicht belasten soll, nicht einfach mit EU-Recht in Einklang zu bringen ist. Denn nach einem der EU-Grundsätze darf es keine Benachteiligung auf Grund der Nationalität geben.
Nachdem der Gesetzentwurf verabschiedet und vom Bundespräsidenten unterzeichnet wurde, hat die EU - wie sie bereits vorher angekündigt hat - ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet. Daraufhin wurde die Umsetzung der Infrastrukturabgabe gestoppt. In einem Interview mit der Zeitung "BILD" hat der Minister diesen Stopp erklärt:
"Mit der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens bremst die EU-Kommission die Umsetzung der Infrastrukturabgabe. Wir verhalten uns rechtsstaatlich und werden eine Gerichtsentscheidung abwarten."
Und er gibt sich siegessicher:
"Niemand wird diskriminiert, alle Pkw-Halter entrichten die Infrastrukturabgabe. Was wir mit der Kfz-Steuer machen, ist ausschließlich nationale Hoheit, Brüssel hat da keine Kompetenzen."
Ich fühle mich jedoch schon diskriminiert. Der Gesetzentwurf sagt über in Deutschland zugelassene Fahrzeuge:
"Die Infrastrukturabgabe muss grundsätzlich von allen Haltern von in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen jeweils für ein Jahr entrichtet werden."
Also nur Jahresvignette. Für im Ausland zugelassene Fahrzeuge gibt es auch Kurzzeitmöglichkeiten:
"Halter von nicht im Inland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen können zwischen einer sich ebenfalls an den spezifischen Fahrzeugeigenschaften bemessenden Jahresvignette oder einer Kurzzeitvignette zum Pauschalpreis von 10 Euro (10 Tage) oder 22 Euro (2 Monate) wählen."
Damit werden Halter in- und ausländischer Fahrzeuge unterschiedlich behandelt. Das ist auch dann eine Diskriminierung, wenn ich sie nicht im Geldbeutel spüre.
 

Wo ist der Mut des Alexander Dobrindt?

Man kann es als mutig bezeichnen, dass Alexander Dobrindt trotz des Gegenwindes aus dem In- und Ausland sich nicht hat beirren lassen. Er hat an seine Lösungskompetenz geglaubt und ist überzeugt, einen rechtlich zulässigen Entwurf vorgelegt zu haben. Dies bekräftigt er kämpferisch im oben zitierten Interview:
"Ich werde mit Brüssel eine harte Auseinandersetzung führen."
"Nein. Die Pkw-Maut wird kommen. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben EU-konforme Gesetze beschlossen."
Nun frage ich mich jedoch, warum er dann die Umsetzung gestoppt hat. Das ist nur dann erklärlich, wenn er insgeheim doch mit einem Nein der EU rechnet. Würde er die Umsetzung unvermindert betreiben, könnte bereits ab dem Jahr 2016 die Abgabe erhoben werden. Wenn er zuwartet, dürfte es 2017 werden. Ihm entgehen so dringend benötigte Millionen. Würde er die Abgabe umsetzen und die EU sagt am Ende des Vertragsverletzungsverfahrens Nein, müsste er die Gelder zurückzahlen. Seine Vollbremsung beweist erhebliche Mutlücken.
 

Zeigen Sie Mut, Herr Dobrindt!

Im Interview sagt der Minister:
"Was wir mit der Kfz-Steuer machen, ist ausschließlich nationale Hoheit."
Die EU hat doch genau wegen der Verknüpfung der Infrastrukturabgabe einerseits und der Steuerentlastung andererseits das Vertragsverletzungsverfahren eröffnet. Wären Sie, Herr Dobrindt, wirklich so mutig, wie Sie klingen, dann würden Sie die Unabhängigkeit der beiden Komponenten beweisen und von Ihrer nationalen Hoheit Gebrauch machen. Führen Sie die Steuerreduktion ein. Jetzt. Beweisen Sie damit der EU, dass die Infrastrukturabgabe alle belastet. Bleiben Sie Sieger. Der Bundeshaushalt wird das reduzierte KFZ-Steueraufkommen für ein Jahr aushalten.
 

Sonntag, 14. Juni 2015

Walter Rollers Sicht der Vorratsdatenspeicherung

Nachdem im Bundestag der Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet wurde, hat Walter Roller in seinem Leitartikel in der Augsburger Allgemeinen beruhigt, der Rechtsstaat gehe nicht zugrunde:

Was soll gespeichert werden?

