Donnerstag, 20. August 2015

Jugendgewalt gegen Polizisten härter bestrafen?

AZ plädiert für härtere Strafen

In der Ausgabe vom 20.8. wird von einer Studie des Landeskriminalamtes berichtet, in der vermehrte Gewalt von Jugendlichen gegenüber Polizisten dargestellt wird. In der "Langzeitanalyse der Polizeilichen Kriminalstatistik und Auswertung von Strafverfahrensakten" wird in Kapitel "3.2.2.3 Entwicklung der Altersverteilung bei den alkoholisierten Tatverdächtigen" die im Artikel hervorgehobene Problemgruppe der alkoholisierten Jugendlichen thematisiert.


Ebenfalls auf der ersten Seite der AZ findet sich ein Kommentar von Uli Bachmeier, der härtere Strafen als Muss darstellt:


Der Kommentar ist bereits zu Beginn sachlich falsch, weil die angegebene Textstelle "ganz weit hinten auf Seite 151" nicht auflistet, "was gegen Gewaltdelikte unter Alkoholeinfluss bei jungen Menschen getan werden könnte". Die Studie spricht lediglich von Alkoholmissbrauch:
"Maßnahmenvorschläge zur Bekämpfung des ausufernden Alkoholmissbrauchs finden sich ausführlich in der Studie von Özsöz (2013) 'Gewaltdelikte unter Alkoholeinfluss bei jungen Menschen in Bayern' und dem 'Lagebild Alkoholmissbrauch 2012'. Einige der Möglichkeiten sind hier kurz zusammengefasst:"

Gewalt gegen Polizisten

Ein Aspekt zur Einordnung der Forderung nach härteren Strafen ist die Häufigkeit und Art der Gewalt gegen Polizisten. Die Studie listet auf Seite 91 die entsprechenden Tathandlungen auf:



Zwei Seiten weiter stellt die Studie den Verletzungsgrad dar für Fälle mit der Tathandlung "Schlagen mit Hand oder Faust". In 75 Fällen von 125 sind die Geschädigten unverletzt (63%). In 17 Fällen sind die Geschädigten erheblich verletzt. Bei der Tathandlung "Treten"  sinkt die Quote der unverletzten Personen auf  48%, was auch auf die höhere Verletzungsträchtigkeit der Tathandlung zurückgeführt wird (Seite 92).
Von auf Seite 88 genannten 283 Fällen führten 252 nicht zu einer Dienstunfähigkeit. Von den weiter dienstfähigen Personen trugen 82 leichte Verletzungen davon.

Auf Seite 34 der Studie findet sich eine grafische Darstellung, in der die Anzahl der Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte durch alkoholisierte Personen nach Alter der Personen gezeigt wird. Von Jahr 2003 bis 2008 stieg in der Altergruppe 21 bis 24 Jahre (Gruppe mit den höchsten Fallzahlen) die Anzahl von 303 auf 455 Tathandlungen, mithin um etwa 50%:


In der Studie werden diverse Beispiele dargestellt, die einen lebhaften Eindruck vom Polizistenalltag vermitteln. Ich freue mich, dass ein großer Teil der Gewalt gegen Polizisten ohne Verletzungen verläuft.

Strafe als Ausweg?

Vor diesem Hintergrund muss gefragt werden, ob die geforderten härteren Strafen erwartbar wirksam sein können.

Die Fallzahlen sind nicht von der Hand zu weisen. Im Hinblick auf die 26.000 Beamten (2011) jedoch weit entfernt von dramatischen Ausmaß. Ein Artikel auf der ersten Seite sowie der Kommentar auf der gleichen Seite in der AZ lassen weit dramatischeres vermuten. Auch im Hinblick auf die körperlichen Folgen für die Beamten scheint mir der Titel des Artikels übertrieben. An der Einordnung der Handlungen als Straftaten ändert das natürlich nichts.

Die in der Studie genannten Gewalthandlungen gegen Polizisten sind naheliegend, wenn man sich alkoholisierte und durch Gruppendynamiken oder eigene Einstellungen angestachelte Jugendliche vor Augen führt. Es sind Handlungen, die erfolgen, weil Polizisten zu randalierenden oder auffälligen Personen gerufen werden. Es sind Handlungen, die in einer aufgeheizten Stimmung getan werden.

Es sind keine Handlungen, die berechnend erfolgen. Selbst wenn Jugendliche "einen drauf machen", verstehen sie das als Party, Ausgelassenheit, Unterhaltung. Sie wissen, dass es sich um Straftaten handelt, wenn sie ein Buswartehäuschen beschädigen. Sie tun es trotzdem. Alkohol enthemmt. Alkohol schränkt das Denken ein. In der Partystimmung ist die Strafandrohung völlig außerhalb des Denkhorizonts. Wie soll also eine härtere Strafe wirken können?

In den USA gibt es in manchen Bundesstaaten die Todesstrafe. Das "Death Penalty Information Center" führt aus, dass die Androhung der Todesstrafe nicht zu geringeren Mordraten führt:
"For 2013, the average Murder Rate of Death Penalty states was 4.4, while the average Murder Rate of States without the Death Penalty was 3.4."
Hier zeigt sich, dass eine angedrohte hohe Strafe nicht notwendig zu einer Reduktion der Straftaten führt. Auch alkoholisierte Jugendliche werden nicht weniger aggressiv, wenn sie von der Polizei an ihrer vermeintlichen Party gehindert werden. Die Wurzel liegt im Wunsch mancher Jugendlicher, unter Befeuerung durch Alkohol etwas besonderes zu erleben und sich besonders zu fühlen. Eine höhere Strafe kann die Besonderheit des Tatmoments noch betonen. Macht Alkoholkonsum unsexy! Macht den (All)Tag der Jugend besonders! Dann wird Gewalt uninteressant und Strafe entbehrlich.

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