Freitag, 8. Mai 2015

Lernen von Oldschool Society, BND und ACLU

Wer sind OSS, BND und ACLU?

Bevor ich mich dem eigentlichen Thema dieses Beitrages widmen kann, muss die Bedeutung der Begriffe klar sein. In alphabetischer Reihenfolge:

ACLU

Die Abkürzung steht für American Civil Liberties Union. Sie beschreibt sich selbst auf ihrer About-Site als:
"For nearly 100 years, the ACLU has been our nation’s guardian of liberty, working in courts, legislatures, and communities to defend and preserve the individual rights and liberties that the Constitution and the laws of the United States guarantee everyone in this Country."
Es handelt sich um eine Gruppe, die sich für die Rechte und Freiheiten einsetzt, die den amerikanischen Bürgern laut Verfassung zustehen.

BND

Die Abkürzung steht für Bundesnachrichtendienst. Er beschreibt seine Aufgabenfelder als:
"Der Bundesnachrichtendienst ist der einzige Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland. Er bündelt die wirtschaftliche, politische und militärische Auslandsaufklärung. Der Bundesnachrichtendienst arbeitet im Auftrag der Bundesregierung."
Er sammelt Informationen, um wirtschaftliche, politische oder militärische Ziele zu erreichen. Er arbeitet im Auftrag der Regierung und wird von ihr - namentlich dem Bundeskanzleramt - kontrolliert.

OSS

Die Abkürzung steht für Oldschool Society. Hierbei handelt es sich um eine Organisation, gegen die ermittelt wurde und weiterhin wird wegen des Verdachts rechtsradikaler Umtriebe. Anfang Mai 2015 wurden einige Mitglieder dieser Organisation verhaftet, weil ein Anschlag unmittelbar bevorgestanden habe. Die einende Weltsicht der Gruppe ist eine drohende Islamisierung des Abendlandes und dazu passend waren Imame und Hassprediger Primärziele.

Was ist vorgefallen?

Spannend ist nicht, was die Organisationen tun, sondern was in den letzten Tagen im Zusammenhang mit diesen Organisationen stattgefunden hat.

Vorkommnis bei ACLU

ACLU erwirkte vor Gericht ein Urteil, das von der Organisation selbst als "landmark victory for privacy" bezeichnet wird. Die massenhafte Speicherung von Telefondaten - Anruferkennungen, Uhrzeiten, Gesprächsdauern - und tägliche Übermittlung an die NSA sind nach dem Urteil rechtswidrig. Sie sind auch nicht durch den Abschnitt 215 des Patriot Acts gedeckt. Insbesondere wird bemängelt, es sei unverhältnismäßig, eine Unmenge an Daten zu sammeln, die im Prinzip irrelevant sind und nur in einer ungewissen Zukunft vielleicht nach relevanten Details durchsucht werden sollen. Dazu aus der Entscheidung des Gerichts:
Das Gericht entzieht auch der Behauptung den Boden, solange keine Inhalte, sondern nur Metadaten abgegriffen würden, sei die Privatsphäre nicht in Gefahr.
Das vollständige Urteil ist als PDF-Dokument zugreifbar.

Vorkommnis bei BND

Der BND hat von der NSA Anfragen erhalten, in Verbindungsdaten nach bestimmten Begriffen zu suchen und entsprechende Ergebnisse an die NSA zurück zu liefern. Es besteht der Verdacht, dass es mit den übermittelten Suchbegriffen nicht nur um Terrorbekämpfung, sondern auch um Wirtschaftsspionage gegangen sein könnte. Zudem sollen mit den Suchbegriffen auch deutsche Unternehmen oder Personen betroffen sein. Dies wäre nach §1 BNDG unzulässig, weil im Absatz (2) explizit die "Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland" genannt wird.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss untersucht derzeit, ob das Bundeskanzleramt seine Aufsichtspflicht verletzt hat und in Kenntnis der Vorkommnisse hätte anders handeln müssen.

Vorkommnis bei OSS

Die Aktivitäten der OSS standen unter der Beobachtung der Behörden. Die Gruppenmitglieder waren mit ihrem Anliegen öffentlich unterwegs: Sie waren Mitglied in der NPD, es gab für die OSS eine Seite auf Facebook. Trotz der Öffentlichkeit dieser Plattformen haben sich die OSS-Mitglieder deutlich rechts positioniert und auch zu Gewalt aufgerufen. Sich konkretisierende Anschläge sollen auch deshalb abgezeichnet haben, weil die Gruppe Grundmittel zur Sprengstoffherstellung gekauft hatte. Diese Käufe sind meldepflichtig und wurden so den Behörden bekannt.

Was ist an den Vorkommnissen interessant?

Jedes Vorkommnis wirf ein bezeichnendes Licht auf einen Sachverhalt:
  1. Die USA sind normalerweise nicht sehr zimperlich, wenn es um Privatsphäre geht. Der Kampf gegen den Terror und die vermeintliche Sicherheitsgarantie durch umfassendes Wissen rechtfertigte bisher alle möglichen Eingriffe.
    Das oben genannte Urteil zeigt jedoch, dass selbst in den USA nicht jedwede Datensammlung erlaubt ist, selbst wenn sie angeblich dem Terrorkampf dient. Was gesammelt wird, muss relevant sein und darf nicht nur eine Irgendwann-werden-wir-es-vielleicht-auswerten-Relevanz entwickeln.
  2. Der BND hat einen klaren gesetzlichen Rahmen. Der Auftraggeber ist direkt die Bundesregierung. Die Kontrolle liegt bei der Bundesregierung. Dennoch steht der Verdacht im Raum, der BND habe an gewissen Stellen seinen Rahmen verlassen und die Kontrolle habe versagt.
  3. Die OSS konnte bekämpft werden, weil sich anhand von Verdachtsindikatoren wie Verlautbarungen, Parteimitgliedschaften und Kaufverhalten konkrete Verdachtsmomente auf konkrete Personen und geplante Handlungen ergeben haben.

Was nun lernen von den dreien?

Zusammen ergeben diese Vorkommnisse ein interessantes Bild:
  1. Ein gesetzlicher Rahmen für eine deutsche Behörde ist keine Garantie dafür, dass die Behörde vollständig innerhalb des Rahmens handelt.
  2. Ein Kontrollmechanismus für eine deutsche Behörde ist keine Garantie dafür, dass rechtzeitig aufgedeckt wird, wenn die Behörde ihren gesetzlichen Rahmen verlässt und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
  3. Terroraktivitäten können durch mehr oder weniger öffentlich zugängliche Informationen, behördliche Aufmerksamkeit und Informationsaustausch aufgedeckt werden.
  4. Massenhafte Datensammlung im Sinne "viel hilft viel" verletzt Bürgerrechte so, dass die Verletzung nicht mit einer nur abstrakten Terrorgefahr übergangen werden kann.
  5. Trotz (inzwischen gerichtlich als unzulässig erkannter) Datensammlung kann ein Anschlag nicht 100%ig ausgeschlossen werden. Ich erinnere an den Anschlag auf den Boston Marathon.
Aus der Gesamtschau ziehe ich den Schluss: Keine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland! Weder kann ein Datenmissbrauch trotz Aufsicht und Genehmigungen ausgeschlossen noch die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme belegt werden.

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