Mittwoch, 28. Februar 2018

Umgang mit der AfD

Gregor Peter Schmitz hat in der Printausgabe der Augsburger Allgemeinen am 28.2. einen Leitartikel veröffentlicht zum Urteil des Verfassungsgerichtes über den Umgang eines Ministeriums mit der AfD:


Gregor Peter Schmitz bezeichnet die Entscheidung als „selbstverständlich richtig“. Ja. Ein Minister und ein Ministerium haben sich - wen mann so will - überparteilich zu verhalten. Eine Auseinandersetzung kann im Sinne richtig oder falsch über einen einzuschlagenden Weg, über politische Analysen und Lösungen geführt werden. Eine Diffamierung einer politischen Partei, zumal einer ins Parlament gewählten, ist nicht akzeptabel.
Anders verhält es sich, wenn ein (Partei)Politiker sich zum politischen Gegner äußert. Da mag ein robustes Auftreten angehen. Ob das vom Publikum goutiert wird oder nicht, wird sich zeigen. Der politischen Karriere mag die Robustheit zuträglich sein oder auch nicht, je nach Publikum. Die Herren Söder und Dobrinth beispielsweise sind dort, wo sie sind, weil sie laut sind. Den Grünen nimmt man ihre Emotionalität gegenüber der AfD ab.
Die überschießende „Rote Karte“ des beklagten Ministeriums offenbart, wird verkrampft der Umgang der etablierten Parteien mit der AfD ist. Dabei:
„Das Gute an Populisten ist, dass sie sich meist selbst entlarven.“
Ja, im Leitartikel genannte Beispiele zeigen dies. Es kann abgewartet werden, bis „sich Rechts selbst widersprechen“. Die Rechten gehen mit Fakten großzügig um, wissenschaftliche Erkenntnisse werden negiert, nur Teilaspekte berücksichtigt, falsche Schlüsse gezogen. Mit dem Twitter-Hashtag #NixVerstehen kennzeichne ich manche solcher Äußerungen. Zudem haben sie keine wirklichen Lösungen anzubieten, so dass sie sich auf Formalismen zurückziehen müssen. So behauptet die AfD beispielsweise, sie würde wirken, weil sie einen Entscheid im Bundestag ausbremsten, weil nicht genügend Parlamentarier anwesend waren. Sie wollen sich als Bewirker darstellen, kommen aber über Erbsenzählerei nicht hinaus. 
Deshalb: Wachsamkeit gegenüber den Rechten ist notwendig. Von der teilweisen hilflosen Aufgeregtheit sollten sich die etablierten Parteien unverzüglich verabschieden. Sonst erweisen sie ihrer eigenen Sache nur einen Bärendienst.

Dienstag, 20. Februar 2018

Mitte oder Rechtsruck?

Die Augsburger Allgemeine hat am 20.2. in der Printausgabe über eine Umfrage berichtet, nach der sich die CDU um die politische Mitte kümmern solle:


