Sonntag, 21. Januar 2018

Smart Home smart?

Die Augsburger Allgemeine hat am 20.1. einen unterhaltsamen Artikel veröffentlicht, in dem Philipp Kinne über seine "ungleiche Beziehung mit Hindernissen" berichtet:


Philipp Kinne beschreibt das "neueste Wunderding des Internetriesen Amazon" und schildert seine ersten Erfahrungen, als sein Mitbewohner "von dem neuen Sprachassistenten schwärmt". Während die einen den Assistenten "lieben", könnten andere ihn "nur hassen":
"'Wie kann man nur, die hört einem ja ständig zu', sagen die Alexa-Hasser. Stasi 2.0, Abhör-Alexa."
Philipp Kinne ist skeptisch:
"Am Frühstückstisch lausche ich unserer neuen Mitbewohnerin: 'In Augsburg beträgt die Temperatur sieben Grad, bei Regenschauern und überwiegend bewölktem Himmel.'
Ein Blick aus dem Fenster bestätigt die Prognose. Ich bin wenig beeindruckt."
Für praktischer hält er den Hinweis, es stünden drei Termine an. Im Laufe der Zeit werden seine Bedenken und "Ansprüche an den Datenschutz immer kleiner", er zieht Vergleiche zu Instagram und Facebook, wo Frühstücksbilder und Standorte geteilt werden. Er schreibt:
"Für den Digitalexperten und Blogger Sascha Lobo ist der Vormarsch von Systemen wie Alexa nicht mehr aufzuhalten. In seiner Kolumne bei Spiegel Online schreibt er: 'Die Weltmacht der Bequemlichkeit schlägt alles.'"
Schließlich ist Philipp Kinne weichgekocht, er möchte "als junger Mensch natürlich nicht" gestrig sein. Er kauft sich selbst eine Alexa. Die Einrichtung sei einfach. Alexa könne die Fahrzeit zu seiner Freundin zutreffend schätzen. Alexa kann nicht egoFM als Radiosender einstellen, dafür kann sie eine dänische Band mit "Zungenbrechernamen" abspielen - ich vermute, dass sie dafür einen Musik-Streamingdienst benötigt. Wer den nicht abonniert hat, hört wahrscheinlich nix. Weiter schildert er:
"Doch es gibt auch unzählige Dinge, die meine digitale Freundin nicht kann. Noch ist die Technik alles andere als perfekt. 'Das gehört zu den Dingen, die ich nicht weiß', sagt Alexa, wenn ich sie nach dem Fernsehprogramm frage. Das erste Album der Beatles? 'Darauf habe ich leider keine Antwort.' Ich frage Alexa nach einem Schwimmbad in der Nähe, doch sie liest mir nur den zum Stichwort passenden Wikipedia-Artikel vor. Na toll."
Durch das dauernde Lauschen wird Alexa teilweise aktiv, auch wenn sie nicht gemeint war. Nach einem knappen Monat war "ein wenig die Luft raus". Anfangs war es aufregend, Alexa nach Nachrichten oder Staatsoberhäuptern zu fragen. Inzwischen greift Philipp Kinne "lieber wieder zur Tastatur. Das geht genauso schnell und ich muss mir keine Sorgen machen, nicht verstanden zu werden."

Smart Home Assistenten?

