Samstag, 17. März 2018

Bayerischer Doppelpass

Walter Roller hat in der Augsburger Allgemeinen am 17.3. einen Leitartikel veröffentlicht, in dem er die Situation der CSU beschreibt, nachdem Horst Seehofer Bundesinnenminister und Markus Söder Ministerpräsident geworden war:


Walter Roller schreibt im Hinblick auf die bayerische Landtagswahl im Herbst:
"Horst Seehofer musste gehen, weil die Partei ihm keinen Sieg mehr zutraute [...]. Die Landtagsabgeordneten glauben, den Retter in Markus Söder gefunden zu haben."
Deshalb seien die "Versuche Seehofers, den Aufstieg des Finanzministers zu verhindern [...] zum Scheitern verurteilt" gewesen. Söder war "der stärkste und durchsetzungsfähigste", Konkurrenten waren seinem "Ehrgeiz und der Wucht" nicht gewachsen. Walter Roller bescheinigt Söder "großes Talent und viel administrative Erfahrung". Richtig, Söder weiß, wie's geht. In einer Umfrage der AZ, ob Söder Bayern spalten oder vereinen würde, zeigte sich das Talent:
"Seit klar ist, dass Markus Söder bayerischer Ministerpräsident wird, hat der 51-jährige Franke eine echte Charmeoffensive gestartet. Und die scheint sich auszuzahlen. Söder, der lange als extrem polarisierend galt, kann zum Amtsantritt ermutigende Umfragewerte vorweisen. Eine Mehrheit der Bayern glaubt nicht, dass Söder als Landesvater die Bevölkerung spalten werde."
Dabei wird nicht nur die "Charmeoffensive" geholfen haben, sondern die Wandlung vom "Flegel zum Staatsmann", wie Uli Bachmeier in der AZ den neuen Markus Söder porträtierte. Söders Anfänge waren flegelhaft:
"Er war ungestümer Vorsitzender der Jungen Union und rüpelhafter CSU-Generalsekretär."
Gut, der Drang der Jugend. Zu seiner Zeit als Minister, also in den letzten zehn Jahre, heißt es:
"Intern gab es zwar noch illustre Gerüchte über veritable Wutausbrüche. Da soll schon mal ein Handy gegen eine Wand geflogen und ein Glastisch zu Bruch gegangen sein. Doch die Metamorphose vom Flegel zum Staatsmann nahm ihren Weg."
Dabei half ihm auch sein Geschick im Umgang mit denen, denen er als Minister Gutes tun konnte:
"Obendrein gab es einen angenehmen Nebeneffekt für Söder: Er war es, der die Förderbescheide höchstselbst auch noch in die abgelegensten Orte brachte und damit zugleich Werbung in eigener Sache machte."
Uli Bachmeier fragt im Portrait:
"Ist der Mann, der heute im Landtag vereidigt wird, noch derselbe, der einst auf dem Schulhof keiner Schlägerei aus dem Weg ging? Es sieht nicht danach aus."
Na, hoffentlich! möchte man rufen. Zwischen Schulzeit und dem Verhalten eines 50jährigen sind Unterschiede notwendig. Walter Roller schreibt:
"Wann immer der Laden auseinanderzufliegen drohte, obsiegte am Ende das gemeinsame Machtkalkül über die Rauflust."
Nicht nur die Rauflust zwischen Seehofer und Söder, sondern auch die in Söder. Das Machtkalkül machte möglich, was in Anbetracht des gegenseitigen Unwillens zwischen Seehofer und Söder unmöglich schien:
"Söder beackert Bayern, Seehofer hält Wacht in Berlin - und beide spielen miteinander den 'Super-Doppelpass'"
Kooperation. Jedoch:
"Die Frage ist nur, ob die beiden verfeindeten Spielmacher das hinkriegen"
Solange sie ihr Ego hinter das Machtkalkül stellen, wird die Antwort wohl Ja lauten. Wie schnell des Machtkalküls wegen Positionen, Auftreten etc. verändert werden, zeigt sich an Seehofers Islam-gehört-nicht-zu-Deutschland-Auslassung, zeigt sich an Söders Metamorphose. In seinem Kommentar zu Söder schreibt Holger Sabinsky-Wolf von politischem Kalkül:
"Er ist also zu dieser Metamorphose vom Polarisierer zum Landesvater gezwungen. Denn wenn er überhaupt eine Chance auf die absolute Mehrheit mit seiner CSU haben will, darf Söder nicht nur um AfD-Wähler werben, sondern muss auch in liberaleren Milieus wählbar werden."
Ich frage mich, wie glaubwürdig eine solche Metamorphose sein kann. Immerhin ist das kein Wandel von einem Teenager zu einem 50jährigen, sondern von einem Verhaltensteenager zum Landesvater in wenigen Wochen bzw. Monaten. Ich frage mich, welches Verhalten denn den wahren Söder zeigt: Ist er der Rüpel, der sich zusammennimmt? Oder ist er schon immer landesväterlich, setzte sich jedoch eine Rüpelmaske auf? Letztendlich ist die Antwort egal, denn ein solcher Wandel in so kurzer Zeit lässt sich nicht glaubwürdig argumentieren. Es ist Schauspielerei, um des Machtkalküls Willen. Die Sollbruchstelle der Schauspielerei nennt Walter Roller:
"[...] einen schärferen Kurs bei der Begrenzung der Zuwanderung und in Fragen der inneren Sicherheit [...] [um] die rechte Konkurrenz AfD in Bayern klein zu halten [...] ohne die Stammkunden der bürgerlichen Mitte mit zu scharfen Tönen zu vergraulen"
Um den Koalitionsvertrag im Bund wurde lange verhandelt. Seehofer wird ausscheren, sobald er sich mit einem "schärferen Kurs" profilieren zu können glaubt. Söder wird sich die Maske des Landesvaters krampfhaft vors Gesicht drücken, und gleichzeitig einem "schärferen Kurs" das Wort reden. Denn auch er wird den Kampf gegen die AfD auf deren Gebiet ausfechten. Er wird wie Seehofer nicht versuchen, die Menschen vom braunen Sumpfgelände auf gefestigtes Gebiet zu locken. Er wird selbst hingehen und sich braune Stiefel holen.
Schon mehrfach habe ich darauf hingewiesen, wie nahe die CSU bei manchen Positionen den Rechtspopulisten der AfD oder der FPÖ steht. Die große Wandlungsfähigkeit der Proponenten der CSU aus Gründen des Machterhalts hat in meinen Augen ebenfalls populistische Züge. Die Frage wird sein, wie lange sich Bürger und Wähler von der jeweils aktuellen Maske blenden lassen. Wann werden sie Ehrlichkeit und Authentizität einfordern? Ja, Wahlen werden nicht nur mit Inhalten gewonnen. Doch wenn Wahlen zunehmend Persönlichkeitswahlen werden, muss der Anspruch der Wähler höher sein. Nicht der bessere Schauspieler, der bessere Mensch möge gewinnen.

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