Montag, 24. August 2015

Falsches Mitleid mit Jean-Marie Le Pen

In der Augsburger Allgemeinen vom 22.8. berichtet Birgit Holzer von der gnadenlosen Tochter, die ihren Vater schasst:


Der Bericht klingt in gleichem Ton weiter. Königsmörderin wird "die Frau, die er großgezogen und der er vor viereinhalb Jahren den Parteivorsitz übergeben hat". 94% der Parteimitglieder stehen hinter der Abschaffung des Amtes des Ehrenpräsidenten. Frau Holzer fügt hinzu: "allerdings beteiligte sich nur Gut die Hälfte daran". 

Ja und? Wahlbeteiligungen um die 50% sind in deutschen Wahlen - sofern es sich nicht um Bundestagswahlen handelt - kein völlig abwegiger Wert. Am Beispiel von Landtagswahlen sind eine ganze Reihe Beteiligungen in der Größenordnung Gut-die-Hälfte, ohne dass ernstliche Zweifel an der Legitimität des Ergebnisses geäußert würden:


Der greise Le Pen hat die Front National gegründet. Mit seinen Parolen agierte er ganz rechts. Seine Wähler waren zahlenmäßig überschaubar, auch wenn er es bis in eine Stichwahl um das Präsidentenamt geschafft hat. In der Europawahl 2009 schaffte er es auf weniger als 7% (FN steht für Front National, Quelle: Europäisches Parlament):



Nachdem er den Vorsitz an seine Tochter abgab, öffnete Marine Le Pen die Partei zu Mitte hin. Sie lehnte den offenen Antisemitismus ihres Vaters ab. Frau Holzer beschreibt dies als öffentliche Abkanzelung. Marine Le Pen setzte auch in anderen Politikfeldern wie der Wirtschafts- und Sozialpolitik neue Akzente. Die Wähler dankten es ihr und hoben 2014 den Front National auf den Wahlsiegerthron:


Auch wenn Marine Le Pen ein Wolf im Schafspelz ist und weiter rechte Ideen bedient, ist sie nicht eine gnadenlose Parteichefin. Ihr Vater paßt nicht zur gemäßigten Ausrichtung des neuen Front National. Marine Le Pen agiert im Sinne der Partei. Konsequent und selbstbewusst. Ihr Vater hat kein Anrecht auf Mitleid, wenn er die Konsequenzen seiner Naziparolen nicht nur strafrechtlich tragen muss. Frau Holzer sollte nicht durch Formulierungen den Eindruck erwecken, sie hätte Mitleid mit dem Hingerichteten, der seine Hinrichtung "offensichtlich sehr lebendig überstanden hat".



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