Sonntag, 9. August 2015

Überlegungen zum möglichen Asylzentrum in Donauwörth

Kommune sei überfordert, behauptet der Oberbürgermeister

Die Augsburger Allgemeine berichtet am 8. August über den Besuch der bayerischen Innen- und Sozialminister in Donauwörth, die die frühere Alfred-Delp-Kaserne besichtigt haben:
 
 
Der Oberbürgermeister Armin Neudert sieht bittere Tage:
"Den Donauwörther Oberbürgermeister beruhigt das nicht. Für seine Kommune mit 18 500 Einwohnern sei es eine Überforderung, 1500 Personen in den Einrichtungen unterzubringen."
Zugegeben, für eine Gemeinde dieser Größe mag es nicht leicht sein, etwa 10% der Einwohner zusätzlich als Asylbewerber aufzunehmen. Allerdings wird aus dem Artikel nicht klar, worin die Überforderung bestehen soll. Herr Neudert führt an, dass die Umwandlung der Kaserne in ein Wohn- und Gewerbegebiet abrupt unterbrochen sei und die Staatsregierung der Kommune die Zukunft stehle. Der Landrat Stefan Rößle befürchtet, dass niemand mehr Bauland kaufe, wenn nebenan das Flüchtlingsheim sei. Das klingt stark nach Besitzstandswahrung.
Zweifellost werden durch die Unterbringung von Asylbewerbern Kosten entstehen: Wohnraum, Nahrungsmittel, Hygiene, Sprachkurse, Schulbesuche etc. Viele kommunale Haushalte sind knapp kalkuliert, so dass die zusätzlichen Kosten ein Problem werden könnten. Hier müssen die Kommunen unterstützt werden vom Land und vom Bund. Asyl ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht allein eine lokale Aufgabe einzelner Kommunen.
 

Deutschland sei überfordert, behaupten viele

Die Behauptung der Überforderung ist - wie eben gezeigt - nachvollziehbar. Wenn jedoch behauptet wird, Deutschland sei überfordert, stellt sich erneut die Frage, worin sich die Überforderung bestehen soll.
Am 9. August hat die Bildzeitung ein Interview mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier veröffentlicht. Darin sagt Herr Altmaier:
"Wir hatten rund 10 Jahre lang sehr niedrige Flüchtlingszahlen. Dadurch haben viele die neue Dynamik unterschätzt. Das galt übrigens nicht für den damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der schon 2013 Maßnahmen angemahnt hatte."
Die Überforderung besteht also schlicht in einer mangelhaften Vorbereitung. Zeichen gab es viele:
  • Der Bürgerkrieg in Syrien begann im März 2011 mit Protesten gegen die Regierung und dauert nun bereits über vier Jahre. Es war abzusehen, dass es eine Fluchtbewegung geben wird.
  • Bereits im Sommer 2014 zeigte sich eine starke Zunahme von Flüchtlingsbewegungen über das Mittelmeer. Mit Schiffen und anderem Gerät hat man sich vorbereitet, Schiffbrüchige zu retten. Man hat sich aber nicht ausreichend vorbereitet, die Schiffbrüchigen nach ihrer Rettung angemessen unterzubringen.
  • Die IS (früher ISIS) ist seit Jahren terroristisch aktiv und setzt ihre Islamsicht mit brutaler Gewalt durch. Es war abzusehen, dass ein solcher Religionskrieg zu Flucht und Vertreibung führen wird.
Es verwundert nicht, dass viele Flüchtlinge das seit Jahrzehnten kriegsfreie und wirtschaftlich erfolgreiche Europa als Traumziel ansehen. Die umfangreichen Schleuseraktivitäten im Zusammenhang mit den Flüchtlingen verwundern ebenfalls nicht. Im Gegenteil: Sie zeigen, wie absehbar die Entwicklung war und ist. Während Deutschland diskutierte, ob es ein Einwanderungsland sei oder nicht, haben sich Schleuserbanden vorbereitet, indem sie ihre Infrastruktur aufgebaut und Schrottschiffe beschafft haben. Klarer kann ein Beweis nicht geführt werden für den mangelnden Weitblick der Politik bezüglich sich klar abzeichnender Entwicklungen. Im österreichen Traiskirchen harren Asylbewerber in Zelten aus, weil keine ordentlichen Unterkünfte vorhanden sind. Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht in politischen Strukturen ein wesentliches Element für die unmenschliche Unterbringung. Es ist billig, von politischem Versagen mit der Vokabel "Überforderung" ablenken zu wollen.
 