Danach "befürworten zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) einen Kurs der Mitte". Lediglich ein gutes Fünftel "(21 Prozent) aller Befragten spricht sich dafür aus, dass die Partei weiter nach rechts rücken sollte". Allerdings: "bei den AfD-Anhängern fordert eine Mehrheit (53 Prozent) einen konservativeren Kurs". Die Hannoversche Allgemeine hat ebenfalls über die Umfrage berichtet, jedoch unter dem Titel:
"Nur AfD-Anhänger wollen einen CDU-Rechtsruck"
Diese Umfrage ist ermutigend. Denn sie straft die Lügen, die - wie die CSU - glauben, zur AfD abgewanderte Wähler zurückgewinnen zu können, indem im braunen Teich gefischt wird.
Walter Roller hat in seinem Leitartikel vom 16.2. geschrieben:
"Die Kanzlerin habe die CDU inhaltlich entleert, den Platz rechts von der Union der AfD überlassen, das konservative und wirtschaftsliberale Profil vernachlässigt. Richtig daran ist, dass die Kanzlerin zahlreiche klassische Positionen der Union geräumt hat und nicht mehr klar ist, wofür die Partei eigentlich noch steht und kämpft. Wahr ist aber auch, dass die CDU ohne den Merkel’schen Modernisierungskurs und die Besetzung der breiten politischen Mitte heute noch schlechter dastünde und die Partei alles gehorsam mitgetragen hat – auch die Flüchtlingspolitik, die Hauptursache für den Vertrauensverlust von Millionen Wählern und den Aufstieg der rechten Konkurrenz."
Entleerung ist ein Begriff, den der AfD-Chef Gauland verwendet hatte, als er den Koalitionsvertrag kommentierte, worüber der beispielsweise der Merkur berichtet hatte:
"Aus Angst vor dem Mitgliederentscheid der SPD habe sich die CDU ideologisch entleert, sagte Parteichef Alexander Gauland. 'Die CDU ist sozusagen nur noch eine leere Hülle.'"
Bei solchen Anwürfen wie von Gauland oder Roller frage ich mich, welches Bild einer konservativen Partei diese Personen haben. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass dies ein Konservativismus aus der "guten alten Zeit" ist - ein Markenkern der AfD. Nur: Viele Aspekte einer solchen alten Sicht stehen heute zur Diskussion, zum Beispiel:

  • Was ist ein modernes Familienbild? Vater, Mutter, Kind oder nicht etwas anderes?
  • Was für eine Rolle spielt die religiöse Fundierung?
  • Protestantischer Arbeitsethos oder Work-Life-Balance?
  • Wehrpflicht?

Viele dieser Fragen lassen sich im Gestern beantworten, siehe AfD. Ein "moderner Konservativismus", über den ich bereits im Oktober geschrieben hatte, käme zu anderen Ergebnissen. Es zählte nicht mehr die Erscheinungsform der Familie, sondern die der Familie zugeschriebenen Werte wie Liebe, Schutz, Unterstützung etc. Das können auch zwei Frauen, zwei Männer sich gegenseitig geben. Europa mag auf christlichem Boden stehen, bei der Vielfalt der aktuellen Religionszugehörigkeiten in Deutschland ist die christliche Religion nur noch bedingt eine Richtschnur für alle. Wiederum gilt es, die dahinter stehenden Werte zu extrahieren und nicht auf der Form zu bestehen. Das Argument, die Wehrpflicht bräuchte es zur Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft, wird endgültig als argumentativer Rettungsring entlarvt.
Walter Roller hatte ich seinem Leitartikel am Ende geschrieben:
"Ob sie es bis 2021 darf [Merkel Kanzlerin sein, Anm.], das allerdings hängt von ihrer Bereitschaft ab, die Kritik aufzugreifen, frische Kräfte und Nachfolge-Kandidaten in Stellung zu bringen und den Markenkern der Union auf den zentralen Feldern der Zuwanderungs-, Europa- und Wirtschaftspolitik wieder aufzupolieren."
Mag sein, dass die CDU ihren Markenkern etwas verwässert hat und an manchen Stellen Unklarheit beim Wähler und bei Parteimitgliedern besteht. Doch "die Kritik" muss auf ihren Gehalt und ihr Gewicht geprüft werden: Lautstärke spricht nicht für Gewicht. Genauso wenig sind die Probleme so groß, wie die AfD mit ihrer Lautstärke uns glauben machen will.
Die Rettung liegt jedoch keinesfalls in einem Rechtsruck, liegt nicht in einem verstärkten zugehen auf rechte Positionen. Warum soll es nicht in einer Zeit, in der die Extreme zunehmen, eine Partei rechts der Union geben, die die sehr rechten, vielleicht sehr konservativen Ansichten bündelt? Man kann nicht den Muslimen vorwerfen, sie hingen einem mittelalterlich anmutenden Religionsverständnis nach und sich gleichzeitig weigern, das Konservative ins Heute zu transferieren.