In dem Gesetzesentwurf sind Änderungen am Telekommunikationsgesetz angegeben. Der zukünftige §113b beschreibt, was auf Vorrat gespeichert werden soll:

Speicherdauer zehn Wochen

Nach dem Gesetzentwurf sind für Telefondienstleistungen zu speichern:
  • Rufnummer oder andere Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses
  • Beginn und Ende der Verbindung
  • Angaben zum genutzten Dienst
  • Bei Mobiltelefonie neben der Anschlusskennung bzw. Rufnummer auch die Kennung des Endgerätes (diese IMEI ist eine weltweit eindeutige Kennung des Mobiltelefons, die sich auch bei einem Tausch der SIM-Karte, also des Anschlusses, nicht ändert. Damit bleiben Telefone trotz Anbieterwechsel verfolgbar)
  • Bei Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen und Benutzerkennungen der verwendeten Anschlüsse
  • Die gleichen Informationen sind zu speichern bei telefondienstbasierten Nachrichten wie SMS.
  • Auch für unbeantwortete oder erfolglose Anrufe gilt die Speicherpflicht
Nach dem Gesetzentwurf sind für Internetdienstleistungen zu speichern:
  • Die zugewiesene IP-Adresse
  • Die Kennung des verwendeten Anschlusses
  • Die zugewiesene Benutzerkennung
  • Beginn und Ende der Internetnutzung

Speicherdauer vier Wochen

Die verkürzte Speicherdauer bezieht sich auf die Standortdaten. Damit sind "die Bezeichnungen der Funkzellen" gemeint, die zu Beginn der Verbindung genutzt wurden. Zudem muss der Dienstanbieter Daten vorhalten, um aus den Funkzellendaten die geografische Lage des Teilnehmers möglichst genau zu ermitteln.

Was nicht gespeichert werden darf

Hier ist der §113b (5) sehr eindeutig:
"Der Inhalt der Kommunikation, Daten über aufgerufene Internetseiten und Daten von Diensten der elektronischen Post dürfen auf Grund dieser Vorschrift nicht gespeichert werden."

Was unterschlägt Walter Roller?

Walter Roller übersieht, dass Gerätekennungen sowie Benutzerkennungen gespeichert werden. Über die weltweit einmaligen Gerätekennungen lassen sich Profile erstellen. Werden als Benutzerkennungen beispielsweise Mailadressen verwendet, ließen sich auch daraus interessante Schlüsse ziehen, wenn die gleiche Kennung bei unterschiedlichen Diensten verwendet wird.

Wann dürfen Behörden die gespeicherten Daten abfragen?

In dem Gesetzentwurf sind im geänderten §110g des Strafgesetzbuchs die Bedingungen hinsichtlich der Straftat genannt, unter denen die Daten erhoben, also beim Dienstanbieter abgefragt werden dürfen.

Rechtfertigende Straftaten

Vorausgesetzt wird der Verdacht, eine Person habe als Täter oder Teilnehmer bei einer der folgenden Taten gehandelt:
  • Friedens- und Hochverrat
  • Schwerer Landfriedensbruch
  • Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung
  • Sexueller Missbrauch von Kindern
  • Gemeinschaftliche Vergewaltigung
  • Sexuelle Nötigung widerstandsunfähiger Personen
  • Besitz oder Erwerb kinderpornografischer Schriften
  • Mord und Totschlag
  • Menschenraub und Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung
  • Bandendiebstahl
  • Schwerer Raub und räuberische Erpressung
  • Brandstiftung
  • Einschleusen von Ausländern
  • Bestimmte Straftaten nach dem Betäubungsmittel- oder Grundstoffüberwachungsgesetz
  • Unterlaufen von der EU oder der Vereinten Nationen beschlossenen Sanktionen
  • Tätigkeit für einen fremden Geheimdienst
  • Waffenhandel

Was unterschlägt Walter Roller?

