Sonntag, 17. April 2016

Und falls Böhmermann Recht hätte?

Die Augsburger Allgemeine hat am 16.4. einen Leitartikel von Martin Ferber veröffentlicht:

 
Martin Ferber hat Recht, wenn er die Entscheidung der Bundeskanzlerin zur Zustimmung zu einem Verfahren nach § 103 StGB als belastend für die Koalition beschreibt, da sich die SPD gegen die Zustimmung ausgesprochen hatte. Es hätte ein wesentlich besseres Bild abgegeben, wenn die Regierung insgesamt zu einer Zustimmung oder Nicht-Zustimmung gestanden hätte.
Über die Motive der Kanzlerin lässt sich trefflich diskutieren. Sie könnte die Absicht gehabt haben, Erdogan zu besänftigen. Sie könnte gekuscht haben und "scheue den Konflikt mit dem selbst ernannten Sultan der Türkei, weil sie ihn dringend für die Lösung der Flüchtlingskrise braucht". Man kann es auch so sehen, dass das Gedicht dem Augenschein nach beleidigend ist und es deshalb notwendig ist, die Angelegenheit gerichtlich klären zu lassen. Es hätte wohl auch kein gutes Bild abgegeben, wenn die Kanzlerin einem Strafverlangen nicht nachgekommen wäre, ohne auf klare Regeln zur Abgrenzung von Satire und Beleidigung verweisen zu können. Vielleicht hat sich die Kanzlerin mit ihrer Einlassung als "bewusst verletzend" in eine Situation gebracht (ob aus fehlendem Gespür für die Sensibilität eines Themas oder aus anderen Gründen sei dahingestellt), in der Erdogan ihre Unterstützung für sein Vorgehen nach § 103 StGB erwarten durfte. Dieser Erwartung ist sie nachgekommen. Sie zeigt Erdogan damit, dass sie auf die Justiz vertrauen kann. Sie kann sich darauf verlassen, dass die Justiz zu einer angemessenen Abwägung kommen wird zwischen Persönlichkeitsrechten Erdogans und den grundgesetzlichen Freiheiten andererseits. Eine politische Einflussnahme auf die Justiz ist undemokratisch. Merkel hat dies nicht nötig und führt Erdogan seine Schwäche subtil vor Augen.
Ich überlege mir schon, ob es nicht eine Fortsetzung der Satire wäre, wenn Böhmermann sich auf den Wahrheitsgehalt seiner gedichteten Behauptungen berufen würde (§ 192 StGB) und Erdogan den Beweis der Unwahrheit antreten müsste. Der § 192 StGB ermöglicht zwar eine Bestrafung trotz Wahrheit der Beleidigungen, aber vielleicht hätte der Wahrheitsgehalt einen Einfluss auf das Strafmaß, falls es zu einer Verurteilung käme. Es wäre Realsatire, wenn Ziegen und Schafe als Zeugen geladen würden und das Gericht an Erdogan Maß nähme.

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