Dienstag, 13. Februar 2018

Wirkung der AfD

Dia Augsburger Allgemeine hat am 12.2. einen Bericht veröffentlicht über eine Flucht aus Syrien nach Deutschland. Im Bericht wurde beschrieben, wie die kürzlich beschlossene Regelung zum Familiennachzug auf einen betroffenen Vater wirkt. Einige Leser der AZ haben dazu ihre Meinung kundgetan:


Unisono fragen sich die Schreiber, wie ein Mann seine Familie alleine lassen kann, um in Deutschland Schutz zu suchen. Der Mann solle in Syrien bleiben, seine Familie schützen und das Land aufbauen. Jörg Jüngling findet „das feige“, was der Mann getan hat.
Mir fehlen die Worte. Ich vermag nicht die Ethik - eine, die die Bezeichnung auch verdient - hinter solchen Leserbriefen zu erkennen, ich kann keine der europäischen Werte mehr zu sehen, auf die stolz zu sein es sich lohnen würde. Der „deutsche Steuerzahler“ hat solche Angst um seine Sattheit, dass ihm die Fantasie fehlt zu den Grauen des Bürgerkriegs in Syrien und zur damit einhergehenden Hoffnungslosigkeit. Aus Angst um den eigenen Geldbeutel tut der Steuerzahler so, als hätte der Flüchtling eine Kaffeefahrt unternommen und seine Familie aus Eigensucht, aus Bequemlichkeit zurück gelassen. Wie es scheint, wirkt die AfD mit ihrer unsäglichen Politik. 

Montag, 5. Februar 2018

Meuthen im Interview

Die Augsburger Allgemeine hat am 5.2. ein Interview veröffentlicht, das Michael Stifter mit dem AfD-Parteichef Jörg Meuthen geführt hat:


Das Interview zeigt den "klassischen Dreiklang", mit dem rechtspopulistische Parteien oft in der Öffentlichkeit agieren.

1. Ton: Wir sind gar keine Rassisten

Beobachter oder politischen Gegner sehen rechtspopulistische Parteien (wie beispielsweise die AfD, aber auch die FPÖ) als rassistisch an. Diese Sicht speist sich vor allem aus dem politischen Programm der Parteien und der diesem Programm zugrunde liegenden Analyse.
Für die AfD behauptet Jörg Meuthen:
"Ich halte diesen Tweet für rassistisch und wir dulden keinen Rassismus in unserer Partei. Da muss man klare Kante zeigen."
Diese "klare Kante" würde gezeigt, obwohl es in der Partei einen rechten Flügel gibt und dieser Flügel auch ein Existenzrecht habe:
"Erstens: Der rechte Flügel gehört als integraler Bestandteil zu unserer Partei. Zweitens: Björn Höcke ist nicht der Nazi-Hetzer, als der er immer wieder dargestellt wird."
Der "rechte Flügel" sei Bestandteil der Partei, mithin ein normales Element in der politischen Landschaft. Aber es ist nur ein Flügel. Die Partei selbst ist bei weitem nicht so rechts wie dieser Flügel. Und weil nur der Flügel rechts ist - die Partei ist ja nur (national)konservativ - sind wir gar keine Rassisten.