Walter Roller nennt nur "Terrorismus, organisierte Bandenkriminalität, Kindsmissbrauch, Menschenhandel" - zweifelsohne gefühlt schwere Straftaten. Allerdings unterschlägt er Straftaten aus - wenn man so will - einer anderen Liga. Kindsmissbrauch auf der einen und Besitz kinderpornografischer Schriften auf der anderen Seite. Beide Straftaten sind ekelhaft, keine Frage. Terrorismus auf der einen und Totschlag auf der anderen Seite. Organisierte Bandenkriminalität (das hört sich nach mafiösem Umfang an) auf der einen und Bandendiebstahl auf der anderen Seite. Täter auf der einen und Teilnehmer auf der anderen Seite.
Walter Roller verweist nur auf die einfachen und plakativen Fälle schwerer Straftaten und setzt mit seiner Formulierung einen entsprechenden mentalen Anker. Seinem Leitartikel hätte es nicht geschadet, wenn er auch Beispiele am leichteren Ende der Straftaten genannt hätte:
  • Beischlaf mit einer Person, die durch KO-Tropfen widerstandsunfähig gemacht wurde
  • Demonstration gegen G7, Atomtransporte etc., wobei es zu Beschädigungen kommt, also Landfriedensbruch
  • Überfall auf einen Kiosk, wobei eine Waffenattrappe benutzt wird

Instrument zur Aufklärung schwerer Verbrechen?

Der erste Satz des Gesetzentwurfs lautet:
"Bei der Aufklärung schwerer Straftaten und bei der Gefahrenabwehr sind Verkehrsdaten ein wichtiges Hilfsmittel für die staatlichen Behörden."
Allerdings wird kein Beweis geführt. Die Nützlichkeit der Verkehrsdaten wird postuliert. Walter Roller übernimmt diesen Glaubenssatz unkritisch. Er erklärt nicht, wie Verkehrsdaten nützlich sein können, wenn die Mobilrufnummern beispielsweise von Schleusern nicht bekannt sind. Er erklärt nicht, wie gerichtsverwertbare Beweise für eine Beteiligung an einer Straftat geführt werden können, wo doch der Inhalt der Kommunikation geheim bleibt. Er erklärt nicht, warum ein Heuhaufen gespeichert werden soll, weil darin vielleicht eine Nadel sein könnte. Er erklärt nicht, welche Fehlschlüsse Behörden ziehen können, wenn harmlose Personen mehrfach in der gleichen Funkzelle mit Terroristen gefunden werden.
Am Ende verlässt Walter Roller das Gelände der Straftaten und verweist darauf, dass die "völlig unkontrollierte Datensammelwut großer Konzerne [...] weit weniger Skepsis" auslöst. Hier vergleicht er Äpfel mit Birnen. Er hat Recht mit dem Hinweis auf die unhinterfragte Nutzung von Diensten wie Facebook oder Google. Jedoch: Die Nutzung eines Telefons ist viel grundlegender als die Nutzung einer Google-Mailadresse. Durch eigenes Verhalten hat es der Einzelne zum Teil im Griff, welches Unternehmen welche persönlichen Daten von ihm hat. Bei der Vorratsdatenspeicherung gibt es dies nicht. Zudem: Weiter oben habe ich beschrieben, wie er einen mentalen Anker bei schweren Straftaten setzt. Nun benutzt er einen "Gegenanker", um für seine Argumentation pro Vorratsdatenspeicherung Zustimmung zu erlangen: Wer freiwillig seine Daten zu Facebook überspielt, soll sich nicht so haben, wenn es gegen den Terror geht.
Walter Roller hat die Chance verpasst, einen Leitartikel zu verfassen, der sich tatsächlich kritisch mit dem Gesetzentwurf auseinander setzt. Er hat lediglich den Überwachungsgläubigen nach dem Mund geredet.

Samstag, 13. Juni 2015

Coming Out von Staatskanzleichef Marcel Huber

Die Augsburger Allgemeine hat einen Artikel veröffentlicht, der über die Kritik der CSU an der SPD-Initiative zur Homo-Ehe berichtet:

Die Verlautbarung des Marcel Huber

Marcel Huber tut sich mit seinen Äußerungen besonders hervor. Die AZ zitiert:
"Eine 'Ehe für alle' würde Ausmaße annehmen, die uns nicht recht sein können: Warum nicht zu dritt? Warum nicht noch andere Konstellationen? Das alles als Ehe zu bezeichnen, dagegen wehren wir uns."
Das sind Auslassungen, die mit einer sachlichen Auseinandersetzung mit der SPD-Initiative nichts mehr zu tun haben. Allerdings werfen sie ein bezeichnendes Licht auf die Geisteshaltung von Marcel Huber.
"Ehe für alle" ist eine Formulierung, die die SPD selbst verwendet. Im Text dieser Erklärung geht es dann darum, "dass die gesellschaftliche Diskriminierung von Lesben und Schwulen beendet werden muss". Gefordert wird, "dass auch gleichgeschlechtliche Paare die Ehe schließen können".
Marcel Huber entdeckt hier Ausmaße, die uns - für wen spricht er hier? - "nicht recht sein können". Er nennt eine Dreierehe als Beispiel und deutet "noch andere Konstellationen" an, ohne sie auszuführen.