Alexa ist eine Vertreterin der Sprachassistenten, Google, Apple, Microsoft bieten ähnliche Dienste an. Andere Anbieter wollen ebenfalls auf den Zug aufspringen, wie beispielsweise das Handelsblatt berichtet hat.
Der englische Begriff "smart" wird mit clever, schlau, klug, gescheit übersetzt - in einem anderen Sinne gebraucht auch flink, gepflegt. Doch stimmt das?
Zweifelsohne steckt hinter den Assistenten eine beeindruckende technische Entwicklung. Die gesprochenen Worte müssen gehört und sinnhaft interpretiert werden. Inzwischen verstehen manche Assistenten den Kontext:
"Fragt man nach einem Kino in der Nähe, kann man nach der Antwort als nächsten fragen: 'Und wie lange hat es geöffnet?' Google versteht, dass es um das Kino geht, und nennt die Öffnungszeiten."
Ich frage mich, ab welchem Alter kleine Kinder ein solches Sprachvermögen haben. Schon im Vorschulalter klappt das. Ich frage mich weiter, was soll daran intelligent sein, Öffnungszeiten zu nennen oder Staatsoberhäupter Ländern - der Selbstversuch Philipp Kinnes - zuzuordnen? Würde ich im Berufsleben einen Assistenten wollen, der mir als Gipfel der Auskunftsfreude Wikipedia-Artikel vorliest? Manche "smarten" Geräte können auf die Frage, was da gerade für ein Lied laufe, Titel und Interpret nennen. Doch sie sprechen beispielsweise französische oder englische Namen und Titel deutsch aus, als würden sie ein neues deutsches Wort lesen - nicht sehr smart.
Im Artikel genannt war die Möglichkeit, das Licht oder die Heizung zu steuern. Das soll dann "Smart Home" sein. Nun, ein "smarter" Lichtschalter oder eine "smarter" Fensterkontakt oder eine "smarte" Heizungssteuerung kann erst einmal nichts. Er muss einem Smart Home System hinzugefügt werden, damit er im (Funk)Netz überhaupt zur Kommunikation fähig ist. Dann müssen Konfigurationen definiert werden, bei denen bestimmte Aktionen mit bestimmten Reaktionen verknüpft werden. Weil nun nicht jedes "smarte" Gerät kommunikationsfähig mit jedem anderen ist, kann es notwendig sein, hierfür die Hilfe von "Übersetzern" in Anspruch zu nehmen. Solche Übersetzer können als sog. Work-around gesehen werden oder sie schaffen es, als eigenständiges Produkt wahrgenommen zu werden (der Dienst "If This Then That IfTTT" ist ein Beispiel hierfür). Doch es bleibt dabei: Ohne genaue Angabe von Reiz-Reaktions-Relationen passiert nichts. Es werden keine Entscheidungen getroffen. Ein "smartes" Türschloss öffnet die Türe, wenn man mit dem richtigen Smartphone herumfuchtelt. Ob die richtige Person fuchtelt ist wurscht. Eine Drehorgel ist auch nicht "smart", wenn man sie mit einem Lochstreifen füttert und wenn dann beim Drehen an der Kurbel die entsprechende Musik ertönt.
Philipp Kinne muss sich Sorgen machen, nicht verstanden zu werden. Tatsächlich ist es ja so, dass die Sprachassistenten anfangs große Schwierigkeiten haben können, die Anweisungen zu verstehen. Sie lernen im Laufe der Zeit ihren Meister besser zu verstehen - eine beachtliche technische Leistung. Dennoch ist der Meister gezwungen, sich erstens dem Vokabular des Assistenten anzupassen und zweitens bei der Aussprache angemessen deutlich zu sein. Ein Nuschler hat schlechte Karten, verstanden zu werden. Wer das Vokabular nicht beherrscht, beherrscht nicht seinen Assistenten. Das, was als Hilfe angeboten wird, ist in erster Linie ein Sprechtraining für den Anwender. Nach ausreichend intensiver Beschäftigung besteht die Hoffnung, mit Sprachbefehlen einen Ausführungswillen des Assistenten zu treffen.
Die englische Wikipedia beschreibt in ihrem Eintrag zu Intelligenz:
"Intelligence has been defined in many different ways including as one's capacity for logic, understanding, self-awareness, learning, emotional knowledge, planning, creativity, and problem solving."
Die einzigen Aspekte, die Smart Home Geräte derzeit für sich beanspruchen können sind Logik (eben die Verknüpfung von Auslöser und Reaktion) und Lernen (zunehmendes Sprachverständnis; die "Skills", die beispielsweise Alexa steuern können, ordne ich der Logik zu). Sie lösen keine neuen, unbekannten Probleme oder Aufgaben, sie sind nicht kreativ und sie planen nicht (das Vorlesen vorhandener Kalendereinträge ist kein Planen).
Bislang sind die "smarten" Smart Home Geräte dumm. Das mag sich in den nächsten Jahren ändern. Für manche sind sie eine technische Spielerei, ein Faszinosum. Wer lange genug Vokabeln gepaukt und gemeinsam Sprechen geübt hat, wird an der einen oder anderen Stelle eine Erleichterung verspüren, es bequemer haben. Doch bei allen technischen Möglichkeiten, die die Sprachsteuerung bisher bietet: smartes Handeln ist das alles nicht.

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