Montag, 5. Februar 2018

Meuthen im Interview

Die Augsburger Allgemeine hat am 5.2. ein Interview veröffentlicht, das Michael Stifter mit dem AfD-Parteichef Jörg Meuthen geführt hat:


Das Interview zeigt den "klassischen Dreiklang", mit dem rechtspopulistische Parteien oft in der Öffentlichkeit agieren.

1. Ton: Wir sind gar keine Rassisten

Beobachter oder politischen Gegner sehen rechtspopulistische Parteien (wie beispielsweise die AfD, aber auch die FPÖ) als rassistisch an. Diese Sicht speist sich vor allem aus dem politischen Programm der Parteien und der diesem Programm zugrunde liegenden Analyse.
Für die AfD behauptet Jörg Meuthen:
"Ich halte diesen Tweet für rassistisch und wir dulden keinen Rassismus in unserer Partei. Da muss man klare Kante zeigen."
Diese "klare Kante" würde gezeigt, obwohl es in der Partei einen rechten Flügel gibt und dieser Flügel auch ein Existenzrecht habe:
"Erstens: Der rechte Flügel gehört als integraler Bestandteil zu unserer Partei. Zweitens: Björn Höcke ist nicht der Nazi-Hetzer, als der er immer wieder dargestellt wird."
Der "rechte Flügel" sei Bestandteil der Partei, mithin ein normales Element in der politischen Landschaft. Aber es ist nur ein Flügel. Die Partei selbst ist bei weitem nicht so rechts wie dieser Flügel. Und weil nur der Flügel rechts ist - die Partei ist ja nur (national)konservativ - sind wir gar keine Rassisten.

2. Ton: Einzelfälle, das alles

Michael Stifter spricht vor dem Hintergrund dieses Wir-sind-doch-keine-Rassisten-Selbstverständnisses Fälle an, die sich leicht als rassistisch einordnen lassen. Jens Meier beispielsweise, der "Halbneger" twitterte. Björn Höcke beispielsweise, der in Serie auffällig sei.
Bei solchen "Einzelfällen" greifen zwei Abwehrstrategien. Die erste Strategie ist die Schuldzuweisung an eine mehr oder weniger anonyme Person im Hintergrund:
"Das hat ein Mitarbeiter getwittert."
Natürlich hat nicht Jens Meier selbst getwittert. Würde er nie tun, denn er ist ja in der AfD, und die sind keine Rassisten. Zum Beweis gibt's strenge Konsequenzen für den betroffenen Anonymen:
"Wir haben ihn abgemahnt."
Auffällig häufig gibt es bei Rechtspopulisten Mitarbeiter, die auffällig über die Stränge schlagen. Man frägt sich unwillkürlich, wie die Personalauswahl erfolgt. Beim Serientäter Björn Höcke lässt sich nicht ein anonymer Mitarbeiter vorschieben, weil sich Höcke selbst exponiert. Doch hier greift die zweite Strategie:
"Trotzdem stört mich seine Lust an extrem zugespitzten Formulierungen."
Schnell wird zwischen der offiziellen Parteilinie und den extremen Äußerungen eine Distanz generiert, die die Äußerungen als Einzelmeinung darstellen. Durch die Attributierung als "extrem zugespitzt" kann sich die Partei gebührend distanzieren, gleichzeitig inkludieren, weil der rechte Flügel halt solche Zuspitzungen macht. Aber: nur Zuspitzungen, keine rassistischen Äußerungen, denn die werden nicht geduldet. Denn wir sind keine Rassisten. Falls Einzelfälle auftauchen, aber dann!

3. Ton: Opferrolle einnehmen

Die Opferrolle zeigt sich ebenfalls in zwei Ausprägungen. Die erste Variante ist das Missverständnis, das sich bei Meuthen so darstellt:
"Höcke meinte, dass an der Grenze zwischen Asien und Europa Schluss sein muss mit Mohammed, Minarett und Muezzin. Aber natürlich nicht in der Türkei, die ja ein islamisches Land ist."
"Auch weil man das so interpretieren könnte, halte ich den Satz für unglücklich."
Nachdem eine Äußerung getätigt und als rassistisch verstanden wurde, wird ein Missverständnis behauptet. Man sei nicht rassistisch, doch alle Außenstehenden unterstellen dies permanent. Kein Wunder, dass jedes Wort auf die Goldwaage gelegt und nachteilig interpretiert wird. So entsteht ein unmerklicher Übergang zur generellen Opferrolle, die nicht auf das einzelne Missverständnis beschränkt ist. Jörg Meuthen liefert Indizien:
"Die machen das ja nicht, weil sie uns akzeptieren. Sie haben gemerkt, dass sie sich durch die bisherige Art der Stigmatisierung permanent Eigentore schießen. Ich bin froh, wenn die Konfrontation inhaltlich gesucht wird und nicht in irgendwelchen Sandkastenspielen."
Fehlende Akzeptanz, Stigmatisierung. Sogar undemokratisches Verhalten wird unterstellt, wenn beispielsweise eigene Kandidaten nicht gewählt werden:
"Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass die anderen Parteien vor lauter Tabuisierung unseren Kandidaten für den Posten des Bundestags-Vizepräsidenten, Albrecht Glaser, verhindert haben."
Gerade an der Opferrolle haben andere Parteien ihren Anteil. Durch ihren verkrampften Umgang mit dem politischen Krampf schaffen Sie die Bühne, auf der sich die Opferrolle gut tanzen lässt: Erregung statt Inhalt, wenn beispielsweise Anton Hofreiter einen Redner der AfD im Parlament anbrüllt, wie der Focus berichtet hatte. Oder wenn AfD-Mitglieder vom Fußballclub ausgeschlossen sind, wie die SZ berichtet hatte. Was als Zeichen gegen rechts gemeint ist, unterstützt den Nimbus "Opfer".

Conclusio

Unter anderem mit diesem Dreiklang schafft die AfD den Seiltanz, einerseits für eine konservative Mitte akzeptabel zu sein und andererseits für deutlich rechtsorientierte attraktiv genug. Trotz der Beteuerungen über das eigene Selbstverständnis und die Einzelmeinungen kann die AfD nicht darüber hinwegtäuschen: sie ist eine rechte Partei, in der auf braunem Boden Naziblüten gedeien und die rassistische Sichtweisen als normale politische Kategorien etablieren will.

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