Die Offenbarungen des Marcel Huber

Wenn das Recht zur Ehe für Schwule und Lesben eingeführt würde, wittert Marcel Huber eine Ehe zu dritt. Diese wäre nach §1306 BGB verboten. Da er die Homo-Ehe auf die Ebene der Bigamie stellt, offenbart Marcel Huber, dass er Homosexualität für rechtswidrig hält.
Er wittert auch "andere Konstellationen". Was ist das? Ehe mit Kindern? Mit Tieren? Zu fünft? Mir scheint, er hat den §175 des Deutschen Strafgesetzbuches im Hinterkopf. Dieser 1994 abgeschaffte Paragraf stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern - nicht aber zwischen Frauen - oder mit Tieren unter Strafe. Marcel Huber offenbart sich als Wesen eines vergangenen Jahrhunderts.
Mit diesem Paragrafen im Hinterkopf verstehe ich seine Auslassungen. Wenn schon Unzucht mit Tieren und schwule Homosexualität in einem Paragrafen genannt werden, müssen sie doch etwas miteinander zu tun haben. Schwul, zoophil - Paradeverfehlungen im katholischen Konstrukt der Sodomie. Marcel Huber offenbart sich als religiöser Eiferer. Marcel Huber offenbart sich als völlig ahnungslos hinsichtlich der Liebe zweier gleichgeschlechtlicher Menschen.

Ein bayerisches Schmankerl ist sicherlich sein Vorsitz im Katholischen Männerverein Tuntenhausen, den er seit 2009 innehat. Natürlich ein Verein zur "Vertiefung des katholischen Glaubenslebens", wie seiner Satzung zu entnehmen ist. Aber der Ortsname ... Herr Huber, Herr Huber ...

Dienstag, 9. Juni 2015

Prinzipienlose Gewerkschaften?

Die Gewerkschaft Verdi hat Streiks bei der Post angekündigt. Grund ist das Vorhaben des Konzerns, Teile der Belegschaft auszulagern und so Kosten zu sparen. Denn die ausgelagerten Mitarbeiter sollen nicht mehr nach dem Posttarif bezahlt werden, sondern nach dem der Logistikbranche. Verdi tritt dabei mit dem Slogan "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" an. Dieser Slogan und das dahinter liegende Prinzip wird seit vielen Jahren von verschiedenen Gewerkschaften verwendet.
Beim Streik der Gewerkschaft GDL war genau dieses Prinzip irrelevant. Die GDL hat das Prinzip hochgehalten, die eigenen Mitglieder zu vertreten, auch wenn sie Berufe ausüben, die bisher von einer anderen Gewerkschaft vertreten wurden. Hier sollte der gleiche Lohn für gleiche Arbeit nicht das führende Prinzip sein.
Beide Prinzipien sind unvereinbar, wenn eine Berufsgruppe von zwei Gewerkschaften vertreten wird und sich die Gewerschaften nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Die Lohnentwicklung der Mitarbeiter ist dann unterschiedlich und der Unterschied in der Zugehörigkeit zu einer der beiden Gewerkschaften begründet. Mir stellt sich dabei die Frage, wo der Kampf für die Mitglieder aufhört und der Kampf um Mitglieder bzw. der pure Machtkampf anfängt.

Donnerstag, 4. Juni 2015

Richard Stanke und seine andere Steuerrechnung

Richard Stanke hat Ende Mai einen Leserbrief in der Augsburger Allgemeinen veröffentlicht:
Darin stellt er Überlegungen an, wer wie viel Steuern zahlt und mutmaßt, dass es "für die nächste Luxusjacht [...] schon noch reichen" wird. Ich werde aus seinen Ausführungen nicht wirklich schlau. Sie verwirren mich. Deshalb versuche ich, mit Hilfe des Statistischen Jahrbuches ein wenig Licht in das Dunkel zu bringen.