2. Ton: Einzelfälle, das alles

Michael Stifter spricht vor dem Hintergrund dieses Wir-sind-doch-keine-Rassisten-Selbstverständnisses Fälle an, die sich leicht als rassistisch einordnen lassen. Jens Meier beispielsweise, der "Halbneger" twitterte. Björn Höcke beispielsweise, der in Serie auffällig sei.
Bei solchen "Einzelfällen" greifen zwei Abwehrstrategien. Die erste Strategie ist die Schuldzuweisung an eine mehr oder weniger anonyme Person im Hintergrund:
"Das hat ein Mitarbeiter getwittert."
Natürlich hat nicht Jens Meier selbst getwittert. Würde er nie tun, denn er ist ja in der AfD, und die sind keine Rassisten. Zum Beweis gibt's strenge Konsequenzen für den betroffenen Anonymen:
"Wir haben ihn abgemahnt."
Auffällig häufig gibt es bei Rechtspopulisten Mitarbeiter, die auffällig über die Stränge schlagen. Man frägt sich unwillkürlich, wie die Personalauswahl erfolgt. Beim Serientäter Björn Höcke lässt sich nicht ein anonymer Mitarbeiter vorschieben, weil sich Höcke selbst exponiert. Doch hier greift die zweite Strategie:
"Trotzdem stört mich seine Lust an extrem zugespitzten Formulierungen."
Schnell wird zwischen der offiziellen Parteilinie und den extremen Äußerungen eine Distanz generiert, die die Äußerungen als Einzelmeinung darstellen. Durch die Attributierung als "extrem zugespitzt" kann sich die Partei gebührend distanzieren, gleichzeitig inkludieren, weil der rechte Flügel halt solche Zuspitzungen macht. Aber: nur Zuspitzungen, keine rassistischen Äußerungen, denn die werden nicht geduldet. Denn wir sind keine Rassisten. Falls Einzelfälle auftauchen, aber dann!

3. Ton: Opferrolle einnehmen

Die Opferrolle zeigt sich ebenfalls in zwei Ausprägungen. Die erste Variante ist das Missverständnis, das sich bei Meuthen so darstellt:
"Höcke meinte, dass an der Grenze zwischen Asien und Europa Schluss sein muss mit Mohammed, Minarett und Muezzin. Aber natürlich nicht in der Türkei, die ja ein islamisches Land ist."
"Auch weil man das so interpretieren könnte, halte ich den Satz für unglücklich."
Nachdem eine Äußerung getätigt und als rassistisch verstanden wurde, wird ein Missverständnis behauptet. Man sei nicht rassistisch, doch alle Außenstehenden unterstellen dies permanent. Kein Wunder, dass jedes Wort auf die Goldwaage gelegt und nachteilig interpretiert wird. So entsteht ein unmerklicher Übergang zur generellen Opferrolle, die nicht auf das einzelne Missverständnis beschränkt ist. Jörg Meuthen liefert Indizien:
"Die machen das ja nicht, weil sie uns akzeptieren. Sie haben gemerkt, dass sie sich durch die bisherige Art der Stigmatisierung permanent Eigentore schießen. Ich bin froh, wenn die Konfrontation inhaltlich gesucht wird und nicht in irgendwelchen Sandkastenspielen."
Fehlende Akzeptanz, Stigmatisierung. Sogar undemokratisches Verhalten wird unterstellt, wenn beispielsweise eigene Kandidaten nicht gewählt werden:
"Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass die anderen Parteien vor lauter Tabuisierung unseren Kandidaten für den Posten des Bundestags-Vizepräsidenten, Albrecht Glaser, verhindert haben."
Gerade an der Opferrolle haben andere Parteien ihren Anteil. Durch ihren verkrampften Umgang mit dem politischen Krampf schaffen Sie die Bühne, auf der sich die Opferrolle gut tanzen lässt: Erregung statt Inhalt, wenn beispielsweise Anton Hofreiter einen Redner der AfD im Parlament anbrüllt, wie der Focus berichtet hatte. Oder wenn AfD-Mitglieder vom Fußballclub ausgeschlossen sind, wie die SZ berichtet hatte. Was als Zeichen gegen rechts gemeint ist, unterstützt den Nimbus "Opfer".

Conclusio

Unter anderem mit diesem Dreiklang schafft die AfD den Seiltanz, einerseits für eine konservative Mitte akzeptabel zu sein und andererseits für deutlich rechtsorientierte attraktiv genug. Trotz der Beteuerungen über das eigene Selbstverständnis und die Einzelmeinungen kann die AfD nicht darüber hinwegtäuschen: sie ist eine rechte Partei, in der auf braunem Boden Naziblüten gedeien und die rassistische Sichtweisen als normale politische Kategorien etablieren will.