Einen anderen Aspekt bringt Walter Roller in seinem Leitartikel in der AZ vom 8. August ein:
 
 
 Er schreibt zutreffend:
"Weniger wegen der immensen Kosten, sondern weil die Integrationskraft des Landes Grenzen hat und die schon heute abnehmende Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung rapide nachlassen würde. Spätestens dann bestünde die Gefahr, dass die Parolen ausländerfeindlicher Parteien wie in anderen europäischen Ländern bis tief in die Mitte der Gesellschaft hinein Gehör finden."
Die Gefahr rechter Parolen in der sog. politischen Mitte ist jedoch größer als der Leitartikel vermuten lässt. Die Nachrichtenagentur AFP berichtet von einem Gespräch des früheren Innenministers Hans-Peter Friedrich mit der Bildzeitung. Darin wird der Unions-Fraktionsvize Friedrich (CSU) zitiert:
"Der massenweise Asylmissbrauch durch Bürger aus den Balkanstaaten muss sofort gestoppt werden - und zwar, bevor sie zu uns kommen."
"Die Visapflicht für diese Staaten muss sofort wieder eingeführt werden."
Begriffe wie "massenweise", "Asylmissbrauch" und die Forderung nach Visapflicht sowie die oben betrachteten Asylzentren sind rechtes Stammtischniveau. Natürlich geht von rechten Parteien eine Gefahr aus. Eine aus meiner Sicht größere Gefahr geht jedoch von Teilen der etablierten Parteien aus. Walter Roller schreibt:
"Die demokratischen Parteien stehen längst unter dem Generalverdacht, Probleme nicht lösen zu können. Umso mehr sind sie gefordert, das von vielen Bürgern als zunehmend dringlicher empfundene Problem einer unkontrollierten Zuwanderung anzupacken."
Vor ein paar Tagen hat Andreas Scheuer, Generalsekretär der CSU, noch behauptet, Deutschland brauche kein Einwanderungsgesetz. Die Ausführungen waren mit rechten Stammtischparolen versehen und zeigten, dass es zumindest der CSU weniger an einer echten Lösung gelegen ist, sondern dass weiter die Strauß'sche Maxime gilt, rechts der CSU gäbe es keinen Platz. Und die Ausführungen zeigen weiter die Verweigerungshaltung, Offensichtliches zur Kenntnis und als Handlungsauslöser zu nehmen.
 

Vom Sinn und Unsinn der Asylzentren

Die CSU will sog. Asylzentren einführen. In diesen Zentren sollen vor allem Asylbewerber aus dem Balkan unterkommen. Da diese Bewerber wenig Aussicht auf Anerkennung ihres Antrages haben, sollen die Anträge in den Zentren rasch bearbeitet und nach Ablehnung die Bewerber rasch abgeschoben werden.
 

Lösung als Fata Morgana

Die Forderung nach Asylzentren gaukelt eine Lösung vor. Gelänge es tatsächlich, Asylbewerber vor Bearbeitung ihres Asylantrages bereits auf Basis leicht erkennbarer Kriterien in Gruppen aussichtsreicher bzw. nicht aussichtsreicher Kandidaten einzuteilen, und gelänge es ferner, die Asylverfahren tatsächlich rasch zu bearbeiten und inklusive der Ausreise abgelehnter Bewerber zu organisieren, könnte der Druck auf das Land und die Kommunen reduziert werden.
Auf einem anderen Blatt steht hierbei freilich die Frage, ob eine solche Vorauswahl diskriminierungsfrei und damit verfassungskonform umgesetzt werden kann. Zudem wird keine Kommune scharf darauf sein, ein solches Zentrum beherbergen zu müssen. Für rechte Wortführer wären sie eine willkommene Projektionsfläche für Argumente wie "Alles Verbrecher, die unter dem Schutz des Asylrechts einreisen und mit dem Wissen, bald wieder ausreisen zu müssen, gerade eingeladen werden, Verbrechen zu begehen und sich durch von Deutschland bezahlte Ausreise der Strafverfolgung zu entziehen."
 

Amnesie der CSU

Die Forderung nach Asylzentren beweist, wie kurz das Gedächtnis der CSU ist. Noch im Juni 2015 berichtete die Abendzeitung:
"Die CSU hat Unterstützung in der CDU für die Forderung nach europäischen Asylzentren in Nordafrika gewonnen. In diesen Zentren soll ein 'den europäischen Standards entsprechendes Prüfverfahren' von Asylanträgen durchgeführt werden. Darauf verständigten sich die Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU aus den Landtagen, Bundestag und Europaparlament am Dienstag bei ihrer Tagung in Magdeburg. Forciert wird die Idee von CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer."
Damals frug ich mich, wer wo solche Zentren betreiben will. In Nordafrika gibt es Staaten ohne gefestigte staatliche Organisation. Es gibt Staaten, in denen Warlords ihr Unwesen treiben. Solche Staaten sind kein Umfeld, in dem sich ein Asylzentrum mit Vor-Ort-Beratung aufbauen ließe. Auf dem Balkan hingegen sind staatliche Strukturen vorhanden. Das Umfeld wäre deshalb grundsätzlich geeignet, potentielle Asylbewerber vor ihrer Ausreise über die Sinnlosigkeit des Unterfangens aufzuklären. Würden bestimmte Länder zu sicheren Herkunftsländern erklärt, wäre eine solche Kommunikation leicht möglich und erfolgsversprechend. Warum hören wir in der aktuellen Diskussion nichts mehr hiervon? Ich vermute, Asylzentren in Bayern sind am Stammtisch besser zu diskutieren.

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