10% der Deutschen bringen 80% der Einkommensteuer?

Das Statistische Jahrbuch listet auf, wie viele Steuerpflichtige in welchen Einkommensklassen wie viel Steuern bezahlen:
Übersicht Einkommensteuer und Steuerpflichtige
Um 80% des Einkommensteueraufkommens zu errechnen, summiere ich die letzte Spalte der Tabelle. Diese gibt Auskunft über die festgesetzte Einkommensteuer. Da behauptet wird, die reichsten würden diese 80% erbringen, summiere ich von unten. Mit sieben Zeilen von unten komme ich auf 73% und circa auf die geforderte Größenordnung. Die 80%-Grenze liegt in der Einkommensklasse 25.000 bis 50.000€. Summiere ich über die gleichen Zeilen die Anteile der Steuerpflichtigen - die dritte Spalte von rechts - ergeben sich 28,9%. Damit zeigt sich, dass sich 80% der Einkommensteuer von etwa 30% der Steuerpflichtigen bezahlt wird.
Herr Stanke spricht nicht von Steuerpflichtigen, sondern von "Deutschen". Meint er Bewohner? Meint er Staatsangehörige? Jedenfalls erscheint seine Behauptung zweifelhaft.

Höchste Steuereinnahmen durch einkommensunabhängige Steuern?

Bei dieser Frage hilft auch das Jahrbuch:
Die Lohn- und Einkommensteuer erbringen zusammen etwa 30% des Steueraufkommens. Der Rest fällt auf andere Steuerarten wie Umsatzsteuer, Versicherungssteuer etc. An dieser Stelle hat Herr Stanke Recht.

Sogenannte Reiche zahlen prozentual weniger als Otto Normalverdiener?

Hier schreibt Herr Stanke: "Die höchsten Einnahmen erzielt der Staat genau mit diesen Steuern, also Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer etc. Trotz der 80% Anteil an der Einkommensteuer zahlen diese Leute prozentual immer noch weniger (bedingt durch Steuerschlupflöcher und diverse Abschreibungsmodelle) als Otto Normalverdiener."
Mir ist unklar, was Herr Stanke meint. Spricht er von der Einkommensteuer oder von den einkommensunabhängigen Steuern? Da er von "Steuerschlupflöchern" schreibt, müsste es die Einkommensteuer sein, denn bei der Versicherungssteuer etc. sind Schlupflöcher für Konsumenten kaum auszunutzen, sofern sie überhaupt vorhanden sind und es sich nicht um eine (kriminelle) Hinterziehung handelt.
Unter Verwendung der Zahlen zur Einkommensteuer ergibt sich folgendes Bild:
Steuersätze der Einkommensteuer nach Höhe der Einkünfte

Die höchsten durchschnittlichen Steuersätze werden erreicht bei den Einkommensklassen ab 250.000€. Ihr Steuersatz liegt durchweg über 30%. Einkommen unter 250.000€ haben Steuersätze deutlich unter 30%.
Welches Einkommen Otto Normalverdiener erzielt, schreibt Herr Stanke nicht. Würde er die Grenze bei unter 250.000€ ziehen - aus meiner Sicht kein Normalverdiener - ergäbe sich bereits ein deutlicher Abstand. Würde er die Grenze bei unter 100.000€ ziehen - da geht es in die Richtung Normalverdiener - ergibt sich ein Steuersatz von 19%. Geringere Einkommen haben weit geringere Steuersätze. Herr Stanke liegt deshalb falsch mit seiner Behauptung, Reiche würden prozentual weniger bezahlen.
Einen Punkt gibt es noch zu bedenken. Es könnte sein, dass Herr Stanke nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte ansetzt, sondern etwas anderes wie Einnahmen, Verdienst etc. Das lässt sich aus der vorliegenden Statistik nicht ablesen. Allerdings müssten dazu die Reichen ihr Einkommen um Hunderttausende reduzieren, um in den Wahrheitsbereich von Herrn Stankes Behauptung zu kommen. Das scheint mir für einige wenige plausibel, nicht jedoch für die große Masse.

Konklusio

Der Leserbrief von Herr Richard Stanke trägt kaum zur Wahrheitsfindung bei, da er in Unkenntnis der statistischen Zahlen des Statistischen Bundesamtes argumentiert.